Unwirksamkeit eines Kündigungsausschlusses bei Werkverträgen

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Das neue Urteil des Landgerichts Düsseldorf

Die vorausgehenden Artikel zum Thema  behandelten bereits die Frage, ob die vorzeitige Kündigung eines Werkvertrags über die Erstellung von Internetseiten, deren Laufzeit künstlich auf Jahre ausgedehnt wird, ausgeschlossen werden kann (Internet-System-Vertrag der Euroweb-Webstyle).

Nachdem der Bundesgerichtshof zutreffend festgestellt hat, dass für die Beurteilung der Verpflichtungen aus diesen Vertrag Werkvertragsrecht anzuwenden ist, stellte sich die Frage, ob das beim Werkvertrag jederzeit mögliche Kündigungsrecht aus § 649 BGB durch den Formularvertrag ausgeschlossen werden kann. Dies könnte sich aus der Laufzeit von Jahren ergeben, sofern eine vorgesehene Vertragslaufzeit überhaupt in dieser Weise gedeutet werden kann.

Stefan Musiol
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Dann wäre nur eine außerordentliche Kündigung, z.B. wegen Mängeln zulässig, die sich jedenfalls nicht ausschließen lässt.

Hier wurde bereits mit Teil 2 der Artikelserie „Unwirksamkeit von Knebelverträgen" dargelegt, dass ein solcher Kündigungsausschluss nach Auffassung des Autors durch Formularverträge unwirksam wäre.

Das Landgericht Düsseldorf bestätigt durch ein neues Urteil (v.25.06.2010 - 22 S 282/09) diese Rechtsauffassung.

So führt es zutreffend aus:

„Der Ausschluss der freien Kündigung ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren und benachteiligt die Vertragspartner der Klägerin unangemessen (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Die Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten im Werkvertragsrecht auf die außerordentliche Kündigung ist mir wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 649 S. 1 BGB nicht zu vereinbaren (BGH NJW 1999, 3261, 3262). Denn grundsätzlich bestehen beide Kündigungsarten nebeneinander. § 314 BGB gilt auch im Werkvertragsrecht."

Das Gericht führt im Weiteren eingehend zu den Argumenten der Werkunternehmerin (Euroweb) aus, die ausführte, eine vorzeitige Kündigung würde ihre Interessen unangemessen beeinträchtigen. Diese Argumentation wird insgesamt verworfen.

Nach der hiesigen Auffassung ergibt sich ein Ergebnis dieser Interessenabwägung zugunsten des Bestellers (Kunden) schon aus der Tatsache, dass der Werkunternehmer im Fall der Kündigung nach § 649 BGB den Werklohn abzüglich der ersparten Aufwendungen (also den vollen Rohgewinn) beanspruchen kann – ohne jedes unternehmerische Risiko bei der weiteren Vertragsausführung. Damit hat der Werkunternehmer sogar entscheidende Vorteile aus der Kündigung.

Die Auffassung des LG Düsseldorf teilte das Landgericht Wuppertal im Wesentlichen mit Beschluss vom 23.06.2010 (8 S 93/09) und führt noch weiter gehend aus, dass die AGB des „Internet-System-Vertrags" bei Anwendung des Werkvertragsrechts nicht einmal mehr so auszulegen sein können, dass eine vorzeitige Kündigung des Vertrags ausgeschlossen ist. Davon geht das LG Düsseldorf im Unterschied dazu noch aus. In der gut nachvollziehbaren Begründung führt das LG Wuppertal aus, eine solche Auslegung wäre für die Werkunternehmerin (z.B. Euroweb) ohnehin nur nötig und damit nachvollziehbar bei Abfassung der AGB gewollt, wenn eine vorzeitige Kündigung einen Ausgleich durch den Besteller ausschließt. Dies sei bei der Abwicklungsregelung des § 649 S.2 aber gerade nicht der Fall.

Der Bundesgerichtshof schließt § 649 BGB beim Internet-System-Vertrag nicht aus

Zudem stellte das Landgericht Wuppertal klar, dass das Kündigungsrecht § 649 BGB nicht per se bei längerfristigen Werkverträgen ausgeschlossen ist, die von seiten Euroweb als "Dauerwerkverträge" bezeichnet werden. Die Berufungsführerin (Euroweb) wollte dies durch Herumdeutungen am Verfahrensgang beim Bundesgerichtshof belegen (s. auch Kanzlei Berger, berger-law.de unter Aktuelles - "Euroweb, die Blogger und das jederzeitige Kündigungsrecht, § 649 BGB, - ein Tierarzt hofft auf den BGH. Flucht in die Säumnis").

Der BGH hätte die Sache nicht zur Prüfung einer Kündigung zurückverweisen müssen, wenn es eine Kündigungsmöglichkeit nach § 649 BGB gäbe.  

Dazu führt das Landgericht zutreffend wörtlich aus: „Soweit die Klägerin überdies meint, wenn § 649 BGB tatsächlich anwendbar wäre, hätte der BGH den Rechtsstreit in dem Verfahren III ZR 79/09 nicht zurückverweisen müssen, handelt es sich hierbei um eine nicht auf Tatsachen gestützte Spekulation."

Die Spekulationen gehen auch inhaltlich fehl, weil natürlich auch die Ausübung des Kündigungsrechts gemäß § 649 BGB im Rahmen der Tatsacheninstanz zu prüfen ist.

Die genannten Ausführungen unter berger-law.de wären damit dringend zu überdenken.

Was ist ein Dauerwerkvertrag?

Ein tatsächlicher Dauerwerkvertrag ist der "Internet-System-Vertrag" allein deshalb nicht, weil die ganz wesentliche Leistung die einmalige Erstellung einer Internetpräsentation ist. Die weiteren Leistungen (Hosting/Aktualisierungen) sind dagegen von weitaus untergeordneter Wertigkeit und Bedeutung.

Tatsächliche Dauerwerkverträge sind z.B. Wartungsverträge bei denen in einem Dauerschuldverhältnis fortlaufend gleichwertige Werkleistungen geschuldet sind.

Auch die dahingehende Argumentation verwarf das LG Wuppertal daher zutreffend.

Die Firma Euroweb hat auf diese Hinweise die beim Landgericht Wuppertal eingelegte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal, mit dem ihre Klage vollständig abgewiesen wurde, zurückgenommen.

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