Überlange Dauer von Insolvenzverfahren unzulässig

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BGH deckelt Laufzeit bis zur Restschuldbefreiung

„In vor dem 1. Dezember 2001 eröffneten Insolvenzverfahren ist zwölf Jahr nach Insolvenzeröffnung über den Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden."

BGH, Beschluss vom 18.07.2013 – Az.: IX ZB 11/13

Schon vor gut 1,5 Jahren hat der Bundesgerichtshof damit schon ausdrücklich bestimmt, dass in Alt-Verfahren, die vor der Reform des Insolvenzverfahrens eröffnet wurden, spätestens nach 12 Jahren über die beantragte Restschuldbefreiung entschieden werden muss.

Demnach sollte man eigentlich davon ausgehen können, dass spätestens im Jahr 2014 alle betroffenen Schuldner einen entsprechenden Beschluss ihres Insolvenzgerichts über die Erteilung der Restschuldbefreiung erhalten haben, da mit dem 01.12.2013 in sämtlichen Alt-Verfahren diese 12-Jahres-Frist abgelaufen ist.

Dies ist aber nicht so. Offenbar ist die genannte höchstrichterliche Entscheidung noch nicht bis zu allen zuständigen Rechtspflegern an den Insolvenzgerichten vorgedrungen. Und viele Insolvenzschuldner trauen sich nicht, die entsprechende Entscheidung einzufordern, entweder aus Resignation oder auch aus der unbestimmten Angst, ihr Verfahren noch zu gefährden. Sie hoffen oft stillschweigend darauf, dass „das Gericht schon richtig" vorgeht.

Dieses Stillhalten ist mit Blick auf die nachhaltigen Folgen der verzögerten Restschuldbefreiung und die sich anschließenden Löschungsfristen bis zum tatsächlich möglichen wirtschaftlichen Neustart jedoch verhängnisvoll.

Zum Hintergrund:

Im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage, wo grundsätzlich nach Ablauf von 6 Jahren – gerechnet ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – über die Erteilung der Restschuldbefreiung zu entscheiden ist, gab es diesbezüglich bei Altverfahren mit Eröffnung vor dem 1.12.2001 keine entsprechend absehbare Regelung. Das Gesetz sah für die Altverfahren vor, dass über die Erteilung der Restschuldbefreiung nach 7 Jahren – gerechnet ab der Aufhebung des Verfahrens – entschieden wird.

In der Praxis ergab sich aber häufig das Problem, dass viele dieser Alt-Verfahren nach wie vor andauerten, d.h. eben keine Aufhebung erfolgt ist. Sei es, weil die Verwertung noch nicht abgeschlossen wurde, sei es, weil die Alt-Verfahren bei Verwalter und Gericht aufgrund starker Arbeitsbelastung keine Priorität in der Bearbeitung mehr haben.

Ohne Aufhebung beginnt dann aber auch die vorgesehene 7-Jahres-Frist bis zur Restschuldbefreiung nicht zu laufen. Theoretisch könnte dies dazu führen, dass ein Verfahren z.B. 20 Jahre andauert und erst dann die 7-jährige Wohlverhaltensphase bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung beginnt.

Der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass eine solche überlange Verfahrensdauer den Betroffenen weder zumutbar noch mit den Zielen des Insolvenzverfahrens vereinbar sei.

Wörtlich heißt es dazu in der Entscheidung:

„Es kann unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten fortan nicht mehr hingenommen werden, dass Schuldner in Alt-Verfahren erst nach mehr als 12 Jahren die Restschuldbefreiung erreichen und über diese lange Zeit alles, was sie oberhalb der Pfändungsfreibeträge erwirtschaften, an den Insolvenzverwalter oder Treuhänder abgeben müssen. Daher ist einem Altschuldner fortan 12 Jahre nach Insolvenzeröffnung gem.§300 InsO nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder es Treuhänder und des Schuldners die Restschuldbefreiung zu erteilen, sofern – sollte das Insolvenzverfahren noch aufgehoben oder eingestellt sein – ihm die Restschuldbefreiung nicht nach §290 InsO oder – sollte er sich bereits in der Wohlverhaltensperiode befinden – nach §§295ff Inso zu versagen ist. [...] Für den Gesetzgeber lag es außerhalb jeder Vorstellung, dass ein Insolvenzverfahren sich über vierzehn Jahre hinziehen kann.".

Fazit:

Allen betroffenen Insolvenzschuldnern in Altverfahren ist dringend anzuraten, die Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung nun nachdrücklich einzufordern, um die Beschränkungen des Insolvenzverfahrens hinter sich zu lassen und einen wirtschaftlichen Neustart möglich zu machen.

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