Rechtsschutzbedürfnis für Verfassungsbeschwerde?

15. August 2012 Thema abonnieren
 Von 
AxelK
Status:
Philosoph
(13042 Beiträge, 4440x hilfreich)
Rechtsschutzbedürfnis für Verfassungsbeschwerde?

Hallo liebe "Kollegen".

Ich muss ein wenig weiter ausholen um zu verdeutlichen, worum es mir bei der angedachten Verfassungsbeschwerde geht.

Es gibt in der nordrhein-westfälischen Sozialgerichtsbarkeit, einschließlich aller, für SGB II Sachen zuständigen, Senate des LSG - anders als in allen anderen Bundesländern - eine Rechtsprechung zur Eilbedürftigkeit im Zusammenhang mit der Gewährung von Unterkunftskosten, die aus meiner Sicht eindeutig verfassungswidrig ist. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung werden in einer Art und Weise überzogen, die m.E. in keinster Weise zu rechtfertigen ist.

Aktuell geht es um folgenden Sachverhalt:

Ein ALG II Empfänger lebt mit seiner Partnerin zusammen, ohne jedoch eine BG zu bilden. Irgendwann lehnt das Jobcenter den Folgeantrag ab mit der Begründung, beide bilden eine sogenannte Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft und aufgrund der Höhe des Einkommens der Partnerin besteht kein Leistungsanspruch.

Im Rahmen eines Eilverfahrens entscheidet das Sozialgericht, dass keine Bedarfsgemeinschaft besteht und Leistungen inkl. Kosten der Unterkunft zu bewilligen sind. Dieser Beschluss wird - korrekterweise - vom Jobcenter umgesetzt.

Gleichzeitig legt das Jobcenter Beschwerde ein und das LSG entscheidet ebenfalls das keine BG vorliegt und Leistungen zu bewilligen sind, aber keine Kosten der Unterkunft, weil hierfür keine Eilbedürftigkeit besteht.

Und jetzt zur eigentlichen Frage:

Aktuell existiert noch ein Bewilligungsbescheid inkl. KdU. Es besteht aber die Möglichkeit, dass die Bewilligung hinsichtlich der KdU aufgrund der LSG-Entscheidung aufgehoben wird. Spätestens bei der nächsten Fortzahlungsbewilligung wird das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit geschehen.

Gegen den Beschluss des LSG ist kein ordentliches Rechtsmittel mehr gegeben, sondern nur die Verfassungsbeschwerde, die innerhalb eines Monats ab Zustellung des Beschlusses eingereicht werden muss.

Die Frage die sich stellt ist die, ob eigentlich für eine Verfassungsbeschwerde ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, solange die Unterkunftskosten noch weiter bewilligt und bezahlt werden?

Ich möchte hier keine Diskussion über die Erfolgsaussichten insgesamt anstacheln, sondern es geht mir ausschließlich darum, ob wegen der - unterstelltermaßen gegebenen - Verfassungswidrigkeit des LSG-Beschlusses ein Rechtsschutzbedürfnis besteht und wie dieses zu begründen sein könnte.

Danke für alle hilfreichen Antworten und Denkanstösse.

Gruß,

Axel

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"Ausführliche Infos zu ALG II finden Sie auf meiner Website: http://www.axelkrueger.info "

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5 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
guest-12322.08.2012 17:44:40
Status:
Senior-Partner
(6927 Beiträge, 2505x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade> ob wegen der - unterstelltermaßen gegebenen - Verfassungswidrigkeit des LSG-Beschlusses ein Rechtsschutzbedürfnis besteht <hr size=1 noshade>



Der Beschluss ist mit Sicherheit nicht verfassungswidrig. Der Rechtsweg kann zwar auch im Eilverfahren erschöpft sein, aber:

1 BvR 426/10

Eine Rechtswegerschöpfung im Eilverfahren genügt unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität jedoch dann nicht, wenn das Hauptsacheverfahren ausreichende Möglichkeiten bietet, der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abzuhelfen und dieser Weg dem Beschwerdeführer zumutbar ist. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn mit der Verfassungsbeschwerde ausschließlich Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf das Hauptsacheverfahren beziehen, wenn die tatsächliche und einfachrechtliche Lage durch die Fachgerichte noch nicht ausreichend geklärt ist und dem Beschwerdeführer durch die Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache kein schwerer Nachteil entsteht

So ist das hier, die Auffassung der Verwaltung kann im laufenden Hauptsache-Klageverfahren in aller Ruhe geprüft werden.

Die Zahlungen laufen auf Grundlage des 1. instanzlichen Urteils, da drohen keinerlei unzumutbare Nachteile.

Es ist auch so usus, dass die Verwaltung der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht vorgreift und neuen Streit schafft.

Es drohen also keinerlei Nachteile, wenn die HS-Entscheidung abgewartet wird. Im vorl. Rschutzverfahren wurde auch nicht die Begründetheit geprüft, sondern nur summarisch Vor- und Nachteile abgewogen, die durch das Zuwarten auf die Hauptverhandlung entstehen.

Wenn das LSG hier keine Nachteile sieht und deshalb keine Lust/Zeit hat, sich mit der Rechtsfrage inhaltlich auseinanderzusetzen, ist das sicher kein Grundrechtsverstoß.

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-- Editiert flawless am 15.08.2012 19:41

1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
AxelK
Status:
Philosoph
(13042 Beiträge, 4440x hilfreich)

@flawless:

Sorry, aber ich glaube, Du hast mich etwas missverstanden. Es geht nicht darum, dass die Verwaltung einer nächstinstanzlichen Entscheidung vorgreifen würde, sondern es gibt diese nächstinstanzliche Entscheidung im Eilverfahren bereits und damit wird die erstinstanzliche Entscheidung teilweise aufgehoben. Die Verwaltung kann also sehr wohl - in Umsetzung des Beschwerdebeschlusses - die KdU Bewilligung aufheben.

Von Berufung ist im Übrigen noch überhaupt nicht die Rede, weil wir uns nach wie vor im Eilverfahren bewegen.

Auch die zitierte Entscheidung des BVerfG greift hier in keinster Weise, weil eine Verweisung auf das Hauptsacheverfahren definitiv unzumutbar wäre und dem Antragsteller bei einem solchen Verweis ganz erhebliche, nicht wieder gutzumachende, Nachteile, nämlich der Verlust der Wohnung drohen.

Auch würden sich die mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Grundrechtsverletzung eben gerade nicht auf das Hauptsacheverfahren beziehen, sondern darauf, dass vom LSG die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes maßlos überzogen werden.

Gruß,

Axel

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2x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
guest-12322.08.2012 17:44:40
Status:
Senior-Partner
(6927 Beiträge, 2505x hilfreich)

quote:
die mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Grundrechtsverletzung


Welche Grundrechtsverletzung?

Im Eilverfahren gibt es keine. Die Zahlungen laufen.

Das Abwarten des HS-Verfahrens ist zumutbar.

Theoretische, künftige Rechtsverletzungen spielen hier keine Rolle. Selbst wenn gäbe es dagegen wieder einstweiligen Rechtsschutz, das wäre aber ein völlig anderer Streitgegenstand.

Das Eilverfahren ist kein vorweggenommenes HS-Verfahren, hier geht es nur um die Frage, ob es zumutbar ist, dessen Ausgang abzuwarten.

Die VB würde hier auf gar keinen Fall angenommen, du kannst es ja ausprobieren, es gibt aber eine Missbrauchsgebühr.

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2x Hilfreiche Antwort


#5
 Von 
Sheldon_Cooper
Status:
Lehrling
(1039 Beiträge, 532x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade>Kaum mehr als ein Prozent der Beschwerden sind erfolgreich. <hr size=1 noshade>


Weil die Unsinnsquote so unglaublich hoch ist.

quote:<hr size=1 noshade>Selbst der Experte Zuck, und er ist einer führenden in Deutschland, vermag den Erfolg einer Beschwerde nicht zu prognostizieren <hr size=1 noshade>


Wie auch? Wenn alles immer so eindeutig wäre, bräuchten wir keine Richter, sondern einen einfachen Algorithmus und dann entscheidet die BVerfG-App bequem an Ort und Stelle.

quote:<hr size=1 noshade>Der psychologische Abwehrmechanismus insbesondere der Justiz <hr size=1 noshade>


Verschwörungstheorie, Querulantengebrabbel. Next!

quote:<hr size=1 noshade>den Staat von dem Einstehen für ihm zuzurechnendes Unrecht freizustellen <hr size=1 noshade>


Ach!? Dann dürfte es ja gar keine erfolgreichen VB geben, insbesondere nicht bei so relevanten Sachen wie der Vorratsdatenspeicherung, dem Wahlrecht etc.

quote:<hr size=1 noshade>Die einzigen Juristen, die sanktionslos die Gesetze verletzen dürfen, sind die Richter! <hr size=1 noshade>


Nö, dafür gibt es ja den §339 StGB (und ein paar andere).

quote:<hr size=1 noshade>richterliche Fehlurteile <hr size=1 noshade>


Fehlurteile sind keine Gesetzesverletzungen. *duh*

quote:<hr size=1 noshade>dann sind die Kriterien eines Rechtsstaates nicht mehr erfüllt <hr size=1 noshade>


Ebenso ist aber klar, daß es keinen endlosen Rechtsweg geben kann, schon rein logisch nicht. Denn welche Instanz soll letztlich den Unfehlbarkeitsstempel bekommen, wenn gegen jedes Urteil wieder Rechtsmittel möglich sind?

quote:<hr size=1 noshade>Ein Rechtsstaat, wie er den Verfassern des Grundgesetzes vorgeschwebt hat, den haben wir nicht <hr size=1 noshade>


Doch, den haben wir. (Die Verfasser des Grundgesetzes wären sogar mit weniger zufrieden gewesen nach den Gräueln der NS-Justiz.)

quote:<hr size=1 noshade>wir entfernen uns ständig weiter von diesem Ideal <hr size=1 noshade>


Und die Erde wird für dich auch immer mehr zu einer Scheibe?



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