Unterhaltsverzicht im Ehevertrag kann sittenwidrig sein

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Unterhaltsverzicht im Ehevertrag kann sittenwidrig sein

Von Rechtsanwältin Michaela Albrecht

Da ein Ehevertrag notariell beurkundet werden muss, könnte man annehmen, dass beide Parteien so hinreichend über die Folgen des Vertrages aufgeklärt wurden, dass es ausgeschlossen sein müsste, überhaupt unwirksame Bestimmungen aufzunehmen. Und nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) bestand auch für solche Vereinbarungen fast volle Vertragsfreiheit, die einen Verzicht auf Unterhalt gemäß § 1570 BGB einschloss (BGH FamRZ 1991, 306; FamRZ 1997, 156). Grenzen der Vertragsfreiheit wurden lediglich in Ausnahmefällen gesehen, sofern der Gesamtcharakter der Regelung hinsichtlich Inhalt, Beweggrund und Zweck und unter Hinzutreten besonderer Umstände des Einzelfalls gegen die guten Sitten verstieß (z.B. BGH FamRZ 1990, 372, 373). So konnte früher ein Mann die Eheschließung mit einer schwangeren Frau vom Abschluss eines Ehevertrages abhängig machen (z.B. BGH FamRZ 1992, 1403).

Seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BverfG FamRZ 2001, 343) ist eine grundlegende Änderung eingetreten. In bestimmten Konstellationen kann nun ein Ehevertrag, der vielleicht auf den ersten Blick unauffällig erscheint, trotzdem sittenwidrig sein. Dies dann, wenn der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis einer gleichberechtigten Lebenspartnerschaft ist, sondern eine einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt. In solchen Fällen sind Eheverträge der zur Wahrung beeinträchtiger Grundrechtspositionen aus Art. 2 I GG mit Hilfe der zivilrechtlichen Generalklauseln zu korrigieren.

In einem Fall vor dem OLG Celle war im Juni 2004 über die Unwirksamkeit eines Ehevertrages zu entscheiden, in dem ein beidseitiger Unterhaltsverzicht vereinbart worden war (abgedruckt in FamRZ 2004, S. 1489 f.). Die Frau war arbeitslose Goldschmiedegesellin, als sie 1984 ihren späteren Mann kennenlernte. Der Mann arbeitete im Juwelierbetrieb seiner Eltern, den er später übernehmen sollte, und er besaß ein Mehrfamilienhaus. Nachdem die Frau schwanger geworden war und der Mann die Frau zu einer Abtreibung hatte überreden wollen, wurde auf Drängen der Eltern des Mannes die Entscheidung für das Kind getroffen, der streitgegenständliche Ehevertrag unterzeichnet und daraufhin die Ehe geschlossen.

Der Ehevertrag enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

§ 2 Für den Fall der Rechtskraft einer eventuellen Scheidung verzichten wir unter den nachfolgenden Einzelregelung gegenseitig auf den nachehelichen Unterhaltsanspruch, auch für den Fall der Not. Wir nehmen die Verzichtserklärung gegenseitig an. Der Ehemann zahlt der Ehefrau nach Rechtskraft einer Scheidung Ehegattenunterhalt nach den folgenden Grundsätzen:

Sind aus der Ehe ein oder mehrere Kinder hervorgegangen und übt die Kindesmutter, die Klägerin, die tatsächliche Betreuung eines oder mehrerer Kinder aus, verpflichtet sich der Beklagte, Ehegattenunterhalt (.. .) so lange zu zahlen, bis das jüngste Kind das sechste Lebensjahr vollendet oder das schulpflichtige Alter erreicht hat.

Unabhängig davon zahlt der Ehemann der Ehefrau bis zur Rechtskraft einer Scheidung der Ehe eine Unterhaltsabfindung im Rahmen der Vermögensbildung, die wie folgt berechnet wird:

Für jedes angefangene Ehejahr wird ein Betrag von DM 3.000,- bis zur Rechtskraft einer Scheidung bezahlt. (.. .) Mit Erfüllung dieser Zahlungsverpflichtung wird der Unterhaltsverzicht wirksam.

§ 3 Für den Fall einer eventuellen Scheidung unserer Ehe verzichten wir auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches.

§ 4 Wir beantragen die Eintragung der Gütertrennung in das Güterrechtsregister.

Das Oberlandesgericht Celle (OLG) entschied, dass diese Klauseln unwirksam seien. Zum einen enthielten sie erkennbar eine einseitige Lastenverteilung zuungunsten der Frau und zum anderen sei der Vertrag vor der Ehe und im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft geschlossen worden. Der Anspruch der werdenden Mutter auf Schutz und Fürsorge aus Art. 6 IV GG gebiete es, die ehevertragliche Vereinbarung einer besonderen richterlichen Kontrolle zu unterziehen. Es obliege den Gerichten, den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag umzusetzen und der Schwangeren Schutz vor Druck und Bedrängung aus ihrem sozialen Umfeld oder seitens des Kindsvaters zu gewähren, insbesondere, wenn sie dadurch zu Vertragsvereinbarungen gedrängt werde, die ihren Interessen massiv zuwiderlaufe. Eine solche Situation der Unterlegenheit sei regelmäßig dann anzunehmen, wenn eine nicht verheiratete schwangere Frau sich vor die Alternative gestellt sehe, in Zukunft entweder alleine für das Kind verantwortlich zu sein oder durch Eheschließung - um den Preis eines sie stark belastenden Ehevertrages – auch den Vater in die Verantwortung einzubinden.

Im gegebenen Fall musste die Frau ungeachtet ihrer sozialen und beengten wirtschaftlichen Verhältnisse auf sämtliche Ansprüche aus der Ehe verzichten, obwohl ein gleichwertiger Verzicht des Mannes aufgrund seiner sozialen Absicherung durch die Firma seiner Eltern nicht vorhanden war.

Bei der Vertragsgestaltung und –abwicklung sollte man die Vertragsfreiheit im Bereich des Güterrechts also nicht als Freibrief ansehen. Sie sollte verantwortungsvoll in der Weise genutzt werden, dass wichtige Rechtspositionen des schwächeren Ehegatten – in der Regel der Frau – gewahrt bleiben oder adäquate Gegenleistungen erbracht werden. Ein ohne Gegenleistungen erfolgter Entzug elementarer Rechte - insbesondere aus dem Unterhalt oder Versorgungsausgleich – kann sittenwidrig sein.