Tod neben der Autobahn

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von gkienecker

Ein MB Kombi steht mit blinkender Warnanlage rechts neben der rechten Fahrbahn. Daneben winkt eine junge Frau um Hilfe. So die Beschreibungdes LKW-Fahrers, der sie 200 m vorher so gesehen hat, bevor er sie dann mit 90 Km/h überrollt und getötet hat. Die Polizei erklärt, dass die Frau von der Gegenrichtung also gegenüberliegenden Fahrbahn über alle Leitplanken geklettert sei, um den Tod zu suchen. Die Kriminalpolozei erklärt dem Ehemann, die Dame sei dem Rotlichtmilieu zuzuordnen und habe Selbstmord gemacht. Dem Gericht erklärt eine Kriminalbeamtin als Expertin und Zeugin, dass Frauen immer von Autobahnbrücken sprängen, wenn sie Selbstmord machen wollten.

Der Ehemann, Augenarzt mit vollem Ausbildungskatalog in Pathologie, untersucht in der Leichenhalle 5 Stunden später die Tote. Er stellt reaktionslose mittelweite Pupillen und Atem- und Herzstillstand fest. Rechtseitig befanden sich auf der Wange, bis hinüber zum rechten Ohr, streifige Abdrücke von einem Richtungsanzeiger, ein blutiges Loch in der Haut und Schädeldecke am rechten Hinterhaupt gelten als wahrscheinliche Todesursache. Weitere Veränderungen am Kopf liegen neben Überrollungszeichen der Beine, die flach zerstückelt in den Hosenbeinen liegen, und streifigen Abdrücken an der Innenseite des rechten Unterams und der Hand mit Deformierung der Schmuckringe nicht vor. Der übrige Körper sowie die Kleidung erscheinen intakt.

Der Ohrstecker links fehlt. Die äußere Leichenschau 2 Tage später durch einen Hospitanten beschreibt "fehlendes Auge rechts" als Neuigkeit, übersieht den Schädeldefekt am Hinterhaupt und die streifigen Abdrücke der Wange rechts. (Ein paar Häuser weiter wartet die Augenklinik immer auf frische Leichenaugen zur Transplantation.) An einem fehlenden Auge und Blut am Ohr, überrollten Beinen und oberflächlichen Verletzungen des rechten Arms stirbt man nicht. Es gab keine Todesursache. Es wurde als Gutachter der Chef der Gerichtsmedizin gehört, da die Leichenschau der mittlerweile weggezogene Pathologe 2 Tage später gemacht hatte. Der erstbefundende Ehemann wurde wegen der Behauptung, dass das rechte Auge 5 Stunden nach dem Tode noch vorhanden war, zurechtgewiesen mit psychischer Belastung, er würde sich irren und falsche Behauptungen aufstellen, der Schädel sei überrollt und dadurch das Auge herausgedrückt worden. Wenn der Schädel von 5 LKW-Rädern mit zusammen 45 Tonnen Gewicht überrollt worden sei, wie könne man sich erklären, dass er der Ehemann dann seine Frau sofort mit ihrem intakten Gesicht in der Leichenhalle identifizieren können.

Der Ehemann und Arzt mit pathologisch resp. gutachterlicher Ausbildung wurde belehrt, dass sich ein Schädel nach Überrollen immer wieder zur gänzlichen Intaktheit aufrichtet - wegen seiner Elastizität - auf Einwand: Beine nicht. Darüber waren alle Gutachter bereits vor der Verhandlung in Telephonaten ins Vernehmen gekommen. Also wurde man belehrt: 45 Tonnen plus 5 LKW-Reifen mit 90 Km/h machen beim Überrollen nur soviel, dass nur ein Auge ausreisst nicht beide und der knöcherne Schädel und die Haut und die Frisur so elastisch bleiben, dass sie sich danach zum Originalzustand und Weidererkennbarkeit aufrichten - Beine eben nicht. Ein Problem musste noch geklärt werden: der LKW-Fahrer hatte in seiner ersten Aussage beschrieben, dass die Frau am rechten Straßenrand neben ihrem Auto gestanden und gewunken hätte. Die Polizei hatte Blutspuren angeblich in den linken Radkästen gefunden. Das bedurfte der Erklärung. Der Richter drang wiederholt in den LKW-Fahrer ein: "Nun sagen Sie doch mal Herr XXXXX, wenn Sie sich richtig erinnern, hat die Frau denn nicht schon quer auf der Strasse gelegen - mit dem Kopf vor ihren linken Reifen?" - "Nein" - "Na, nun überlegen Sie doch mal."

"Wie soll denn das sonst passiert sein?" Der Verteidiger gab dem Fahrer Stöße in die Rippen. - "Ja, wenn ich mir das noch mal überlege, wird es wohl so gewesen sein". "Na also! Da haben wir´s doch" so der Richter und schloß laut klatschend die Akte auf dem Tisch. Karlsruhe: dem Fall kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu - abgelehnt - Polizei, Kriminalpolizei, Leichenschauer, Augenentnehmer, Gutachter, Gerichte - alle o.k.


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