Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und sexuelle Nötigung

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Hintergründe und Besonderheiten im Sexualstrafrecht

Sexualstrafverfahren: Aussage gegen Aussage

Eines vorweg: Wer einer Sexualstraftat beschuldigt wird, darf dies keinesfalls – und selbst wenn er sich seiner Unschuld 100% sicher ist – auf die leichte Schulter nehmen! Zu groß sind die einschneidenden Konsequenzen und Gefahren, die Beschuldigten von Sexualstrafverfahren drohen, angefangen von Untersuchungshaft, Eintragung im Führungszeugnis und Verurteilung bis hin zur privaten, familiären und beruflichen Ächtung.

Das Sexualstrafrecht hat in der heutigen Gesellschaft und im aktuellen Zeitgeist eine nie dagewesene Stellung eingenommen: Strafverfolgungsbehörden reagieren äußerst sensibel, gehen jedem (noch so entfernten) Vorwurf akribisch nach, die Hemmschwelle von Opfern, eine Strafanzeige zu stellen, sinkt zunehmend. Gleichzeitig hat sich auch die Schilderung bewusst unwahrer Sachverhalte - bis hin zum völlig frei Erfundenem - drastisch erhöht (nach nicht repräsentativer Einschätzung aber der beruflichen Erfahrung des Autors liegt die Quote der Falschanzeigen bzw. nicht gänzlich wahren Sachverhaltsschilderungen im Sexualstrafrecht bei weit über 50 %).

Beweise existieren meist nicht - wem schenkt man mehr Glauben?

Das große Problem im Sexualstrafrecht – und das macht es so ungemein gefährlich für einen Beschuldigten einer Sexualstraftat – ist, dass es anders als in „normalen“ Strafverfahren kaum Sachbeweise (DNA-Spuren, Urkunden, Telefonverbindungen etc...) gibt. Anders ausgedrückt: Im Sexualstrafrecht kommt es auf solcherlei Beweise überhaupt nicht an (z.B.  weil der Geschlechtsverkehr an sich überhaupt nicht bestritten wird, sondern nur dessen Unfreiwilligkeit)

Vielmehr kommt es in den meisten Fällen nur auf die Aussage einer/eines einzigen Zeugin/Zeugen an, woraus sich dann die allseits bekannte und meist für den Beschuldigten ungünstige Aussage gegen Aussage Situation ergibt. Denn auch andere (neutrale) Zeugen finden sich im Sexualstrafrecht kaum, da die meisten sexuellen Kontakte eben nicht in der Öffentlichkeit sondern in trauter Zweisamkeit passieren.

Diese Aussage gegen Aussage Situation ist deshalb so problematisch, weil hier nicht etwa eine Patt-Situation gilt, in der im Zweifel für den Angeklagten entschieden wird, sondern es vielmehr darum geht, welcher Aussage ein Polizist, ein Staatsanwalt und schlussendlich ein Richter mehr Glauben schenkt: Der des Opfers - oder der des (vermeintlichen) Täters?

Das Schlimme an eben jener Aussage gegen Aussage Situation ist, dass  die Strafverfolgungsbehörden nicht selten dem Anzeigenerstatter unkritisch Glauben schenken, mit dem oft zitierten Satz: Warum sollte sich ein Opfer denn so was ausdenken? Schließlich ist es doch psychisch sehr belastend, eine solche Tat bei Polizei oder Gericht zu schildern, das macht doch niemand freiwillig?

Die Erfahrung zeigt aber, dass es sehr wohl vermeintliche Opfer gibt, die ganz freiwillig und darüber hinaus bewusst falsch gegen vermeintliche Täter aussagen, um sich zu rächen, familienrechtliche Ansprüche durchzusetzen oder letztlich auch Hassgefühle auszuleben. Nicht selten werden aber auch dem Grunde nach wahre Erlebnisse überdramatisiert, Dinge hinzuerfunden oder Sachverhalte bewusst wahrheitswidrig in ein ganz anderes Licht gerückt. 

Es gibt aber auch genügend Fälle, in denen das Opfer tatsächlich nichts Böses im Schilde führt, nicht bewusst wahrheitswidrig aussagt, aber trotzdem ein anderes als das tatsächlich Erlebte schildert. Denn ein häufig zu beobachtendes Phänomen im Sexualstrafrecht ist, dass Opfer tatsächlich nicht Erlebtes mit eigenen Ängsten, Träumen und teilweise anderweitig Erlebten unbewusst miteinander vermengen und sich hieraus ein für sie tatsächlich reales Erlebnis einprägt, das in Wahrheit aber nie stattgefunden hat aber dem vermeintlichen Täter (mit-)angelastet wird. Kurzum: Das Opfer schildert einen Sachverhalt von dem es glaubt, ihn mit dem Täter erlebt zu haben, tatsächlich so aber nie stattgefunden hat!

Sexualstrafrecht: Vorurteile, Tabus, Ausgrenzung

Andererseits gibt es aber natürlich auch wirkliche Opfer, die wirklich Geschehenes zur Anzeige bringen und ein Täter hierfür auch die strafrechtlichen Konsequenzen tragen muss. Aber auch hier gilt im Sexualstrafrecht faktisch ein anderes Recht mit großen Nachteilen für den Sexualtäter, im Vergleich zu Tätern anderer Straftaten: Denn wo sonst in allen anderen Strafsachen ein sog. Täterrecht gilt, also ein Recht, das sich überwiegend mit der Tat und dem Täter befasst, diesen in den Mittelpunkt der juristischen Aufarbeitung stellt und Grund und Hintergrund der Tat belichtet und berücksichtigt, gilt im Sexualstrafrecht ein von Berührungsängsten, Vorurteilen und Überempfindlichkeit geprägtes Strafrecht. Sexualdelikte gelten im Strafrecht als Tabuthema, Menschen die solcherlei Taten begehen, werden ungleich anderen Tätern vorverurteilt und ihnen wird mit stark abwertender Haltung seitens Polizei und Justiz begegnet. Hinzu kommt, dass gerade die Justiz kaum Erfahrung im juristischen Umgang mit Sexualstraftaten hat, zumal die Juristenausbildung die Sexualdelikte überhaupt nicht behandelt. Mit anderen Worten, jeder Jurist, sei es Richter Anwalt oder Staatsanwalt, muss selbst zusehen, ob und wieviel er sich mit dem Sexualstrafrecht auseinandersetzt, weil er es schlicht und ergreifend niemals erklärt bekommen oder an der Uni gelernt hat. Das wiederum wirkt sich zwangsläufig auf den Umgang mit Beschuldigten von Sexualstraftaten und deren juristischer Beurteilung aus.

Im Sexualstrafrecht kommt es auf eine emotionale Bewertung an

Zusammenfassend gesprochen stehen im Sexualstrafrecht weniger juristische als vielmehr persönliche, emotionale Bewertungen im Vordergrund, die im Regelfall nur auf einer einzigen Aussage eines (vermeintlichen) Opfers beruhen und eine Verteidigung ungleich schwerer machen. Gleichzeitig bedeutet dies für den einer Sexualstraftat Beschuldigten, sich unbedingt eines qualifizierten und wenn irgend möglich spezialisierten Rechtsbeistandes zu bedienen, um das Strafverfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und ohne Vorurteile und Emotionalisierung der Prozessorgane ablaufen zu lassen.

Eine gute Strafverteidigung setzt daher neben einem Höchstmaß an fachlicher Kompetenz vor allem ein besonderes persönliches Engagement und Erfahrung im Umgang mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht voraus.

Der Verfahrensablauf im Sexualstrafrecht

Das Verfahren in Sexualstrafsachen beginnt in aller Regel mit einer polizeilichen Anzeige des Opfers. Im Anschluss hieran wird der Angezeigte von der Polizei angeschrieben oder gar persönlich aufgesucht und mit den Vorwürfen des Opfers (nicht selten aus heiterem Himmel) konfrontiert.

Der Polizei liegt in den meisten Fällen als einziger „Beweis“ nur eine Aussage des vermeintlichen Opfers vor, so dass die Polizei im weiteren Verlauf der Ermittlungen einerseits versuchen wird, an eine Aussage (und dabei möglichst an eine widersprechende Aussage oder gar ein Geständnis) des Beschuldigten heranzukommen und andererseits das weitere Umfeld von Täter und Opfer zu beleuchten (z.B. Nachbarn, Freunde und Familienangehörige befragen, sowie soziale Medien wie Facebook auswerten).

Kommt die Staatsanwaltschaft dann zu dem Ergebnis, dass das Opfer glaubwürdig erscheint, klagt es den Täter zum Gericht an – das denkbar schlimmste Szenario, das man sich als Beschuldigter einer Sexualstraftat vorstellen kann, mit Blick auf die hohen (Haft-)Strafen, das große Öffentlichkeitsinteresse an solchen Verfahren und den privaten, beruflichen aber auch familiären Konsequenzen, die selbst bei einem Freispruch drohen, da oft die Ansicht herrscht, dass an dem Vorwurf schon etwas dran gewesen sein wird.

Was also tun, bei einer Anzeige oder wenn die Polizei kommt? Lesen Sie dazu meinen Artikel Beschuldigt wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung - Was tun?

Über den Autor: Rechtsanwalt Stephens ist als langjähriger Strafrechtler ausschließlich auf das Sexualstrafrecht spezialisiert.

Leserkommentare
von Helfer123mitglied am 15.09.2014 07:52:10# 1
Es ist für ihn unglaublich, unfassbar .
Seit vielen Jahren ist er unbescholtener Badegast.
Er ist nicht vorbestraft, Familienvater,
Im Duschbereich trifft er flüchtig zunächst im Duschraum einen anderen Badegast.
Irgendwie komische Situation.
Dieser Badegast duscht nackt in der ( einzigen ) geschlossenen Duschkabine mit Sichtschutzglas. Junge Menschen / Schüler , Alter unbekannt treten eni im Duschraum.
diieser andere Unnbekannte scheint sich miit den jungen Menschen irgendwie zu "engagieren". Gab es vielleicht auch Neugier.
Der Badegast hatte keinen Kontakt, keinen, auch keinen Blickkontakt.
Er geht in die Schwimmhalle.
ERST DEUTLICH SPÄTER beim Verlassen der Schwimmhalle eröffnet ihm der unbekannte Badegast "Du hast vor den Kindern" onaniert. Die Badverwaltung spricht später von "Belästigung JUGENDLICHER Badegäste."
Fachanwältin eingeschaltet.
Der langjährige Badegast bestreietet deutlich, energisch.
Dann Mitnahme zurPolizeit, Verhör einige Stunden, Ermittlungsverfahrren. Monatelanges Warten. Was soll, kann dieser Bürger tun !? Noch tun !?

    
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