Verkehrsstrafrecht: Die fahrlässige Körperverletzung

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Hintergründe und Verhaltensregeln

Ein Verkehrsunfall ist ein einschneidendes Erlebnis. Kommt es dabei zu einem Personenschaden, markiert dies nicht nur den Anfang komplizierter zivilrechtlicher Auseinandersetzungen. Oftmals gerät man auch in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungsverfahren.

1. Wie kommt es zum Ermittlungsverfahren?

2.401.843 Unfälle erfasste das Statistische Bundesamt im Jahr 2012, davon 299.637 mit Personenschaden.

Bei jedem dieser Unfälle mit Personenschaden ist grundsätzlich ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung denkbar.

Denn ausreichend für dessen Einleitung ist lediglich ein Anfangsverdacht. Hierfür genügt, dass Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Da bei einem Unfall mit Personenschaden der objektive Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 StGB: Gesundheitsschädigung) immer zu bejahen sein wird, liegt im Zweifel also immer auch ein Anfangsverdacht vor.

Zwar wird man in den meisten Fällen eine vorsätzliche Begehung der Tat, wie sie § 223 StGB voraussetzt, ausschließen können. Doch gemäß § 229 StGB ist auch die fahrlässige Körperverletzung strafbar.

Liegt nun ein Anfangsverdacht vor, ist die Polizei grundsätzlich verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten!

Allerdings gilt dies nur grundsätzlich. Würden in allen den oben genannten Fällen Ermittlungsverfahren eingeleitet, wäre dies ein von den Ermittlungsbehörden kaum zu bewältigender Aufwand. Zudem wäre eine strafrechtliche Verfolgung mit den damit unmittelbar zusammenhängenden Grundrechtseingriffen bei Bagatellverletzungen unverhältnismäßig.

Entsprechend sieht § 230 StGB vor, dass eine Strafverfolgung nur auf einen Antrag des Verletzten hin erfolgt (es sei denn natürlich, es handelt sich um kein Bagatelldelikt).

Aber auch hierzu kommt es oft. Manch ein Unfallbeteiligter erhofft sich, den Unfallgegner durch Stellung eines Strafantrages unter Druck setzen zu können oder meint, hierdurch von eigener Schuld ablenken zu können bzw. diese zu relativieren. Nicht zuletzt mögen auch taktische Erwägungen für einen Strafantrag sprechen: Die hierdurch ausgelöste Verpflichtung der Ermittlungsbehörden, den Sachverhalt aufzuklären, mag positive Ergebnisse für die eigene Schadenersatzklage bringen, wenn man sich selbst in Beweisnot sieht.

Man sieht: Die Schwelle, plötzlich Zielperson eines Strafverfahrens zu werden, ist niedrig.

2. Fahrlässigkeit

Ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, dreht sich alles um die Beantwortung der Frage, ob ein fahrlässiges Verhalten nachgewiesen werden kann. Denn, wie bereits oben erwähnt: Der objektive Tatbestand wird in den allermeisten Fällen feststehen. Das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes (= Vorsatz oder Fahrlässigkeit) ist aber genauso Voraussetzung für eine Bestrafung.

Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Was verbirgt sich hinter dieser allgemein bekannten Definition? Einige Beispiele, die ein fahrlässiges Verhalten nahelegen:

  • zu geringer Seitenabstand beim Überholen
  • zu geringer Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug
  • Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
  • Alkoholisierung im Unfallzeitpunkt

Immer also, wenn gleichzeitig ein Verstoß gegen eine Verkehrsregel im Raume steht, kommt fahrlässiges Verhalten in Betracht. Dies ist selbstverständlich immer eine Frage des Einzelfalles und muss durch die Ermittlungsbehörden unzweifelhaft bewiesen werden.

Liegt ein Verstoß gegen Verkehrsregeln nicht vor, wird eine Fahrlässigkeit mangels objektiv bestimmbarer Anhaltspunkte für die ja subjektiv geprägte Tatsache nur schwer nachzuweisen sein.

3. Was ist zu tun im Fall der Fälle?

Es gelten die allgemeinen Verhaltensregeln, wenn man in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen rückt: Totales Schweigen, unbedingte Beauftragung eines Rechtsanwalts, über diesen Akteneinsichtnahme.  Erst dann kann eine Verteidigungsstrategie erarbeitet werden.

Ihr Verteidiger wird sodann auf eine Verfahrenseinstellung hinwirken. Argumente hierfür sind beispielsweise:

  • die generelle Gefährlichkeit des Straßenverkehrs
  • die „weiße Weste" des Beschuldigten
  • Das Nachtatverhalten (Entschuldigung, freiwillige Entschädigungszahlung etc., Hilfe bei der zügigen Schadenregulierung)
  • Natürliche sämtliche Umstände, die im Einzelfall auf eine Unvermeidbarkeit des Unfalls hindeuten oder z.B. die Kausalität des pflichtwidrigen Verhaltens zu der eingetretenen Gesundheitsschädigung in Frage stellen

Oftmals lässt sich eine Einstellung erwirken, bestenfalls ohne, nötigenfalls mit Auflagen.

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