Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter Arbeitnehmer zum Vorstellungsgespräch

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Immer wieder gibt es in der Praxis Streit darüber, ob ein Arbeitgeber unter bestimmten Umständen verpflichtet ist, einen Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

Ein gesetzlich geregelter Fall findet sich in § 82 SGB IX. Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehinderten Bewerber um eine Stelle nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, kann dies zu einem Schadensersatzanspruch wegen Diskriminierung aus § 15 Abs. 2 AGG führen. Ein solcher Fall lag nun dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor (BVerwG vom 03.03.2011 - Az. 5 C 15.10 & 5 C 16.10).

Die Klägerin, eine schwerbehinderte Juristin, hatte sich in Baden-Württemberg und Bayern um eine Richterstelle beworben und wurde ohne Einladung zu einem Vorstellungsgespräch abgelehnt. Sie hatte beide Staatsexamina jeweils mit der Note „befriedigend“ bestanden. Beide Behörden begründeten ihre Entscheidung mit den Examensnoten der Klägerin, welche unterhalb der Hürde liegen, bei der Bewerber in der Regel zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.

Entgegen den Vorinstanzen (VGH Mannheim vom 04.08.2009 - 9 S 3330/08 und VGH München – Az unbekannt) entscheid das BVerwG, dass der öffentliche Arbeitgeber die Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch habe einladen müssen. Da dies versäumt wurde, stünde der Bewerberin ein Schadensersatzanspruch zu.

Das BVerwG führte aus, dass von dem in § 82 SGB IX festgeschriebenen Anspruch eines schwerbehinderten Bewerbers auf Einladung zum Vorstellungsgespräch nur dann abgewichen werden könne, wenn der Bewerber offensichtlich fachlich ungeeignet sei. Die Berücksichtigung der Examensnoten wäre hier nur dann beachtlich gewesen, wenn der öffentliche Arbeitgeber ein bestimmtes Notenniveau vorab und bindend festgelegt hätte, z.B. in einem Stellenprofil. Dies war jedoch in beiden Bundesländern nicht der Fall. Vielmehr wurde in vielen Fällen von dem vorgegebenen Erfordernis von zwei Prädikatsexamina abgewichen. Daraus folgt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Klägerin mit zwei befriedigenden Examina nicht offensichtlich ungeeignet gewesen sei. Daher hätte sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen. Der Verstoß gegen diese Verpflichtung begründe nach § 22 AGG die gesetzliche Vermutung, dass der Arbeitnehmer benachteiligt werde.

Dem öffentlichen Arbeitgeber ist in Ansehung des § 82 SGB IX stets zu raten, das Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle vorab konkret auszufüllen, um eine Begründungsgrundlage im Falle einer Schadensersatzklage zu haben. Sofern nicht sicher ist, ob ein schwerbehinderter Arbeitnehmer eindeutig ungeeignet ist, ist er aus Gründen der Vorsicht stets zum Vorstellungsgespräch einzuladen.

Wichtig in dem Zusammenhang ist die Feststellung, dass die genannten Ausführungen nur auf öffentliche Arbeitgeber zutreffen, nicht jedoch auf Arbeitgeber aus der Privatwirtschaft. Es gibt keinen generellen Anspruch des Bewerbers gegen den potentiellen Arbeitgeber, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Selbst wenn sämtliche Voraussetzungen für die Besetzung der Stelle zutreffen, muss der private Arbeitgeber einen Bewerber nicht einladen (z.B. LAG Hamburg: Urteil vom 09.11.2007 - H 3 Sa 102/07, ArbG Köln vom 08.08.2008 - Az. 1 Ca 2076/08).

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