Prozesskostenhilfe/Beratungshilfe – das Recht ist nicht nur für Vermögende durchsetzbar!

Mehr zum Thema: Anwaltsrecht, Gebührenrecht
5 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
1

Viele kennen die Situation: man hat ein Rechtsproblem, das es zu lösen gilt – sei es außergerichtlich oder sei es auf dem Rechtsweg. Und das erste große Problem, mit dem man sich dann konfrontiert sieht, ist das liebe Geld, das man nicht hat.

Alle wollen sie erst einmal Geld sehen: der Anwalt, das Gericht und eventuell später auch noch der Gerichtsvollzieher. Eine Rechtsschutzversicherung hat man nie abge-schlossen – wozu auch, man hatte ja noch nie mit dem Gericht zu tun, ist ja ein un-bescholtener Bürger. Der Verzweiflung ergeben verzichtet man auf sein Recht oder beißt in den sauren Apfel und treibt erst einmal irgendwo das nötige Kleingeld auf, um wenigstens die diversen Vorschüsse zahlen zu können.

Dabei ist das überhaupt nicht erforderlich. Das Gesetz gewährt auch dem Mittellosen oder demjenigen mit kleinem Einkommen die effektive Durchsetzung seines Rechts. Dafür hat der Gesetzgeber die Mittel der Prozesskostenhilfe (PKH) und der Bera-tungshilfe geschaffen. Bei diesen beiden Instituten – im Volksmund auch gerne als „Armenrecht“ bezeichnet – werden die Gerichtskosten und die Kosten der anwaltli-chen Vertretung von der Justizkasse, also durch den Staat, übernommen.

Wer erhält Prozesskostenhilfe?

Die PKH wird auf Antrag gewährt. Zur Bewilligung von PKH müssen drei Vorausset-zungen erfüllt sein:

1. der Antragsteller ist wirtschaftlich nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits selber zu tragen. Dieses Kriterium ist allerdings nicht zu eng zu sehen. Auch jemand, der ein etwas höheres Einkommen hat, dieses aber zur Prozessführung nicht hin-reicht, kann PKH bewilligt kriegen – er muss dann allerdings die Kosten in Raten zu-rückzahlen (dazu später mehr).

2. die Sache hat hinreichend Aussicht auf Erfolg. Es liegt auf der Hand, dass der Staat dem Bürger nicht einen Prozess finanzieren will, der definitiv aussichtslos ist. Das Gericht nimmt bei der PKH – Prüfung eine summarische Prüfung vor, ob die Sa-che Aussicht auf Erfolg hat. Das heißt, es guckt, ob der dargelegte Tatsachenvortrag geeignet ist, einen Anspruch zu begründen. Diese summarische Vorprüfung durch das Gericht bedeutet noch nicht, dass man seinen Rechtsstreit gewonnen hat. Aller-dings kann man in manchen Fällen hieraus eine gewisse Tendenz hinsichtlich der Auffassung des Gerichts ablesen. Ganz eindeutig ist es dann natürlich, wenn man die PKH wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt bekommt. Dann sollte man sich den ganzen Rechtsstreit durchaus noch einmal überdenken, ob man ihn wirklich führen will.

3. die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint nicht mutwillig. Das ist dann der Fall, wenn zur Klage eigentlich gar keine Veranlassung besteht. Beispielsweise wenn die einzuklagende Forderung durch den Gegner gar nicht bestritten wird oder dieser möglicherweise sogar schon die Zahlung angekündigt hat. Oder man verklagt einen Unterhaltsschuldner auf Unterhalt, den dieser schon seit Ewigkeiten brav und jeden Monat pünktlich zahlt. Weder das Gericht noch die PKH haben die Aufgabe, den Mitmenschen, der sich ordnungsgemäß verhält, zu disziplinieren.

Und natürlich darf kein Dritter für die Kosten der Rechtsverfolgung einstehen – etwa der Rechtsschutzversicherer oder bei arbeits- oder sozialrechtlichen Sachen die Ge-werkschaft oder der Arbeitgeberverband.

Wie viel darf man verdienen, um noch PKH zu kriegen?

Kurz gesagt: eine ganze Menge – es ist dann allenfalls eine Frage der Ratenhöhe, die man zu leisten hat.

PKH ohne Ratenzahlung kriegt derjenige, welcher ein sogenanntes „einzusetzendes Einkommen“ von 15 € oder weniger hat. Jetzt lässt sich natürlich sagen „was soll denn der Schmu? Selbst ein Hartz IV – Empfänger hat mehr als 15 €“. Hierzu muss man natürlich wissen, dass von dem eigentlichen Einkommen zunächst einige Abzü-ge gemacht werden, bis man auf diese 15 € kommt:

Die Berechnung geht aus vom Bruttomonatseinkommen. Hiervon werden zunächst die Steuern, Vorsorgeaufwendungen und Werbungskosten abgezogen. Dann wird ein Grundfreibetrag für die Partei und eventuell den Ehegatten (derzeit jeweils 382 €) sowie für die erwerbstätige Partei nochmals ein Freibetrag von derzeit 174 € abge-zogen. Besteht noch eine gesetzliche Unterhaltspflicht etwa gegenüber den Kindern, so schlägt dies auch noch mal mit jeweils 267 € zu Buche. Wie unschwer erkennbar ist, nähern wir uns den 15 € jetzt doch schon ein wenig an. Aber es geht noch weiter. Die Wohnkosten sowie eventuelle besondere Belastungen werden auch noch abge-zogen. Der Betrag, der dann übrig bleibt, ist das sogenannte „einzusetzende Ein-kommen“. Liegt dies über 15 €, so wird eben PKH gegen Ratenzahlung gewährt.

Die Höhe der Raten bemisst sich auch nach dem einzusetzenden Einkommen und steigt proportional mit der Höhe des einzusetzenden Einkommens. Die Dauer der Ratenzahlung ist auf höchstens 48 Monate begrenzt. Innerhalb dieser Zeit kann auch der Ratenzahlungsbeschluss entweder durch das Gericht oder auf Antrag der Partei überprüft werden. Haben sich die Einkommensverhältnisse der Partei verbessert, so steigen die Raten oder eben auch umgekehrt.

Kaum zu erwähnen scheint es wohl, dass man vorhandenes Vermögen natürlich im zumutbaren Umfang erst einmal selber einsetzen muss, um seinen Prozess zu füh-ren. Allerdings gilt hier auch ein Freibetrag von 1.600 € bzw. 2.600 € für Bezieher einer Rente wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit.

Aus der PKH werden zunächst die Gerichtskosten getragen. Auf Antrag kann das Gericht aber auch einen Rechtsanwalt beiordnen, der den Antragsteller vertritt. Das ist auf jeden Fall gegeben, wenn das Gesetz eine anwaltliche Vertretung vorschreibt. Ist eine Solche nicht vorgeschrieben, so ordnet das Gericht der Partei einen Anwalt bei, wenn die anwaltliche Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Anwalt vertreten ist – Waffengleichheit muss schon sein; auch auf PKH. In der Praxis erfolgt die Beiordnung des Anwalts eigentlich fast immer.

Aber Vorsicht! Aus der PKH werden die Kosten für das Gericht und die eigene An-waltliche Vertretung bezahlt. Nicht bezahlt wird der gegnerische Anwalt! Verliert man also seine Sache doch noch, so bleibt man auf den Kosten des gegnerischen An-walts trotz der PKH sitzen.

Wer erhält Beratungshilfe?

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Beratungsscheins sind ähnlich, wie die der PKH. Allerdings bestehen einige kleine aber feine Unterschiede. So wird vor Er-teilung eines Beratungsscheins keine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht durchgeführt. Das kann man ja auch meist noch gar nicht beurteilen. Schließlich will man sich genau hierfür ja erst einmal beraten lassen. Vielfach gibt es zunächst ande-re Möglichkeiten, sich eine erste Rechtsberatung einzuholen – etwa die Verbrau-cherzentralen oder die Schuldnerberatungen. Ist eine solche Möglichkeit gegeben, so muss man diese zunächst in Anspruch nehmen. In Hamburg gibt es öffentliche Stellen, die selber die Beratungshilfe leisten – deswegen wird in Hamburg niemand einen Beratungsschein kriegen. Außerdem kriegt einen Beratungsschein auch nur derjenige, der in einem gerichtlichen Verfahren PKH ohne Ratenzahlung kriegen würde. Die Sätze, die der Anwalt aus der Beratungshilfe kriegt, sind ohnehin so ge-ring, dass eine Ratenzahlung wenig Sinn machen würde.

Einen Beratungsschein können Sie sich auf Antrag bei Ihrem Amtsgericht auf der Rechtsantragsstelle ausstellen lassen. Mit diesem Schein gehen Sie dann zu dem Anwalt Ihres Vertrauens und dieser berät Sie sodann gegen Vorlage des Scheins. Falls nötig, vertritt er Sie auch außergerichtlich – dies ist von dem Beratungsschein auch abgedeckt. Der Anwalt darf von Ihnen lediglich eine einmalige Gebühr von 10 € fordern. Allerdings verzichten die allermeisten Anwälte auf diese 10 €. Für viele Men-schen sind 10 € viel Geld; so bedeuten 10 € für den bereits erwähnten Hartz IV – Empfänger immerhin fast das Einkommen eines ganzen Tages.

Übrigens kann sowohl die PKH, als auch die Beratungshilfe auch direkt durch den Anwalt beantragt werden und gibt es die PKH auch für das gerichtliche Mahnverfah-ren und auch für juristische Personen.

„Aber wenn der Anwalt nur PKH kriegt, dann setzt er sich doch gar nicht richtig für mich ein.“

Ich weiß nicht, wer und wo die wenigen Kollegen sind, denen die Anwaltschaft diesen schlechten Ruf zu verdanken hat – ich persönlich kenne allerdings keinen, der so denkt. Allerdings hält sich dieses Gerücht irgendwie recht hartnäckig.

Es mag sein, dass die Gebühren aus der PKH für den Anwalt niedriger sind, als ge-wöhnlich. Allerdings gilt das zunächst einmal erst ab einem Streitwert von 3.000 € - bis dahin sind die Gebühren identisch. Aber auch über einem Streitwert von 3.000 € sind die Gebühren keineswegs derart niedrig, dass man als Anwalt daran verarmen würde.

Die ganze Sache hat aber auch für den Anwalt ganz entscheidende Vorteile. Zu-nächst einmal steht nicht das leidige Thema Geld zwischen dem Anwalt und dem Mandanten. Der Anwalt weiß, dass er welches kriegen wird und der Mandant braucht keine Mega – Rechnung zu befürchten. Dadurch kann sich das Vertrauensverhältnis zwischen Beiden insbesondere bei einkommensschwachen Mandanten ausgespro-chen entspannt entwickeln. Was hätte der Anwalt auch von einem Mandanten, von dem er eigentlich schon weiß, dass er ihn überhaupt nicht selber bezahlen kann? Auch der Anwalt will leben – ganz klar.

Außerdem verhält es sich auch so, dass der Anwalt ein Mandat auf PKH oder Bera-tungshilfe nur aus ganz wichtigem Grund ablehnen darf – die niedrigeren Gebühren sind als wichtiger Grund nicht geeignet.

Haben Sie also bitte keine Scheu, Ihren Anwalt auf PKH oder Beratungshilfe anzu-sprechen. Meistens wird der Anwalt ohnehin von sich aus auf die Idee kommen, dass Ihre Sache möglicherweise auf PKH laufen könnte und die dann für Sie beantragen. Es ist Ihr Recht! Ebenso, wie Sie im Normalfall das Recht haben, vorher den Preis für den Anwalt zu erfahren. Wenn Sie ein Sofa kauen wollen, fragen Sie doch auch vor-her den Verkäufer nach dem Preis – und wenn der Ihnen sehr hoch erscheint für Ih-ren Geldbeutel, so fragen Sie ja auch bei dem Sofa nach der Möglichkeit einer Ra-tenzahlung.

Die allermeisten Anwälte werden Sie auch auf PKH ebenso gut vertreten, wie sie das mit jedem anderen Mandanten machen würden. Das gehört auch irgendwo zum Be-rufsethos der Anwaltschaft – die ist nämlich auch in sozialer und ethischer Hinsicht längst nicht so schlecht, wie ihr Ruf.

Es verbleibt mit freundlichem Gruß

Philip Stühler-Walter
Rechtsanwalt, Bonn