Probleme der Scheinselbstständigkeit in der Praxis weiterhin unterschätzt

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Hohes Risiko von Scheinselbstständigkeit

Aus einer Studie von Ernst & Young geht hervor, dass in Deutschland 28 Prozent der extern Beschäftigten in die Hochrisikogruppe der Scheinselbstständigkeit/verdeckten Arbeitnehmerüberlassung fallen. Die Zahl dürfte in solchen Bereichen, in denen die Anfälligkeit für Scheinselbstständigkeit naturgemäß besonders hoch ist (z. B. Transport und Logistik, Bauwirtschaft und IT-Bereich), noch deutlich höher einzuschätzen sein.

Warum sind verschiedene Branchen unterschiedlich anfällig für Scheinselbstständigkeit?

Manche Tätigkeiten sind typischerweise so ausgestaltet, dass sie in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen ausgeübt werden. Die betroffenen Mitarbeiter sind dann eben nicht selbstständig, sondern scheinselbstständig und damit als Arbeitnehmer tätig.

Kriterien für gefährdete Bereiche

Das wichtigste Merkmal ist, dass in dem entsprechenden Bereich Arbeiten typischerweise von Arbeitnehmern ausgeführt werden. Das liegt daran, dass die Natur des Vertragsverhältnisses es erfordert, dass die jeweiligen Mitarbeiter stark in eine Gesamtorganisation eingegliedert werden. Ein gutes Beispiel ist der Sicherheitsbereich: Selbstständige Mitarbeiter können keine Veranstaltungen oder Objekte vernünftig bewachen. Die verschiedenen Personen müssen koordiniert werden. Alle müssen die gleichen Leistungen erbringen und sich dabei strengen Regelungen unterordnen. Erforderlich ist somit eine intensive Eingliederung in den Gesamtablauf und damit auch in das Unternehmen, damit die Tätigkeit erfolgreich erbracht werden kann. Ein Auftragnehmer kann hier zum Beispiel nicht einfach zu einer Zeit seiner Wahl anreisen und ein eigenständiges Sicherheitskonzept mitbringen. Häufig wird er sich nicht einmal seine Kleidung aussuchen können, da er schon durch die optische Kenntlichmachung zur Sicherheit beiträgt.

Hohe Nachforderungen drohen bei Scheinselbstständigkeit

Betroffenen Unternehmen drohen immense Nachforderungen an Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern und Säumniszuschläge. Arbeitsrechtliche Konsequenzen, zum Beispiel Kündigungsschutzklagen im Fall einer Beendigung des Vertragsverhältnisses, drohen neben strafrechtlichen Konsequenzen (Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen). Gewerbeschließung und Insolvenz sind ebenfalls mögliche Folgen. Besonders dramatisch: Insolvenzforderungen aus diesem Bereich unterliegen nicht der Restschuldbefreiung. Die Privatinsolvenz des Betroffenen bringt also hier wenig.

Wie diese Risiken vermieden werden können, erkläre ich im zweiten Teil des Artikels.

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