Schutz von Gemeinschaftsmarken und -geschmacksmustern in Polen

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Eine eigetragene Gemeinschaftsmarke oder ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewähren dem Inhaber die entsprechenden Schutzrechte innerhalb der ganzen Gemeinschaft, also auch in Polen. Dieser Artikel befasst sich mit der praktischen Durchsetzung dieser Rechte im polnischen Rechtssystem.

Zunächst einmal muss der Inhaber von Rechtsverletzungen erfahren. Dies kann auf vielerlei Wegen geschehen, die in den von mir geleiteten Verfahren häufigsten sind:

1) Die Zollbehörden beschlagnahmen Waren, die im Verdacht stehen Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder –marken zu verletzen. Der Rechteinhaber oder sein inländischer Vertreter werden benachrichtigt und aufgefordert innerhalb von 10 Arbeitstagen ein Verfahren zur Feststellung der Rechtsverletzung einzuleiten, ansonsten werden die Waren nach Fristablauf freigegeben. Im ersten Schritt sollte der Rechtsinhaber sich ein Probeexemplar der beschlagnahmten Waren zur Prüfung kommen lassen, um das Vorliegen einer Rechtsverletzung eindeutig feststellen zu können. Steht die Rechtsverletzung fest, so kann entweder ein strafrechtliches oder ein zivilrechtliches Verfahren eingeleitet werden. Die Erfahrung zeigt, dass das strafrechtliche Verfahren sich oft extrem in die Länge zieht, die Staatsanwälte im Bereich strafrechtlicher Schutz vor Verletzungen von Gemeinschaftsmarken und –geschmacksmustern wenig kompetent sind, die Verfahren oft eingestellt werden, weil der Importeur angeblich davon ausging, Originalartikel einzuführen. Erfolgsversprechender ist der Weg zu den Zivilgerichten, genauer gesagt zu einem bestimmten ausschließlich für den Schutz von Gemeinschaftsmarken und –geschmacksmustern zuständigem Gericht, dem Landesgericht Warschau, XXII Abteilung für Gemeinschaftsgeschmacksmuster und Gemeinschaftsmarken.

2) Die zweite Möglichkeit, wie der Rechteinhaber von Verletzungen erfahren kann, ist die Prüfung der Angebote von Onlineshops und Internetbörsen, in Polen insbesondere von allegro.pl. Werden verdächtige Waren festgestellt, so sollte auch in diesem Falle ein Probeexemplar bestellt werden zur eindeutigen Feststellung der Rechtsverletzung und zur Beweissicherung. Steht die Rechtsverletzung fest, so steht wiederum die strafrechtliche und die zivilrechtliche Schiene zur Verfügung, wobei die erstere wiederum mit den oben genannten Mängeln behaftet ist.

Wir wollen uns daher auf die Darstellung des Ablaufs des zivilrechtlichen Verfahrens beschränken. Wie bereits vorgetragen, ausschließlich in der ersten Instanz zuständig ist das Gemeinschaftsmarken- und –geschmacksmustergericht in Warschau. Diese Konzentration bei nur einem Gericht bringt Vor- und Nachteile. Die Richter kennen sich in der Materie aus, fehlende Rechtskenntnisse der streitentscheidenden Stellen brauchen daher nicht befürchtet zu werden. Als nachteilig erweisen könnten sich die unter Umständen langen Wege, wenn die Beteiligten aus einer völlig anderen Gegend von Polen anreisen müssen. Für den ohnehin nicht aus Polen stammenden Rechteinhaber dürfte dies jedoch das geringere Problem sein, da er sich eben von einem in Angelegenheiten dieser Art spezialisierten Rechtsanwalt wird vertreten lassen, der entweder einen Kanzleisitz in Warschau hat oder ständig mit Warschauer Kollegen zusammenarbeitet. Der oftmals nur halbprofessionell tätige Beklagte, der den Weg zum spezialisierten Anwalt oft nicht findet oder gar glaubt, das Verfahren selbst betreiben zu können, hat es da schon erheblich schwieriger.

An dieser Stelle müssen wir ein paar Worte zum Verfahrensablauf vor polnischen Zivilgerichten in Wirtschaftssachen, den um eine solche Sache wird es sich regelmäßig handeln, verlieren. Das Verfahren unterliegt sehr strengen Formvorschriften, die ein Obsiegen für die anwaltlich nicht vertretene Partei in der Regel unmöglich machen. So müssen bereits in der Klageschrift alle anspruchsbegründenden Tatsachen und alle Beweismittel benannt werden, ein späteres Vorbringen ist in der Regel unzulässig. Ähnliches gilt für die Klageerwiderung, auch dort muss bereits im ersten Schriftsatz alles vorgetragen werden, was der Verteidigung dienen könnte. Vor der Klageerhebung muss der Beklagte außergerichtlich zur Erfüllung aller in der Klage enthaltenen Ansprüche aufgefordert werden. Im Rahmen eine solchen außergerichtlichen Aufforderung kann dem Beklagten auch ein Vergleichsangebot unterbreitet werden, welches etwa auch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung umfasst.

Im Rahmen des Verfahrens können unter anderem die folgenden Ansprüche geltend gemacht werden:

  1. Unterlassung weiterer Rechtsverletzungen
  2. Herausgabe der aus dem Verkauf erlangten Erlöse (Höhe kann durch Auskunftsanspruch gegenüber Dritten, zum Beispiel Betreibern von Internetbörsen, ermittelt werden)
  3. im Falle einer Beschlagnahme Vernichtung der beschlagnahmten Artikel
  4. Abgabe einer Presseerklärung.

Zu beachten ist, dass die Beauftragung des Anwalts im außergerichtlichen Verfahren in Polen nicht als Verzugsschaden geltend gemacht werden kann und auch im Gerichtsverfahren oft nur die gesetzlichen Mindestsätze zugesprochen werden (für Streitigkeiten im Markenrecht ohne Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sind das 840,- PLN, umgerechnet 210,- EUR). Da für diese Beträge auch in Polen kein Rechtsanwalt arbeitet, wird man also auf einem erheblichen Teil der Anwaltskosten sitzen bleiben.

Rechtslage: 01.07.2010

Dieser Beitrag dient nur einer allgemeinen Darstellung der Rechtslage und kann keinesfalls eine Einzelfallberatung ersetzen.  Die Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit ist ausgeschlossen.

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