Scheinselbstständigkeit und Arbeitnehmerbegriff: wann ist ein Mitarbeiter Arbeitnehmer?

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Arbeitsrechtlich ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages zur Arbeit im Dienste eines anderen verpflichtet ist (BAG 15.3.1978). Diese Definition ist ebenso kurz wie unzureichend. Das Bundesarbeitsgericht geht von einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff aus, obwohl dieser Begriff nicht exakt definiert werden kann.

Vertrag als Ausgangspunkt:

Für die arbeitsrechtliche Betrachtung ist zunächst der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag entscheidend. Haben die Parteien einen Arbeitsvertrag vereinbart, ist von einem Arbeitsverhältnis auszugehen. In diesem Fall erfolgt keine korrigierende Überprüfung, ob das Vertragsverhältnis nicht eigentlich als freier Dienstvertrag hätte ausgestaltet werden sollen (BAG, Urteil vom 21. April 2005 – 2 AZR 125/04 –, juris).

Beispiel: In der Praxis kommt es häufig vor, dass die Vertragsparteien eigentlich ausdrücklich kein Arbeitsverhältnis wollen. Bei der Verwendung von Vertragsformularen werden dann aus dem Internet oder aus Formularbüchern Arbeitsverträge kopiert und umgeschrieben. Das ist gefährlich, wenn hier nicht sorgfältig gearbeitet wird. Allein das Ändern der Überschrift vom Arbeitsvertrag in freien Mitarbeitervertrag hilft zum Beispiel nicht, wenn im Vertrag selbst Begriffe wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber verwendet werden.

Vorsicht bei verschiedenen Vertragsverhältnissen mit derselben Person:

Grundsätzlich sind diese möglich, die Aufspaltung darf aber nicht zur Umgehung von arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften führen. Außerdem wird in der Praxis häufig ein einheitliches Vertragsverhältnis (dann Arbeitsverhältnis) angenommen.

Beispiel: Ein als Arbeitnehmer beschäftigter Rundfunkmitarbeiter übernimmt für den Arbeitgeber in freier Mitarbeiterschaft Autorenleistungen.

Tatsächliche Vertragsdurchführung maßgeblich:

Unabhängig von der Bezeichnung im Vertragsdokument und unabhängig von der dortigen Vereinbarung der wechselseitigen Pflichten wird ein Arbeitsverhältnis auch dann angenommen, wenn zwar ein Vertragsverhältnis mit einem Selbstständigen begründet wurde, die tatsächliche Durchführung aber für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht. In der Praxis ist gerade dieser Fall sehr häufig, da der vom Anwalt oder (schlimmer) vom Steuerberater empfohlene Vertragstext nicht der später durch die Erfordernisse der Praxis bestimmten Durchführung des Vertrages entspricht.

Beispiel: Die Parteien vereinbaren in einem Vertrag über freie Mitarbeit, dass der freie Mitarbeiter Zeit und Ort seiner Tätigkeit frei bestimmen darf. Tatsächlich erfolgt dann in der Praxis aber eine Tätigkeit in den Büroräumen des Auftraggebers, weil eine enge Abstimmung mit den übrigen Arbeitnehmern erforderlich ist. Um den Betriebsablauf nicht zu gefährden, werden außerdem Urlaub und Ausfallzeiten aus anderen Gründen abgesprochen. Schließlich erteilte der freie Mitarbeiter den angestellten Arbeitnehmern sogar verbindliche Weisungen. Fazit: Arbeitsverhältnis aufgrund abweichender Vertragsdurchführung.

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