Scheinselbstständigkeit und Arbeitnehmerbegriff: Bundesarbeitsgericht zur persönlichen Abhängigkeit

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Persönliche Abhängigkeit maßgeblich: Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung unterscheidet den freien Dienstvertrag vom Arbeitsvertrag maßgeblich danach, ob derjenige, der die Dienste erbringt, von dem Empfänger der Dienste persönlich abhängig ist. Das soll sich aus dem Umkehrschluss von § 84 HGB ergeben.

Unselbstständig und deshalb persönlich abhängig ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die persönliche Abhängigkeit ist anzunehmen, wenn eine Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation vorliegt. Diese kennzeichnend sei ein Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich

  • Inhalt (was ist zu tun),
  • Durchführung (wie ist es zu tun),
  • Zeit (wann es ist zu tun),
  • Dauer (bis wann ist es zu tun) und
  • Ortes der Tätigkeit (wo es ist zu tun).

Quelle: BAG, Urteil vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 –, juris.

Bundesarbeitsgericht: Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. In einem Arbeitsverhältnis ist die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (BAG, Urteil vom 07. Februar 2007 – 5 AZR 270/06 –, juris).

In der arbeitsgerichtlichen Praxis ist häufig die Rede von örtlicher Weisungsgebundenheit, zeitlicher Weisungsgebundenheit und fachlicher Weisungsgebundenheit. Dabei müssen jedoch nicht alle Formen der Weisungsgebundenheit vorliegen.

Typologische Abgrenzung des Bundesarbeitsgerichts: Das Bundesarbeitsrecht ist der Auffassung, dass es unmöglich sei, abstrakte, für alle möglichen Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien aufzustellen. Als Konsequenz sieht das Bundesarbeitsgericht die sog. typologische Betrachtungsweise. Maßgeblich sei das Gesamtbild unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles.

Das Bundesarbeitsgericht: Für die Abgrenzung von Arbeitnehmern und „freien Mitarbeitern" gibt es kein Einzelmerkmal, das aus der Vielzahl möglicher Merkmale unverzichtbar vorliegen muss, damit man von persönlicher Abhängigkeit sprechen kann. Es ist deshalb aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit unvermeidlich, die unselbständige Arbeit typologisch abzugrenzen (BAG, Urteil vom 23. April 1980 – 5 AZR 426/79 –, juris). 

Das Bundesarbeitsgericht weiter: Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles an (BAG, Urteil vom 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 –, BAGE 93, 218-229, juris).

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