Patentformulierungen - Grundlegende Fragen

12. April 2016 Thema abonnieren
 Von 
Andrs
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 6x hilfreich)
Patentformulierungen - Grundlegende Fragen

Hallo!

ich bin hier neu, weil ich einige Fragen zu Patentformulierungen habe. Es geht um mehrere Patente die ich verstehen muß sowie um das Formulieren bzw. Vorformulieren von Patenttexten. (Um welche Patente es genau geht, möchte ich hier nicht nennen. Die Fragen sind ohnehin sehr allgemein und bedürfen noch keines Beispiels.)

Zunächst ist mir unklar ob zwischen den "Patentansprüchen" ein "UND" oder ein "ODER" steht.
Also ob ALLE Ansprüche erfüllt sein müssen (sofern sie nicht explizit durch "oder" voneinander getrennt sind) oder ob es genügt daß EINIGE oder sogar nur EINER der Ansprüche erfüllt ist (sofern er nicht durch Formulierungen mit anderen Ansprüchen verbunden ist oder diese voraussetzt) um unter den Patentschutz zu fallen.

Dann interessiert mich noch ob es besondere Bezeichnungen bei Patentformulierungen gibt welche von Laien häufig erst mal falsch verstanden werden. Ich meine Wörter wie zum Beispiel "vorzugsweise", "bevorzugt", "besonders bevorzugt", etc. Also Wörter die im rechtlichen Sinn eine definierte Bedeutung haben welche dem Laien nicht sofort ersichtlich ist.

(Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich noch keinen Patentanwalt einschalten. Zunächst ist es mir wichtig selbst einen Überblick über die Situation zu bekommen. Deshalb mein Interesse an den Patentformulierungen.)

Ich würde mich sehr freuen wenn mir jemand weiterhelfen könnte, der sich wirklich auskennt. Vielen Dank schon mal.

Grüße,

Andrs

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7 Antworten
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#1
 Von 
JogyB
Status:
Bachelor
(3155 Beiträge, 3146x hilfreich)

In aller Regel gliedern sich Patenteanspprüche in abhängige und unabhängige Ansprüche. Die abhängigen Ansprüche erkennst Du daran, dass diese in der Art von "Verfahren nach Anspruch 1" oder "Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche" beginnen.

Die unabhängigen Ansprüche stehen für sich alleine, d.h. wenn die dort beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, dann fällt es unter den Schutz des Patentes. Bei den abhängigen Ansprüchen muss das was im dem Anspruch beschrieben wird und was im Anspruch auf den rückbezogen wird steht erfüllt sein.

In aller Regel sind die abhängigen Ansprüche aber uninteressant, wenn es um die Bewertung einer Verletzung geht, denn wenn diese verletzt sind, dann ist auch irgendein unabhängiger Anspruch verletzt.

Zitat:
Zunächst ist mir unklar ob zwischen den "Patentansprüchen" ein "UND" oder ein "ODER" steht.

Ist also ein "oder".

Zitat:
Dann interessiert mich noch ob es besondere Bezeichnungen bei Patentformulierungen gibt welche von Laien häufig erst mal falsch verstanden werden. Ich meine Wörter wie zum Beispiel "vorzugsweise", "bevorzugt", "besonders bevorzugt"

Weniger einzelne Wörter. Ein "vorzugsweise" ist auch nur die Beschreibung einer möglichen Ausführungsform, die dann auch ganz ganz ganz sicher unter den Schutz fällt. Andere Ausführungsformen sind aber dennoch abgedeckt, auch wenn es da mal Diskussionen geben kann.

Die Schwierigkeit bei Patenten besteht eher darin, dass es für einen Laien sehr schwer ist abzugrenzen, ob eine gewisse Ausführung gerade noch unter den Schutz fällt oder gerade eben nicht mehr. Da tue ich mir selbst nach 5 Jahren Zuständigkeit für das Patentwesen noch schwer und ziehe in aller Regel unseren Patentanwalt hinzu.

Und ein Patent selbst ohne Patentanwalt zu formulieren kannst Du komplett vergessen. Entweder es geht nicht durch oder es wird nicht das geschützt, was Du schützen willst.

3x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
Andrs
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 6x hilfreich)

Vielen Dank. Das hilft schon mal weiter.

Damit kann ich gleich zur nächsten Frage kommen, die ich anhand eines Beispiels illustrieren möchte:

Angenommen es soll ein Druckknopf (wie er zum Verschließen von Kleidung üblich ist) an Zimmertüren zum Verschließen derselben patentiert werden. Wäre das möglich? Der Druckknopf existiert bereits, er wird bereits als Verschluss verwendet und er wird bereits zum fixieren verwendet. Nur hat ihn bisher noch niemand mit Türen kombiniert. Wäre das patentierbar?
Also: ist die Kombination von zwei bereits existierenden (und üblichen) Dingen, also einer bestehenden Technik (Druckknopf) an einem existierenden Gerät (Türe) an dem die Technik angewandt wird, patentierbar?

Im Grunde ist das ja bei vielen Patenten der Fall. Meist werden bestehende, altbekannte Techniken neu kombiniert und ergeben somit ein, in dieser Form bisher nicht dagewesenes, funktionierendes ganzes.

Andererseits frage ich mich wie allgemein soeine Erfindung sein darf. Kann sich jemand zum Beispiel das Ankleben von Dachziegeln mit jeglicher Art von Klebstoff oder Klebenden Mitteln patentieren lassen (vorausgesetzt es funktioniert und vorher hats noch niemand gemacht)?

Ich frage weil ich hier einen konkreten Fall habe der sehr ähnlich ist. Er ist vergleichbar mit einer Verbindungstechnik die an einem Alltagsgegenstand genutzt wird. Die Verbindungstechnik ist nichts neues. Sie wird zwar an recht wenigen Produktarten genutzt, an diesen wenigen ist sie jedoch üblicher standard und in jedem Haushalt vielfach vorhanden. Wenn diese Verbindungstechnik nun an anderen Produkten genutzt wird, an denen sie bisher noch nie genutzt wurde - wäre das überhaupt patentierbar?

Grüße

Andrs

2x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
JogyB
Status:
Bachelor
(3155 Beiträge, 3146x hilfreich)

Zitat (von Andrs):
Also: ist die Kombination von zwei bereits existierenden (und üblichen) Dingen, also einer bestehenden Technik (Druckknopf) an einem existierenden Gerät (Türe) an dem die Technik angewandt wird, patentierbar?

Kann man pauschal nicht sagen. Wenn die Kombination nicht naheliegend ist, dann ist sie auch patentierbar. Wenn es für den durchschnittlichen Fachmann hingegen naheliegend ist, dies zu kombinieren, dann ist es nicht patentierbar.
Letzteres ist übrigens kein ungewöhnlicher Einwand, der bei einer Patentprüfung auftaucht.

Zitat (von Andrs):
Kann sich jemand zum Beispiel das Ankleben von Dachziegeln mit jeglicher Art von Klebstoff oder Klebenden Mitteln patentieren lassen

Prinzipiell ja. Kann aber gut sein, dass ein Prüfer eine Konkretisierung haben will. Ob man dem folgen muss oder nicht ist dann wieder eine Einzelfallentscheidung.

Zitat (von Andrs):
Wenn diese Verbindungstechnik nun an anderen Produkten genutzt wird, an denen sie bisher noch nie genutzt wurde - wäre das überhaupt patentierbar?

Wie Du aus den obigen Antworten siehst, kann man das nicht pauschal sagen. Grundsätzlich ist es aber vorstellbar.
Dass es eine bekannte Verbindungstechnik ist und bislang noch niemand auf die Idee gekommen ist, das für diesen Zweck einzusetzen, spricht schon mal dafür, dass es nicht ganz naheliegend ist.

Wobei man allerdings beachten muss, dass der durchschnittliche Fachmann, den der Prüfer als Maßstab verwendet, letztendlich allwissend aber völlig unkreativ ist. Wenn bisher nur niemand auf die Idee gekommen ist, weil diese Verbindungstechnik ein Nischenprodukt ist, dann sieht es mit der erfinderischen Höhe eher schlecht aus.

5x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Andrs
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 6x hilfreich)

Ok - vielen Dank! Auch diese Antwort hilft mir weiter.

Damit komme ich zu zwei weiteren Fragen:

1. Beständigkeit eines Patents:
Kann ein Patent, nachdem es erteilt wurde noch angezweifelt und ggf. wieder gelöscht werden? Zum Beispiel weil die erfinderische Höhe nicht gegeben scheint (bezogen auf die sehr allgemeine Formulierung eines unabhängigen Anspruchs)?

Bsp: jemand macht eine neue Erfindung. Diese ähnelt grob einer anderen die durch ein Patent geschützt ist. Die Erfindungen sind grundsätzlich verschieden, was auch durch die Formulierungen in den Patentansprüchen klar ersichtlich ist. Jedoch enthält das Patent einen unabhängigen Anspruch der derart allgemein formuliert ist, daß dadurch die neue Erfindung unter den Patentschutz fallen würde und somit nicht produziert werden kann.

2. Schutzgebiete:
Patente werden ja für bestimmte Länder erteilt. Zum Beispiel gilt ein Europapatent in den Ländern auf folgender Karte:
http://documents.epo.org/projects/babylon/eponet.nsf/0/8C003885190F73D2C1257EEE002E4EBB/$File/European_patents_coverage_de.png
Bedeutet dies, daß ein Produkt in allen anderen Ländern definitiv nicht unter Schutz steht und dort hergestellt oder vertrieben werden darf?

Außerdem sieht man in vielen europäischen Patenten (z.B. auf den Seiten des europäischen Patentamtes epo.org) daß ein Patent in bestimmten Vertragsstaaten erloschen ist (wenn man im europäischen Patentregister auf "Rechtsstand" klickt oder bei der "Übersicht" über das Patent auf der gleichen Seite unter dem Abschnitt: "Erlöschen während des Einspruchsverfahrens").
Bedeutet dies ebenfalls daß das Patent in diesen Ländern nicht gültig ist und ein Produkt das unter das Patent fallen würde, dort hergestellt oder verkauft werden darf?

Grundsätzlich: bezieht sich ein Patent auf die Herstellung oder den Verkauf eines Dinges?

Ich würde mich freuen wenn Ihr mir weiterhelfen könntet.

Grüße,

Andrs

2x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
JogyB
Status:
Bachelor
(3155 Beiträge, 3146x hilfreich)

Zitat (von Andrs):
Kann ein Patent, nachdem es erteilt wurde noch angezweifelt und ggf. wieder gelöscht werden? Zum Beispiel weil die erfinderische Höhe nicht gegeben scheint (bezogen auf die sehr allgemeine Formulierung eines unabhängigen Anspruchs)?

Ja, innerhalb der ersten 9 Monate (zumindest Deutschland und europäisches Patent, kann in anderen Ländern anders sein) nach Erteilung durch einen Einspruch, danach durch eine Nichtigkeitsklage.

Zitat (von Andrs):
Patente werden ja für bestimmte Länder erteilt. Zum Beispiel gilt ein Europapatent in den Ländern auf folgender Karte:

Ein euopäisches Patent alleine wird für gar kein Land erteilt und bietet daher auch keinen Schutz. Es kommt immer noch der Schritt hinzu, dass es für einzelne Länder validiert werden muss. Das ist dann mit vergleichsweise wenig Aufwand verbunden (keine gesonderte Prüfung mehr) und man erhält dann die nationalen Patente - die man dann auch einzeln bezahlen muss. Deswegen werden Patente in aller Regel auch nie für die ganze EU validiert.

Zitat (von Andrs):
Bedeutet dies, daß ein Produkt in allen anderen Ländern definitiv nicht unter Schutz steht und dort hergestellt oder vertrieben werden darf?

Genau.

Zitat (von Andrs):
Bedeutet dies ebenfalls daß das Patent in diesen Ländern nicht gültig ist und ein Produkt das unter das Patent fallen würde, dort hergestellt oder verkauft werden darf?

Genau. Wie oben erwähnt führt ein europäisches Patent letztendlich zu vielen Einzelpatenten in den entsprechenden Ländern und die kann man auch einzeln auslaufen lassen.

Zitat (von Andrs):
Grundsätzlich: bezieht sich ein Patent auf die Herstellung oder den Verkauf eines Dinges?

Beides. Und auch auf Einfuhr, Nutzung etc.- jeden dieser Punkte kann man als Patentinhaber untersagen.

4x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
Andrs
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 6x hilfreich)

Vielen Dank JogiB! Deine Antworten sind wirklich sehr hilfreich und bringen langsam Licht ins Dunkel.

Wenn nun jemand ein Ding das beispielsweise in Deutschland geschützt ist, aber in Österreich nicht, in Österreich herstellt und verkauft. Wäre es dem Patentinhaber dann möglich nachträglich sein Patent auf Österreich zu erweitern?
(Da das Patent veröffentlicht ist und in Österreicht nicht geschützt ist, stellt es dort doch eigentlich einen üblichen Stand der Technik dar. Die Möglichkeit einer nachträglichen Erweiterung des Patents auf andere Länder würde Probleme für die Hersteller in diesen Ländern bedeuten die bereits ein Produkt herstellen das dann unter den Schutz fallen würde. Außerdem würde das bedeuten daß bei der Planung eines Produktes auch sämtliche Patente des Auslandes durchsucht werden müssen um sicher zu gehen daß nicht irgendwann ein Patentschutz "droht", der die Produktion plötzlich unmöglch macht.)

Angenommen ein Ding (z.b. eine Armbanduhr) fällt in manchen Ländern unter einen Patentschutz, in andern Ländern nicht. Die Uhr wird dann in den Ländern in denen kein Schutz besteht hergestellt und verkauft. Bestünde dann dadurch ein Problem für den Käufer/Nutzer, der die Uhr in einem "freien" land gekauft hat und mit der Uhr am Arm in ein Land reist, in dem Patentschutz besteht?

Gibt es Richtwerte wie hoch Lizenzgebühren in der regel so sind? (ganz grob – in welchen bereichen spielt sich das ab?)

Grüße,

Andrs

2x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
JogyB
Status:
Bachelor
(3155 Beiträge, 3146x hilfreich)

Zitat (von Andrs):
Wäre es dem Patentinhaber dann möglich nachträglich sein Patent auf Österreich zu erweitern?

Nein. Eine Anmeldung in weiteren Ländern (bzw. eine PCT- oder EP-Anmeldung, bei denen die konkrete Ländernennung erst später erfolgen muss) ist nur binnen Jahresfrist nach Erstanmeldung möglich. Und eine Patenterteilung dauert in aller Regel (deutlich) länger als ein Jahr.

Zitat (von Andrs):
Bestünde dann dadurch ein Problem für den Käufer/Nutzer, der die Uhr in einem "freien" land gekauft hat und mit der Uhr am Arm in ein Land reist, in dem Patentschutz besteht?

Bei rein privater Nutzung nicht, bei gewerblicher Nutzung hingegen schon.

Zitat (von Andrs):
Gibt es Richtwerte wie hoch Lizenzgebühren in der regel so sind? (ganz grob – in welchen bereichen spielt sich das ab?)

Nein. Lizenzgebühren sind reine Verhandlungssache. Das kann von Null bis hin zu Millionen gehen.
Wenn Du Dich verschrieben und die Patentgebühren gemeint hast: Ist von Land zu Land unterschiedlich, für Deutschland findest Du sie hier: http://www.dpma.de/docs/service/formulare/allgemein/a9510.pdf

3x Hilfreiche Antwort

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