Neues bei den Eingliederungsvereinbarungen

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Mit Datum vom 20.12.2008 hat die Bundesagentur für Arbeit eine neue Dienstanweisung zu § 31 SGB II erlassen, mit dem die Sanktionierung bei Nichtzustandekommen einer Eingliederungsvereinbarung neu geregelt wird.

Die rechtliche Neuerung

Thorsten Haßiepen
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seit 2008
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Familienrecht
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War es bislang so, dass gem. § 31 SGB II das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlages nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 Prozent der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt wurde, wenn der Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigerte, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, so soll dies ausweislich der Dienstanweisung nicht mehr gelten. Dort heißt es nun in Rz.31.6a:

„ Bei Weigerung des Hilfebedürftigen, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, liegt – unabhängig vom Wortlaut des § 31 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a - kein Sanktionstatbestand vor. Dadurch wird einer gesetzlichen Regelung vorgegriffen, die aufgrund verschiedener sozialgerichtlicher Entscheidungen vorgesehen ist. Bei Nichtzustandekommen einer Eingliederungsvereinbarung sind die zu bestimmenden Rechte und Pflichten in einem Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 verbindlich zu regeln."

Auf den ersten Blick kann man fast annehmen, die Behörde hätte ein Einsehen gehabt und die oftmals von der Rechtsprechung beanstandete Sanktionierung schlechthin für unanwendbar erklärt.

Aber: Achtung!

Doch muss man zwei Dinge beachten:

  1. Zum einen hat sich an der eigentlichen Gesetzeslage in § 31 SGB II derzeit noch nichts geändert. Zwar steht eine Änderung an, diese ist jedoch noch nicht beschlossen.


  2. Die ARGEn werden nunmehr verstärkt bei fehlender Mitwirkung der Betroffenen die Eingliederungsvereinbarungen als Verwaltungsakt erlassen.Insbesondere der letzte Punkt hat es in sich.

Hierzu ist ein Blick auf die seit 01.01.2009 geltende Neufassung des § 39 SGB II zu werfen. Nach alter Rechtslage hatten Widersprüche gegen als Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarungen aufschiebende Wirkung. Zwar wollten das viele Leistungsträger erst dann einsehen, wenn sie durch eine entsprechende gerichtliche Anordnung darüber informiert wurden, doch konnten letztlich keine wirksamen Sanktionen erlassen werden, hielt man sich nach Widerspruch nicht an die vorgeschriebenen Anforderungen aus der Eingliederungsvereinbarung.

Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung mehr

Dies ist nun vollständig anders. Der Widerspruch entfaltet gemäß § 39 Nr. 1 keine aufschiebende Wirkung mehr, da dies vom Gesetzgeber jetzt ausdrücklich so angeordnet wurde. Genau heißt es nun: „Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der (…)Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt (…)haben keine aufschiebende Wirkung."

Also selbst eine Klage vor dem Sozialgericht bietet keinen zeitlichen Schutz mehr vor der (vorläufigen) Sanktionierung von Leistungen.

Man wäre also gezwungen, neben dem Widerspruch als solchem einen Antrag gemäß § 86 a Abs. 3 Satz 1 SGG direkt bei der ARGE stellen, so dass die Behörde unter Umständen selbst die sofortige Vollziehung aussetzt. Hieran wird der Behörde aber eher nicht gelegen sein, so dass ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG bei dem jeweils zuständigen Sozialgericht erforderlich werden kann.

Natürlich muss bei diesem Vorgehen jeweils gut abgewägt werden, ob die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, also ob die Befolgung der „aufgedrückten" Eingliederungsvereinbarung tatsächlich so unzumutbar ist. Das wird eher in weniger Fällen einschlägig sein, dennoch gibt es genügend Fälle, in denen Eingliederungsvereinbarungen von der Behörde als Verwaltungsakt sehr einseitig, d.h., mit etlichen Pflichten für die Hilfebedürftigen und eher der Optik dienenden Pflichten des Leistungsträgers, formuliert werden.

Was kann man tun?

Es ist daher in jedem Fall ratsam, eine Eingliederungsvereinbarung, welche man als Verwaltungsakt gegen sich erlassen bekommen hat, nachdem man in Verhandlungen mit der ARGE über deren Inhalt stand, vom Fachmann prüfen zu lassen.

Die neue Regelung bietet den ARGEn und anderen Leistungsträgern ein ziemlich mächtiges stilles Sanktionsinstrument, welches meines Erachtens nicht unbedingt in einer gesunden Verhältnismäßigkeit steht. Die Gefahr einer rechtswidrigen Maßnahme wird einseitig auf die Hilfebedürftigen verlagert. Viele Hilfebedürftige schrecken aber aus Angst vor evtl. Kosten trotz der Möglichkeiten der (noch bestehenden) Beratungshilfe- und Prozesskostenhilfeoptionen zurück. Hier kann nur angeraten werden, sich mit dem Anwalt seines Vertrauens offen in einer ersten Beratung, für die meist die Möglichkeit der Kostenübernahme durch die Staatskasse im Rahmen der Beratungshilfe besteht, über ein mögliches Vorgehen und dessen Erfolgsaussichten zu unterhalten. Ein im Sozialrecht tätiger Anwalt wird sich Ihrer sicherlich gut annehmen und Ihre Bedürfnisse verstehen. Vor allem aber ist es wichtig, derartige Neuerungen, deren insgesamte Abgewogenheit meines Erachtens äußerst fragwürdig ist, auch weiterhin intensiv auf den Prüfstand zu stellen. Hierfür gibt es in Deutschland die Möglichkeiten des Widerspruchs und ggf. der Klage vor dem Sozialgericht.

Was muss man beachten?

Zu bedenken ist, dass dieser Widerspruch grundsätzlich innerhalb von einem Monat nach Zugang des Bescheides einzulegen ist. Hierzu sollten Sie einen Anwalt beauftragen, der Ihnen auch die weiteren notwendigen Informationen gibt. Die Kosten hierfür können bei Leistungsempfängern nach dem SGB II normalerweise auf Beratungshilfebasis abgerechnet werden. Im Fall des Obsiegens trägt die Behörde meist die Kosten. Grundsätzlich verbleibt damit ein Risiko für Sie in Höhe der Selbstbeteiligung bei Beratungshilfe von Euro 10,00 bestehen. In Anbetracht der sich bei evtl. Fehlern im Bescheid ergebenden hohen unberechtigten Sanktionen kann sich dies aber sehr schnell rechnen.

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