Gericht: Koma-Patientin wird nicht wieder künstlich ernährt

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- Berufungsinstanz lehnt Antrag der Eltern ab

Fünf Tage nach Entfernung ihrer Magensonde wird die Koma-Patientin Terri Schiavo auch nach einer neuen Gerichtsentscheidung nicht wieder künstlich ernährt. Das Bundesberufungsgericht in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia lehnte am Mittwochmorgen einen Berufungsantrag der Eltern ab. Diese hatten verlangt, dass ihrer Tochter die am Freitag entfernte Magensonde wieder eingesetzt wird. Schiavos Eltern könnten nun noch das US-Verfassungsgericht anrufen. Allerdings weigerte sich die höchste Instanz in der Vergangenheit bereits, den Fall zu behandeln. Bleibt die 41-jährige Schiavo ohne künstliche Ernährung, dann wird sie laut Ärzten binnen Tagen sterben.

Die Entscheidung der Richter vom 11. Bundesberufungsgericht in Atlanta fiel mit zwei zu einer Stimme. Die Kläger hätten keines ihrer Argumente substanziell untermauern können, hieß es in der Urteilsbegründung. Damit wurde die Entscheidung eines Bundesrichters in Florida vom Vortag, der die Wiedereinführung der Magensonde untersagt hatte, bestätigt. Es sei nicht gegen Schiavos Rechte verstoßen worden, befanden die Berufungsrichter. In der abweichenden Meinung erklärte der Richter, der für die künstliche Ernährung der Wachkoma-Patientin gestimmt hatte, das Vorhaben des US-Kongresses werde durchkreuzt, Schiavo so lange am Leben zu erhalten, bis Bundesgerichte abschließend über ihren Fall befunden hätten.

Die Mutter hatte sich vor der Urteilsverkündung mit einem dramatischen Appell an die Politiker in Florida gewandt: "Bitte, Senatoren, ich flehe Sie an, bitte lassen Sie meine Tochter nicht sterben", bat Mary Schindler unter Tränen vor dem Hospiz Pinellas Park, wo Schiavo am Freitag die Magensonde entfernt worden war. Konservative hoffen auf eine Intervention von Gouverneur Jeb Bush, dem Bruder von US-Präsident George W. Bush. Allerdings hatten vergangene Woche neun Republikaner im Senat von Florida ein Gesetz zurückgewiesen, dass ein Eingreifen ermöglicht hätte. Diesen Montag bekräftigten mindestens sechs von ihnen ihre Haltung. "Wir haben noch ein wenig Arbeit im Senat von Florida, um eine Mehrheit zu überzeugen", hatte Gouverneur Bush daraufhin gesagt.

Vor dem Hospiz waren wie schon die Tage zuvor Demonstranten versammelt, die die Eltern Schiavos unterstützen. Sie äußerten sich enttäuscht über die jüngste richterliche Entscheidung in dem dramatischen Tauziehen um Terri Schiavo. "Unser Justizsystem funktioniert nicht", sagte eine 42-jährige Demonstrantin. Ein zum Tode Verurteilter habe mehr Rechte als die Koma-Patientin.

Die Polizei verstärkte die Sicherheitsmaßnahmen rund um das Gebäude, sperrte alle Zugänge und kontrollierte jeden Besucher. Nach Angaben eines katholischen Priesters wurden die Eltern der Koma-Patientin durchsucht und dürfen nicht ohne die Anwesenheit bewaffneter Polizisten an das Bett ihrer Tochter treten.

Der Fall Schiavo wühlt die gesamte Nation auf. Nach der Entfernung der Sonde hatten sich der von den Republikanern dominierte Kongress in Washington sowie Präsident Bush eingeschaltet, um Schiavos Eltern per Eilgesetz die Anrufung der Bundesgerichte zu ermöglichen. Die 41-Jährige liegt nach einem Herzversagen seit 15 Jahren im Wachkoma, ihr Hirn ist irreparabel geschädigt. Ihr Mann kämpft seit Jahren für die Abschaltung der lebenserhaltenden Geräte. Dabei beruft er sich auf Äußerungen seiner Frau. Sie habe immer gesagt, dass sie nie künstlich am Leben gehalten werden wolle. Die Eltern hoffen dagegen entgegen der überwiegenden medizinischen Fachmeinung darauf, dass ihre Tochter wieder aus ihrem vegetativen Zustand erwacht.

Nach einer neuen Umfrage für CNN/USA Today/Gallup billigen 51 Prozent der US-Bürger die Entscheidung, die künstliche Ernährung Schiavos abzubrechen. 31 Prozent sprachen sich für die Wiedereinsetzung der Magensonde aus. Eine andere Umfrage für ABC News hatte zuvor ergeben, dass 70 Prozent der Amerikaner die Intervention des Kongresses für "unangebracht" hielten.

23. März 2005 - 12.28 Uhr

© AFP Agence France-Presse GmbH 2005

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Seiten in diesem Artikel:
Seite  1:  Gericht: Koma-Patientin wird nicht wieder künstlich ernährt
Seite  2:  Fall Schiavo facht deutsche Debatte über Patientenverfügungen an
Seite  3:  Im Wachkoma ist die Wachheit nur Schein
Seite  4:  SPD-Politikerin: ´Fall Schiavo´ in Deutschland nicht möglich
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Seite  7:  Von der passiven bis zur aktiven Sterbehilfe
Seite  8:  Hintergrund: Komapatientin durfte nicht sterben
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