Ohne Moos nix los! Die Zeit beruflicher Neuorientierung - Versicherungsfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung

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Der Fall:

In diesem vom Bundesgerichtshof (BGH Urteil v. 17.02.2010, BGH IV ZR 259/08) entschiedenen Fall ging es um einen selbständigen Rechtsanwalt, der über einen Gruppenversicherungsvertrag ein Krankentagegeld versichert hatte.

Dieser Rechtsanwalt verlor im Sommer 2002 seine Zulassung. Folge: Abwicklung der Kanzlei. Ab September 2003 war der Rechtsanwalt fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Seit seiner Genesung betreibt er seit Sommer 2006 eine Praxis als selbständiger Mediator. Im späteren Prozess berief sich der Rechtsanwalt darauf, auch im Zeitraum ab April 2003 für den Abwickler der Kanzlei noch alte Mandate bearbeitet zu haben. Auch habe er seit April 2003 bereits Mandate für seine künftige Tätigkeit als Mediator angebahnt.

Jan-Martin Weßels
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Berufsunfähigkeitsversicherung, Unfallversicherung
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Der Kläger forderte von seiner Krankentagegeldversicherung die Zahlung eines Krankentagegeldes. Er scheiterte zunächst in den ersten beiden Instanzen. Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass die Versicherungsfähigkeit bereits seit April 2003 und damit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit weggefallen sei. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger ab April 2003 als Selbständiger noch regelmäßig Einkünfte erzielt habe. Folge: Beendigung der Krankentageldversicherung vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Kein Geld!

Der Bundesgerichtshof zur Frage der Versicherungsfähigkeit:

Dieser Würdigung des Berufungsgericht widersprach nun der Bundesgerichtshof und wies den Rechtsstreit nach Aufhebung des Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Für die Frage der Versicherungsfähigkeit komme es nicht auf den Beruf an, den der Selbständige ausübe. Danach sei auch ein Wechsel des Tätigkeitsbereichs möglich. Selbst eine Unterbrechung der Berufstätigkeit für eine Übergangszeit sei grundsätzlich unschädlich, so der BGH . In einer Übergangszeit könne der Versicherte die Voraussetzungen zur Ausübung der neuen selbständigen Tätigkeit schaffen.

Bei einem Wechsel des Tätigkeitsfeldes ohne regelmäßige Einkünfte reiche es für diese Übergangszeit zudem aus, wenn die Tätigkeit ernsthaft auf die Erzielung nachhaltiger und in diesem Sinne regelmäßiger Einkünfte gerichtet sei, solange seine Bemühungen nicht ohne nachvollziehbare Aussicht auf Erfolg seien. Arbeitsunfähigkeit während der Übergangszeit führe daher nicht zur Beendigung der Versicherung.

Prüfen Sie das sog. "Kleingedruckte"!

Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass es bei der Beurteilung eines Falles auf das sogenannte „Kleingedruckte“ in Versicherungsbedingungen und Tarif ankommt. Sie haben das „Kleingedruckte“ nicht gelesen? Verständlich! Aber holen Sie es nach!

Eine wichtige Voraussetzung der Zahlung von Krankentagegeld ist der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Die hier einschlägigen Bedingungen definieren Arbeitsunfähigkeit wie folgt (Zitat):

"Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn der Versicherte seine berufliche Tätigkeit nach medizinischen Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht."

Den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit muss der Versicherungsnehmer beweisen (vgl. Wilmes in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 4.Aufl., 2009, § 1 MB/KT, Rn. 24 unter Hinweis u.a. auf BGH VersR 2000, 841; VersR 1992, 345)

Voraussetzung für die Leistung eines Krankentagegeldes ist jedenfalls auch, dass die Versicherungsfähigkeit und damit die Krankentagegeldversicherung überhaupt bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit noch besteht. In unserem Fall war die Versicherungsfähigkeit nach den Versicherungsbedingungen/Tarif an die Voraussetzung „Erzielung regelmäßiger Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit“ geknüpft. Den Wegfall der Versicherungsfähigkeit muss übrigens die Versicherung beweisen (vgl. auch BGHZ 175, 322, 332).

Es kann also sein, dass in Ihrer Krankentagegeldversicherung die Versicherungsfähigkeit vom Merkmal der selbständigen Berufs- bzw. Erwerbstätigkeit bei Selbständigen bzw. vom Bestehen eines ständigen festen Arbeitsverhältnisses gegen Entgelt bei Angestellten abhängig gemacht wird.

(Quelle der Entscheidung: Bundesgerichtshof, Urteil v. 17.02.2010, BGH IV ZR 259/08, erhältlich unter http://juris.bundesgerichtshof.de)

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