Sterbehilfe

Mehr zum Thema: Strafrecht, Sterbehilfe, Patientenverfügung, Patient, Wille, Ernährung
0 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
0

Patientenverfügung

Der zweite Strafsenat verkündete am 25.06.2010 ein Grundsatzurteil, welches zur Rechtslage nach dem neuen Patientenverfügungsgesetz vom 01.09.2009 Stellung nimmt.

Der Angeklagte, ein Rechtsanwalt, welcher auf den Fachbereich des Medizinrechts spezialisiert war, insbesondere auf den Bereich der Palliativmedizin, beriet 2006 die Kinder der verstorbenen Mutter E.K., nämlich deren Tochter G, sowie deren zwischenzeitlich ebenfalls verstorbenen Bruder.

Janine-Daniela Wagner
Partner
seit 2011
Rechtsanwältin
Schiffgraben 17
30159 Hannover
Tel: 0511 54 36 83 83
Tel: 24h 0163 69 100 10
Web: http://www.jdwagner.de
E-Mail:
Strafrecht, Familienrecht

Frau K erlitt eine Gehirnblutung und lag seit Oktober 2002 im Wachkoma. Sie war nicht ansprechbar. Ihre künstliche Ernährung erfolgte über einen Zugang in der Bauchdecke.
Im Jahr 2006 wurde Frau K der linke Arm amputiert. Ende 2007 war die 1,59 m große Patientin auf 40 kg abgemagert.
Eine Besserung des Gesundheitszustandes von Frau K war nicht mehr zu erwarten.

Im September 2002 befragte die Tochter G Frau K., was geschehen solle, wenn der Mutter einmal etwas zustoßen würde. Diese entgegenete, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen in Form von künstlicher Ernährung und Beatmung wünsche, falls sie bewusstlos werde und sich nicht mehr äußern könne.
Sie wolle nicht an irgendwelche Schläuche angeschlossen werden.

Dieser Wille war zwar nicht schriftlich niedergelegt, jedoch hatte die Tochter zuvor mit der Berufsbetreuerin über die Entfernung der Magensonde auf Grund des Wunsches ihrer Mutter gesprochen.
Die Entfernung wurde jedoch abgelehnt.

Bis 2007 bemühte sich Frau G gemeinsam mit dem Angeklagten vergeblich um die Entfernung der Magensonde, damit die Mutter in Würde sterben könne.
Die Heimleitung schlug sodann den Kompromiss vor, dass sich das Heimpersonal nur noch um Pflegetätigkeiten im engeren Sinne kümmere, und der Angeklagte, sowie Frau G die Ernährungszufuhr über die Sonde regeln können.

So beendete Frau G. Am 20.12.2007 die Nahrungszufuhr über die Sonde.

Da das Heimpersonal die künstliche Ernährung sofort wieder aufnehmen sollte, riet der Angeklagte der Frau G, den Schlauch unmittelbar über der Bauchdecke zu durchtrennen.
Dies tat Frau G.
Als das Personal dies bemerkte, wurde die Patientin in eine andere Klinik verbracht, wo ihr eine neue Sonde gelegt wurde.
Schließlich verstarb sie eines natürlichen Todes auf Grund ihrer Erkrankungen.

Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen gemeinschaftlich mit Frau G begangenen versuchten Totschlags.

Hiergegen legte der Angeklagte erfolgreich Revison ein.

Er wurde freigesprochen.

Die gegenüber ihrer Tochter geäußerte Erklärung der verstorbenen Patientin, nicht an Schläuche angeschlossen zu werden, hat Bindungswirkung.
Der Rat des Angeklagten, die weitere künstliche Ernährung abzubrechen, war rechtmäßig, da die von der Heimleitung in Aussicht gestellte Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung einen rechtswidrigen Angriff gegen das Selbstbestimmungsrecht der Patientin darstellte.

Der tatsächliche oder mutmaßliche Wille eines aktuell einwilligungsfähigen Patienten ist verbindlich, unabhängig von der Art und des Stadiums seiner Erkrakung.

Der Entscheidung des zweiten Senats zufolge (Az. : 2 StR 454/09) ist somit Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen.