Schuldiziplinarmaßnahme: Was nun?

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FAQ vom Rechtsanwalt

Ausschluss vom Unterricht erhalten? Verweisung von der Schule? Wenn Eltern und Schüler solche Sanktionen von der Schule erhalten, stehen sie vor vielen Fragen. Muss ich die Maßnahme akzeptieren? Kann ich mich dagegen wehren? Kann ich gegen die Schule vorgehen? Eltern und Schüler haben großen Informationsbedarf. Dieser Artikel soll eine Hilfestellung für die Betroffenen sein. Er beschäftigt sich mit den wichtigsten Disziplinarmaßnahmen (z.B. Ausschluss vom Unterricht, Verweisung von der Schule). Solche Disziplinarmaßnahmen können die schulische Laufbahn nachhaltig beeinträchtigen. Vor allem bei ungerechter Behandlung des Schülers können sie auch die persönliche Entwicklung des Schülers gefährden. In dem Artikel werden folgende Fragestellungen in den Mittelpunkt gestellt:

  1. Welche Schuldisziplinarmaßnahmen gibt es?
  2. Wann ist eine Schuldisziplinarmaßnahme zulässig?
  3. Was kann ich gegen eine Schuldisziplinarmaßnahme machen?
  4. In welchen Fällen wird ein Rechtsanwalt im Schulrecht tätig?
  5. Was kostet der Rechtsanwalt? Wer trägt die Anwaltskosten?

1. Welche Schuldisziplinarmaßnahmen gibt es?

Rolf Tarneden
Partner
seit 2004
Rechtsanwalt
Köbelinger Str. 1
30159 Hannover
Tel: 0511. 220 620 60
Web: http://www.tarneden.de
E-Mail:
Ausländerrecht, Strafrecht, Hochschulrecht, Verkehrsrecht

Schuldisziplinarmaßnahmen sind gesetzlich geregelt. Die Schule muss sich an diese Vorgaben halten und darf keine Maßnahmen ergreifen, die nicht im Gesetz vorgesehen sind. Nach dem Gesetz gibt es folgende Schuldisziplinarmaßnahmen:

  • Überweisung in eine Parallelklasse,
  • Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform,
  • Androhung des Ausschlusses vom Unterricht bis zu drei Monaten,
  • Ausschluss vom Unterricht bis zu drei Monaten,
  • Androhung der Verweisung von allen Schulen,
  • Verweisung von allen Schulen.

(Anmerkung: Meine Darstellung orientiert sich an der Rechtslage in Niedersachsen, dem Bundesland meines Kanzleisitzes. Ich bin Rechtsanwalt in Hannover und seit Jahren unter anderem im Bereich des Schulrechts und Hochschulrechts tätig. Rechtsgrundlage für die hier geschilderten Maßnahmen in Niedersachsen ist unter anderem das Niedersächsische Schulgesetz (NSchG). Da jedes Bundesland sein eigenes Schulgesetz hat, sind Abweichungen im Detail möglich. Im großen und Ganzen dürfte die Rechtslage in anderen Bundesländern ähnlich sein).

2. Wann ist eine Schuldisziplinarmaßnahme zulässig?

Es ist streng geregelt, wann die einzelnen Maßnahmen zulässig ist.

Allgemein gilt, dass die genannten Ordnungsmaßnahmen zulässig sind, wenn Schülerinnen und Schüler ihre Pflichten grob verletzen, insbesondere:

  • gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen,
  • den Unterricht nachhaltig stören,
  • die von ihnen geforderten Leistungen verweigern oder
  • dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben.

Konkreter wird das Gesetz für folgende Disziplinarmaßnahmen:

  • Androhung des Ausschlusses vom Unterricht bis zu drei Monaten,
  • Ausschluss vom Unterricht bis zu drei Monaten,
  • Androhung der Verweisung von allen Schulen,
  • Verweisung von allen Schulen.

Für sie alle gilt: sie sind nur zulässig, wenn der Schüler:

  • durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet oder
  • den Unterricht nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat.

Diese beiden Alternativen bilden die elementare Voraussetzungen zur Verhängung einer Schuldisziplinarmaßnahme. Sie sollen daher näher beleuchtet werden.

2.1. Ernstliche Gefährdung von Menschen

Schuldisziplinarmaßnahmen sind in diesem Fall nur möglich, wenn der Schüler massive Verfehlungen begangen hat. Nicht ausreichend sind ungefährliche Raufereien, harmlose Auseinandersetzungen oder geringfügige Beschädigungen von Sachen (soweit nicht eine relevante Unterhaltsstörung vorliegt, siehe sogleich 2.2.). Es ist häufig nicht einfach, hier das richtige Urteil zu fällen, Beispiel: Aus Sicht des Schülers stellt es sich so da, dass ein Lehrer bei einem missliebigen Schüler geneigt ist, eine harmlose körperliche Auseinandersetzungen als ernstliche Gefährdung darzustellen. Solche Fallkonstellationen können Gegenstand anwaltlicher Tätigkeit sein.

2.2. nachhaltige und schwere Unterrichtsbeeinträchtigung

Bei Unterhaltsbeeinträchtigungen müssen massive Störungen vorliegen. Sie müssen nach Dauer und Gewicht so erheblich sein, dass ein geordneter Unterricht nicht mehr möglich ist. Auch hier besteht die Gefahr, dass Schüler, die einfach „lebendiger“ sind, dann, wenn sie den Lehrern missliebig sind, als schwere Störenfriede dargestellt werden. Hier gehen die Meinungen von Lehrern und Eltern/Schülern oft weit auseinander. Auch hier kann mit gerichtlichen Rechtsschutz effektiv reagiert werden, siehe dazu 3.

2.3. Wichtig: Über die Schuldisziplinarmaßnahme entscheidet die Klassenkonferenz, nicht der Lehrer!

Ich habe es erlebt, dass Eltern Post vom Lehrer bekamen, der ohne Klassenkonferenzbeschluss Ordnungsmaßnahmen verhängt hat. Das ist rechtswidrig!

Zudem hat der Schüler das Recht, sich in der Klassenkonferenz zu dem Vorwurf zu äußern. Auch dieses Recht wird bedauerlicherweise bisweilen missachtet, wenn Klassenkonferenzen Beschlüsse über Disziplinarmaßnahmen fassen, ohne dass der Schüler selbst die Möglichkeit hatte, sich dazu zu äußern.

Hier wird aus meiner Sicht ein sensibler Bereich erreicht: Die Schule soll die Schüler auf die Gesellschaft später vorbereiten. Es ist ein tragendes Prinzip unserer Rechtsordnung, dass jeder sich gegen einen gegen ihn erhobenen Vorwurf zunächst äußern und verteidigen kann. Die Schulen, die Schulverwaltung und die Lehrer sind es häufig gewohnt, dass Entscheidungen in „Einbahnstraßen“ getroffen werden, also einseitig von Ihnen gegenüber den Schülern/Eltern und sind Widerspruch häufig nicht gewohnt und zum Teil – so zeigen es die mir geschilderten Fälle in meiner Praxis – auch nicht gewillt, sich mit diesem zu befassen. Hier können und müssen die Anhörungs- und Verteidigungsrechte eines Schülers beachtet, gewahrt und geschützt werden.

Aus den von mir bearbeiteten Fällen im Schulrecht bin ich teilweise gleichsam fassungslos, in welch massiver Weise gerade in Schulen die Anhörungsrechte der Schüler verletzt werden. Ich bin solche Rechtsverstöße aus anderen Gebieten im Verwaltungsrecht, die ich seit Jahren bearbeite, nicht gewohnt. Dies betrachte ich daher als unbedingt verbesserungswürdigen Missstand.

3. Was kann ich gegen eine Schuldisziplinarmaßnahme machen?

Viel.

Zunächst untechnisch gesprochen: Lehrer sind Pädagogen und keine Verwaltungsfachangestellten. Treffen Sie aber Entscheidungen im Schuldisziplinarrecht, greifen alle Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechtes. Diese sind den Lehrern, Schulleitern und Schulen vielfach in frappierender Weise unbekannt. Es gibt daher wohl wenig Rechtsgebiete im Verwaltungsrecht, in dem so viele formelle Fehler gemacht werden wie im Schulrecht. Allein dies macht eine Prüfung des Bescheides, der eine Schuldisziplinarmaßnahme anordnet, lohnenswert.

Andererseits ist gerade im Schulverhältnis zu beachten, dass die Beziehung zwischen Schülern / Eltern auf der einen Seite und der Schule auf der anderen Seite oft noch länger Zeit andauern wird. Die Lehrer haben zunächst die Macht, missliebigen Schülern schlechte Noten zu geben. Dies ist ein Aspekt, der vor allem die Eltern bewegt, deren Kinder noch länger zu der Schule gehen. Diese Eltern (und Schüler) fragen sich:

Mache ich es meinem Kind nicht noch viel schwerer, wenn ich mich mit der Schule anlege? Alle Lehrer werden gegen das Kind sein?

Dazu ein klares Jein!

Die Befürchtung ist aus meiner Sicht berechtigt und es muss in jedem Einzelfall durchdacht werden, ob sich taktisch ein Vorgehen lohnt. Doch Rechtsschutz ist vielfach auch nach Ablauf der Maßnahmen – bis zu einem Jahr – noch möglich, so dass man beispielsweise noch bestimmte Prüfungen oder das Ende eines Schuljahres abwarten kann, um sich dann – nach Verlassen der Schule – mit der Maßnahme zu befassen oder sie eben erst nach einem Lehrerwechsel anzugreifen.

In anderen Fallkonstellation kann auch sofort das Gericht angerufen werden. Je nach Lage des Falles muss die richtige Entscheidung getroffen werden.

Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass Schüler, die ihre Prozesse gegen die Schule gewonnen hatten, danach durchaus keinen schlechteren Stand hatten. Im Gegenteil: Ich habe den Eindruck, dass teilweise ein „Ruck“ durch die Schule gegangen ist und dem Schüler und den Eltern nach dem Prozess der nötige Respekt entgegengebracht worden ist. Es muss und darf auch erwartet werden, dass in einer Schule mit allen Argumenten gestritten wird. Ein Lehrer, der darauf mit schlechten Noten reagiert, zeigt nur Schwäche.

Alle Beteiligte – Eltern, Schüler und Lehrer – sollten in dieser Hinsicht auch zu einem professionellen Umgang in der Lage sein. Es ist das normalste in der Welt, dass eine Entscheidung, wenn sie nicht richtig war, geändert wird, man sich danach die Hand gibt und weiter zusammen arbeitet. Das ist eine der Grundvoraussetzungen für jede gut funktionierende Beziehung. Lehrer als Pädogogen sind für diesen Bereich zudem noch besonders geschult, sodass von ihnen Professionalität erwartet werden darf.

Auch deshalb sollte nicht davon abgesehen werden, sich gegen eine Maßnahme, die man für unrichtig hält, zu wenden.

Viele Fälle „zwingen“ allerdings die Schüler zur Offensive. Dies ist vor allem dann anzutreffen, wenn die Schüler ungerechtfertigten Vorwürfen ausgesetzt, z.B. weil überforderte Lehrer in Schülern „Sündenböcke“ suchen. Hier bleibt dem Schüler oftmals nichts anderes übrig, als sich mit aller Entschiedenheit zu verteidigen.

4. In welchen Fällen wird ein Rechtsanwalt im Schulrecht tätig?

Es sollen hier Beispiele aus meiner Praxis genannt werden, um Schülern und Eltern einen Eindruck zu geben, in welchen Fällen sich andere Schüler und Eltern an mich gewandt haben.

In einem Fall hatte ein Lehrer gegen einen Schüler Strafanzeigen bei der Polizei erstattet, ohne dass es aus Sicht des Schülers konkrete Anhaltspunkte für eine Täterschaft des Schülers gab.

In einem anderen Fall hatten nach Schilderung des Schülers Lehrer offenbar im Kollegium auf andere Kollegen eingewirkt, um einen bestimmten Schüler ungerecht zu behandeln.

In einem anderen Fall wurden Eltern zu Gesprächen zum Rektor gebeten wegen missliebigen Verhaltens des Kindes: Die Eltern berichteten mir, sie hätten dies als „Einschüchterung“ empfunden, um ein bestimmtes von der Schule erwünschtes Verhalten herbeizuführen.

Ich habe einen anderen Fall vertreten, in dem bei Klassenkonferenzen, auf denen Disziplinarmaßnahmen gegen Schüler verhängt wurden, Mitglieder der Klassenkonferenz, die Interessen des beschuldigten Schülers vertraten, nicht zur Konferenz geladen wurden.

In einem anderen Fall wurde ein Schüler vom Unterricht ausgeschlossen noch ehe er und die Eltern sich zu dem Vorwurf äußern konnte. Die Eltern fühlen sich übergangen.

In einem anderen Fall erhielt die Mandantin statt der sicher geglaubten Laufbahnempfehlung „Gymnasium“ ohne jede Vorwarnung eine Realschulempfehlung.In einem anderen Fall war ein Schüler mit Haschisch in der Schule angetroffen worden. Man legte ihm das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zur Last und er bekam einen Schulausschluss.

In einem anderen Fall gab es zwischen Schülern derselben Schule eine Schlägerei. Die Schule ordnete eine Klassenkonferenz an. Einer der Schüler musste als Sanktion in den Pausen vor der Tür des Sekretariates sitzen.

5. Was kostet der Rechtsanwalt? Wer trägt die Anwaltskosten?

Wenn der Anwalt in hier beschriebenen Schulsachen gegenüber der Schule tätig wird, ist in der Regel im Verfahren gegen die Schule (ohne Gericht) von einem Kostenumfang von ca. 490,00 € an Anwaltskosten auszugehen. Die Kosten für eine Beratung sind deutlich geringer und vom Aufwand abhängig.

Wenn Sie ein Widerspruchsverfahren gewinnen, können die Kosten erstattet werden. Wenn Sie den Prozess gewinnen, wird in aller Regel entschieden, dass die Schule die Kosten zu tragen hat.

Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, könnte das Schulrecht dort mitversichert sein. Schauen Sie in Ihre Police oder fragen Sie bei Ihrer Rechtsschutz nach.

Rolf Tarneden
Rechtsanwalt

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