Patronatsverträge, Fördervereine und Stiftungen: Rechtskonstruktionen zum Erhalt Dorfkirchen

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Nicht bloß die Frankfurter Allgemeine Zeitung, sondern auch der NDR berichtete 2010 über Kirchengemeinden in Mecklenburg-Vorpommern, die in Absprache mit ihrer Kirchenleitung vermehrt dazu übergehen, alte Patronatsverträge zu reaktivieren oder neue Patronatsverträge einzugehen, um auf diese Weise den Erhalt gefährdeter Dorfkirchen in strukturschwachen Gegenden zu gewährleisten. Ilex Rechtsanwälte & Steuerberater sprach darüber mit Rechtsanwalt Ulrich Schulte am Hülse.

 

Ulrich Schulte am Hülse
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seit 2010
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Yorckstraße 17
14467 Potsdam
Tel: 0331 - 97 93 75 0
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Ilex: Was ist eigentlich ein Patronat?

Schulte am Hülse: Ein Patronat ist ganz allgemein eine Rechtsbeziehung zwischen einer Kirchengemeinde und einem Patron. Je nach rechtlicher Ausgestaltung kann ein Patronat von einer weiblichen oder männlichen Person wahrgenommen werden, die oder der eine besondere Verantwortung für ein Kirchengebäude übernimmt; sei es in Form eines regelmäßig zu zahlenden Beitrages oder in Form einer Baulastverpflichtung. Der Abschluss eines Patronatsvertrages ist dabei eine von mehreren rechtlichen Möglichkeiten, dringend benötigte Kräfte für gefährdete Dorfkirchen zu mobilisieren und Verantwortung für ein Denkmalobjekt auf mehrere starke Schultern zu verteilen. Zu den vorhandenen Kräften, d.h. zur Landeskirche und zur Ortsgemeinde mit ihrem Kirchenvorstand oder dem Gemeindebeirat, tritt nun noch eine weitere Person hinzu, nämlich der Patron oder die Patronin, der oder die sich als Mitglied der Kirche dazu bereit erklärt hat, Verantwortung zu übernehmen.

Ilex: Welche historische Bedeutung haben Patronate?

Schulte am Hülse: Tatsächlich reicht die Geschichte der Patronate als Rechtskonstruktion weit zurück. Das Kirchenpatronat entwickelte sich aus dem Eigenkirchenwesen des Mittelalters. Bis zur Zubilligung des Kirchenpatronats durch Papst Alexander III. im 12. Jahrhundert n. Chr. standen die meisten Kirchen im Eigentum adeliger Grundherren oder von Städten, d.h. es handelte sich um Stiftungen zugunsten der Kirche, an denen die Grundherren oder die Städte dennoch das Eigentum behielten. Das Patronatsrecht unterlag jedoch im Laufe der Zeit einem erheblichen Bedeutungswandel. Heute ist die frühere Stellung von historischen Patronaten noch an einer Reihe von Kunstschätzen ablesbar, welche sich in so mancher Dorfkirche befinden. Manchmal besaß der Patron eine besondere Grablege in oder an einer Kirche oder ein eigenes Gestühl aus der Zeit, als noch jedes Gemeindemitglied einen fest zugewiesenen Platz in seiner Kirche inne hatte. Bei den historischen Patronaten ruht das Patronat, soweit sie heute noch bestehen, oftmals dinglich auf einem Landgut, d.h. Patron ist jeweils der Eigentümer des mit dem Patronat verbundenen Landgutes, sofern er Mitglied der Kirche ist und sich zu ihren Grundsätzen bekennt.

Ilex: Welche Rechte und Pflichten sind mit einem Patronat verbunden?

Schulte am Hülse: Bei historischen Patronaten sind die Rechte und Pflichten heute auf ein Minimum reduziert. Dort wo Patronatsrechte noch existieren, zahlen Patrone jährlich meist einen gesonderten Geldbetrag an ihre Kirche und erhalten dafür beispielsweise ein Hör- oder Stimmrecht im Kirchenvorstand, manchmal ein Mitspracherecht bei der Auswahl des Ortsgeistlichen; d.h. sowohl die Pflichten, als auch die Rechte, haben sich im Vergleich zu früher auf ein Minimum reduziert. Bei einigen Kirchen liegt das Kirchenpatronat übrigens bei einem Bundesland oder einer Stadt. In diesem Fall obliegt dem Patron aus historischen Gründen eine Baulastverpflichtung für das jeweilige Kirchengebäude.

Ilex: Droht uns der Rückfall in den Feudalismus?

Schulte am Hülse: Nein, diese Befürchtung besteht aus meiner Sicht nicht. Wenn in der Gegenwart Patronatsverträge als Mittel für den Schutz und den Erhalt von gefährdeten Dorfkirchen neu geschlossen oder wiederbelebt werden, dann geht es heute um etwas gänzlich anderes. In den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, aber natürlich auch in zahlreichen Regionen Westdeutschlands, stehen auf dem Lande sehr viele bedeutende und historisch wertvolle Dorfkirchen. Die meisten deutschen Regionen zählen immerhin zu uralten Kulturlandschaften. Obwohl der Denkmalschutz und zahlreiche private Initiativen in den vergangenen Jahren beachtliches geleistet haben, existieren immer noch zu viele Kirchengebäude, die dringend restauriert und saniert werden müssen. Doch dafür sind nicht immer die notwendigen Mittel vorhanden. Nehmen Sie als Beispiel die Situation der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs. Seit 1953 ist die Mitgliederzahl von 1,24 Millionen Menschen auf heute etwa zweihunderttausend Mitglieder gesunken. Es versteht sich von selbst, dass es dann immer schwieriger wird, die vielen alten Kirchen zu erhalten. In dieser Situation gilt es, die vorhandenen Kräfte zu mobilisieren und ggf. auch neue, kreative Wege einzuschlagen, ohne das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren. Der Patronatsvertrag ist dabei eine von mehreren Möglichkeiten.

Ilex: Wozu muss man dann uralte Rechtskonstruktionen beleben?

Schulte am Hülse: Manchmal kann Fortschritt auch darin bestehen, sich an den Ideen früherer Generationen zu erinnern. Der erfahrungsgeprägte Mensch darf durchaus fragen, wie die vor uns lebenden Menschen früher ihre Kirchengebäude gepflegt und erhalten haben; zumal diese häufig in wirtschaftlich durchaus schwierigeren Zeiten lebten. Nur weil diese Ideen in Vergessenheit geraten sein sollten, besteht keine Notwendigkeit, das Rad neu zu erfinden, solange das Rad schon erfunden ist. Natürlich gefällt nicht jedem der Begriff des „Patronatsvertrages“, weil er damit vielleicht eine Reihe von Vorurteilen verbindet, die bei exakter Betrachtung tatsächlich Vorurteile sind. Wenn Ihnen ein neumodischer Begriff lieber ist, dann können Sie den „Patronatsvertrag“ gerne auch „Sponsoring-Vertrag“ nennen. Der Inhalt dürfte der gleiche sein. Ohnehin kommt es auf den Inhalt eines Vertrages an, nicht auf seine Bezeichnung.

Ilex: Wer kann heute Patron werden?

Entscheidend ist, dass die jeweilige Landeskirche die rechtliche Konstruktion billigt. Dies ist gegenwärtig nicht in allen Landeskirchen der Fall. Ansonsten gilt, dass der Patronatsvertrag von zwei Parteien geschlossen wird. Insofern obliegt es den beteiligten Vertragsparteien durch übereinstimmende Willenserklärungen den Vertrag zu schließen oder es bleiben zu lassen. Meines Erachtens ist die Kirche jedoch gut beraten, demjenigen ein Patronat anzuvertrauen, der der Kirche angehört, sich zu ihren Grundsätzen bekennt und ausdrücklich dazu bereit ist, ein deutliches mehr an Verantwortung für ein Kirchengebäude zu übernehmen.

Ilex: Was ist das Ziel?

Schulte am Hülse: Das Ziel ist es, den Bestand den wertvollen Dorfkirchen zu schützen und gefährdete Kirchen in einem geordneten Zustand an die nächste Generation zu übergegeben. Die Rechtsberatung leistet dazu einen kommunikativen Beitrag. Wir entwerfen individuell ausgearbeitete Verträge in Form von Patronatsverträgen, Vereinssatzungen oder Satzungen für eine Stiftung, in der die daran beteiligten Personen ihre Handlungsmöglichkeiten abstimmen und diese in rechtlich geordnete Bahnen gelenkt werden.

Ilex: Es geht also nicht um Privilegien?

Schulte am Hülse: Die Ausgestaltung eines Patronatsvertrages dient dazu, die Interessen der beteiligten Personen zu definieren und Unklarheiten vorzubeugen. Ein solcher Vertrag ist eine rechtlich bindende Vereinbarung, die, wie jeder andere Vertrag auch, für jede daran beteiligte Partei aus Pflichten und aus Rechten besteht. Zuerst kommen die Pflichten. Es geht darum, einer Person, die aus freier Entscheidung dazu bereit ist, ein größeres Maß an Verantwortung für ein Kirchengebäude zu übertragen. Dadurch sollen Kräfte mobilisiert werden. Erst nach den Pflichten kommen die Rechte. Die dem Patronatsherrn im Gegenzug gewährten Rechte sind im wesentlichen immaterieller Natur.

Ilex: Wie können diese Pflichten im Einzelfall aussehen?

Schulte am Hülse: Das hängt sowohl von den örtlichen Gegebenheiten, als auch von dem Willen der Parteien ab. Die beteiligten Personen, die an einem solchen Vertrag interessiert sind, entscheiden dies nämlich selbst. Bei einem Bauunternehmer, der sich bereit erklärt, für eine Kirche das Amt des Patrons zu übernehmen, liegt es beispielsweise nahe, dass dieser gewisse Bauverpflichtungen übernimmt. Dies kann er dann mit seiner Firma in Form von laufenden Naturalleistungen erbringen. Oftmals übernehmen auch landwirtschaftliche Betriebe (Gutsbetriebe) solche besonderen Baulastverpflichtungen, die dann der Höhe nach gedeckelt werden können. Es ist aber auch denkbar, dass kleinere oder größere Geldzahlungen in regelmäßigen Abständen geleistet werden, aus der die notwendigen Restaurierungsmaßnahmen finanziert werden können. Zu beachten ist allerdings, dass es keinen rechtlich abgesicherten Patronatsvertrag geben kann, ohne das die jeweilige Kirchenleitung zustimmt.

Ilex: Welche immateriellen Rechte gewährt die Kirche?

Das ist frei verhandelbar und liegt im Ermessen der beteiligten Parteien. Zum Beispiel ist es vorstellbar, für die Übernahme von Baulastpflichten eine Tafel in oder an der Kirche anzubringen, in der diese Leistung immateriell gewürdigt wird. Natürlich kann die Kirche dem Patron auch ein Anwesenheits- oder Stimmrecht im Gemeindebeirat oder im Bauausschus gewähren. Wenn größere Renovierungsarbeiten anstehen, ist dies auch durchaus sinnvoll, da es Absprachen bedarf, wenn der Patron diese zu einem Teil mitfinanziert. Bei allem gilt: die Stellung eines Patrons ist unweigerlich an die Zugehörigkeit zur Kirche gebunden.

Ilex: Welche weiteren Möglichkeiten gibt es?

Schulte am Hülse: Neben oder anstelle eines Patronatsvertrages sollte man an die Gründung eines Fördervereins oder an eine Stiftung denken. Jede Rechtskonstruktion hat jedoch Vor- und Nachteile. Die örtlichen Gegebenheiten entscheiden dann, welche Rechtskonstruktion zielführend ist. Jede Form der Rechtsgestaltung setzt voraus, dass es Menschen gibt, die sich engagieren wollen. Wo solche Menschen fehlen, nützt die beste Satzung für die Gründung eines Fördervereins nichts.

Ilex: Warum fragen Kirchengemeinden diesbezüglichen Rat nach?

Schulte am Hülse: Derjenige der bei einer Dorfkirche aktuell die Baulast trägt und feststellt, dass er aus eigener Kraft die notwendigen Sanierungsmaßnahmen nicht stemmen kann, wird sicherlich zunächst darüber nachdenken, andere Töpfe anzuzapfen. Der klassische Weg besteht darin, Fördermittel anzufragen und zu beschaffen. Meist stellen die Verantwortlichen aber fest, dass die Fördertöpfe des Denkmalschutzes eher kleiner als größer werden und ohne Eigenanteil ohnehin kaum eine erfolgreiche Sanierung zu stemmen sein wird. In diesem Augenblick fängt das Nachdenken über neue Rechtskonstruktionen an.

Ilex: Wann ist die Gründung eines Fördervereins sinnvoll?

Schulte am Hülse: Wenn es genügend Personen gibt, die mittel- und langfristig dazu bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren und regelmäßig Mitgliedsbeiträge und Spenden zum Erhalt Ihrer Kirche aufzuwenden, kann es sinnvoll sein, einen Förderverein zu gründen. Der Verein stellt die notwendigen Spendenbescheinigungen aus, bündelt das mitgliedschaftliche Interesse und betreut die notwendige Arbeit der Ehrenamtlichen. In diesem Fall entwerfen wir in der rechtlichen Beratung eine auf die jeweiligen Besonderheiten abgestimmte Vereinssatzung und melden den Verein beim Amtsgericht und gegenüber den Finanzbehörden an.

Ilex: Was ist der Nachteil eines Fördervereins?

Schulte am Hülse: Ein eingetragener Verein kann bekanntlich ab sieben Personen gegründet werden. Doch machen wir uns nichts vor: Sie benötigen eine gewisse Größe, um die notwendigen Kräfte zum Erhalt einer Kirche zu bündeln. Fördervereine sind besonders dort erfolgreich tätig, wo die Mitgliederwerbung auch überregional erfolgt.

Ilex: Wann ist die Gründung einer Stiftung sinnvoll?

Schulte am Hülse: Wenn die Möglichkeit besteht, einen größeren Geldbetrag durch eine oder mehrere Zuwendungen zu generieren, kann die Gründung einer Stiftung eine zielführende Alternative darstellen. Bedenken sollte man allerdings, dass die notwendige Finanzierung aus dem Kapitalertrag des Vermögensstammes der Stiftung aufgebracht werden sollte. Wird nämlich das Stiftungskapital und damit der Vermögenstamm angegriffen, wird die Stiftung nicht sonderlich lange bestehen. Das bedeutet, dass eine Stiftung zum dauerhaften Erhalt und zur Pflege von Kirchengebäuden nur dann erfolgreich arbeiten und existieren kann, wenn genügend Stiftungskapital zusammenkommt. Diese Gegebenheiten sind nicht überall gegeben. Das Stiftungskapital kann allerdings auch durch Zustiftungen nach und nach aufgebaut werden. Das Modell der Stiftung ist somit erst dann sinnvoll, wenn ein größeres Stiftungskapital in überschaubarer Zeit gebildet werden kann.

Ilex: Herzlichen Dank für das Gespräch

Dr. Ulrich Schulte am Hülse,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bank- und Kapitalmarktrecht,

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