Täuschung des Versicherers – Anfechtungsrecht verjährt nach 10 Jahren

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Täuscht der Versicherungsnehmer den Versicherer kann dieser den Versicherungsvertrag anfechten, aber nicht ewig.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 25.11.2015, Az. IV ZR 277/14, die Anfechtung eines Versicherers als unberechtigt festgestellt. Der Versicherer war aus einem Lebensversicherungsvertrag auf Leistung verklagt worden und hatte die Anfechtung erklärt. Diese begründete der Versicherer damit, dass der Versicherungsnehmer, der auch versicherte Person des Lebensversicherungsvetrages war, ihm eine Parkinsonerkrankung verschwiegen hatte. Der BGH hat aber die Anfechtung des Versicherers für unrechtmäßig gehalten.

Die in § 21 Abs. 3 VVG getroffene Fristenregelung für die Wahrnehmung der Rechte des Versicherers aus § 19 Abs. 2 bis 4 VVG ist auf die für die Arglistanfechtung geltende Zehnjahresfrist des § 124 Abs. 3 BGB und die Rechtsfolgen ihrer Versäumnis ohne Einfluss.

Die Parteien streiten um die Rückerstattung von Versicherungsprämien für eine Lebensversicherung. Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 13. August 2013 verstorbenen Ehemannes, zu dessen Gunsten seine letzte Arbeitgeberin bei der Beklagten eine Gruppen-Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Vertrag Nr. … ) unterhielt, die bei Berufsunfä- higkeit des Versicherten eine Beitragsbefreiung in der Hauptversicherung vorsah. Dazu führte die Beklagte eine Risikoprüfung durch, in deren Rahmen der Ehemann der Klägerin die ihm im Februar 2002 schriftlich gestellten Fragen der Beklagten nach gesundheitlichen Störungen sämtlich verneinte, obwohl er zu dieser Zeit bereits an Morbus Parkinson erkrankt war.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war infolge eines Gehirntumors, nachfolgender Rezidivbildungen und seiner fortschreitenden Parkinson-Erkrankung bis zu seinem Tode berufsunfähig. Er machte er bei der Beklagten Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend, wobei er angab, seit 1990 an Morbus Parkinson und seit Juli 2008 an dem Gehirntumor erkrankt zu sein. Die Beklagte Versicherung focht ihre Vertragserklärung zum Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung wegen arglistiger Täuschung an und lehnte eine Beitragsfreistellung des Versicherten in der Lebensversicherung ab. Die Klägerin, fordert die Rückerstattung der für die Lebensversicherung entrichteten Prämien, ferner darauf entfallende Zinsen und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten. Sie bestreitet, dass ihr Ehemann die Beklagte arglistig getäuscht habe und hält deren Anfechtungserklärung für verspätet. Die Vorinstanzen haben die diesbezügliche Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat Erfolg.Das Berufungsgericht hat die Arglistanfechtung für wirksam und die Beklagte deshalb nicht zur Beitragsfreistellung verpflichtet angesehen. Zwar sei die Zehnjahresfrist des § 124 Abs. 3 BGB nicht eingehalten, nachdem die angefochtene Vertragserklärung am 5. April 2002 abgegeben und die Arglistanfechtung erst am 18. Juli 2012 erklärt worden sei. Das hindere die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung aber nicht, weil § 21 Abs. 3 VVG eine vom allgemeinen Recht abweichende, speziellere Regelung enthalte. Der Gesetzgeber habe sich dort nicht auf die in § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG geregelte Fünfjahresfrist beschränkt, wenn der Versicherungsfall bereits vor deren Ablauf eintrete. Abs. 3 Satz 2 der Vorschrift erweitere die fünfjährige Frist auf zehn Jahre, wenn das Rücktritts- oder Kündigungsrecht des Versicherers auf vorsätzlichem oder - wie hier - arglistigem Verhalten des Versicherungsnehmers gründe. Dabei erfordere der Schutzzweck des § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG, dass 8 9 10 - 6 - auch die Zehnjahresfrist aus Satz 2 der Regelung nur dann Ausschlusswirkung entfalte, wenn nicht der Versicherungsfall vor Fristablauf eingetreten sei.Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Klägerin hat aus § 812 Abs. 1 Satz 1, Alternative 1 BGB einen Anspruch auf Rückerstattung der in den Monaten August 2008 bis August 2013 für den Hauptvertrag (Lebensversicherung) entrichteten Prämien. Deren Zahlung ist ohne Rechtsgrund erfolgt, weil die Beklagte infolge der Berufsunfähigkeit des Versicherten im genannten Zeitraum die Beitragsfreistellung des Hauptvertrages aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung schuldete. Dieser Zusatzvertrag ist - anders als das Berufungsgericht meint - nicht nichtig, weil die Anfechtungserklärung der Beklagten verspätet erfolgt und damit unwirksam ist.

Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die in § 124 Abs. 3 BGB geregelte zehnjährige Ausschlussfrist für die Erklärung der Arglistanfechtung hier abgelaufen war, weil die angefochtene Willenserklärung der Beklagten im April 2002 abgegeben und die Anfechtung erst am 18. Juli 2012 erklärt wurde. Anders als das Berufungsgericht meint, gibt es keine Gründe, die der Geltung der Frist und damit der Ausschlusswirkung des Fristversäumnisses entgegenstehen. Die in § 21 Abs. 3 VVG n.F. getroffene Fristenregelung für die Wahrnehmung der Rechte des Versicherers aus § 19 Abs. 2 bis 4 VVG n.F. ist auf die Wirksamkeit der Zehnjahresfrist des § 124 Abs. 3 BGB und die Rechtsfolgen ihrer Versäumnis ohne Einfluss.Das folgt schon aus dem Gesetzeswortlaut, denn zum einen stellt § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG einleitend klar, dass die nachfolgende Fristenregelung des § 21 Abs. 3 VVG nur die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG betrifft, zum anderen bestimmt § 22 VVG, dass das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, "unberührt" bleibt, so dass hier allein die Ausschlussfrist des § 124 Abs. 3 BGB gilt. Dabei belegen die systematische Stellung der Vorschrift und ihre Entstehungsgeschichte, wovon das in den §§ 123 f. BGB geregelte Anfechtungsrecht unberührt bleiben soll, nämlich von sämtlichen dem § 22 VVG n.F. vorangestellten Vorschriften der §§ 19 bis 21 VVG n.F. über die vorvertragliche Anzeigeobliegenheit des Versicherungsnehmers und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung. Die herrschende Meinung nimmt deshalb zu Recht an, dass für die Erklärung der Arglistanfechtung des Versicherers nach wie vor die Ausschlussfrist des § 124 Abs. 3 BGB gilt. Die beklagte Versicherung verkennt, dass der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 22 VVG n.F. einer auf § 21 Abs. 3 VVG gestützten einschränkenden Auslegung des § 124 Abs. 3 BGB entgegensteht.

Das Anfechtungsrecht der Versicherung war somit verjährt und die Versicherung hatte nicht nur die vertragliche geschuldete Leistung zu erbringen, sondern auch die zuviel gezahlten Prämien nebst Zinsen zurückerstatten.

Leserkommentare
von fb455157-18 am 14.03.2017 14:05:52# 1
Insbesondere für den Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung wird diese Entscheidung Auswirkungen haben. Haben die Versicherer bisher erst bei Anzeige einer Berufsunfähigkeit die Gesundheitsangaben bei Vertragsabschluss durch Abfrage bei den Krankenversicherungen (siehe <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://www.ra-dietel.de/fachanwalt-versicherungsrecht-berlin/" target="_blank">http://www.ra-dietel.de/fachanwalt-versicherungsrecht-berlin/</a> ) hinterfragt, dürfte dies künftig vorher erfolgen. Insbesondere bei den (empfohlenen) Vertragsabschlüssen zum Berufsstart dürften die 10 Jahre sonst regelmäßig abgelaufen sein.
    
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