Neue Wege in der Mediation - Gewaltfreie Kommunikation

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Die Ziele der Gewaltfreien Kommunikation:

Neue Wege in der Mediation - Gewaltfreie Kommunikation

Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg – die andere Art der Mediation oder:
– Hinter jedem aggressiven Verhalten steckt ein unerfülltes Bedürfnis. –

Ich, Rechtsanwältin Michaela Albrecht, hatte eigentlich vor, eine Mediationsausbildung zu machen. Durch Zufall erfuhr ich dann jedoch von der Gewaltfreien Kommunikation (GFK). Nun studiere/lerne/übe ich die GFK seit Mitte 2002, zunächst nur schriftlich (es existiert ein Buch zum Thema von Marshall B. Rosenberg im Junfermann-Verlag), seit Januar 2003 auch aktiv in Seminaren und Übungsgruppen.
Ich kann sagen, dass ich noch nie zuvor in meinem Leben etwas so Kraftvolles und Bereicherndes kennengelernt habe.

Marshall B. Rosenberg ist ein weltweit tätiger und seit 30 Jahren erfahrener Psychologe und Mediator aus den USA. In mehr als zwei Dutzend Ländern, unter anderem auch im Nahen Osten und anderen Krisengebieten, hat er die Gewaltfreie Kommunikation an Ausbilder, Schüler, Studenten, Eltern, Manager, medizinisches und psychologisches Personal, Militärs, Anwälte, Gefangene, Polizisten und Geistliche weitergegeben und ist zu Vermittlungsgesprächen gerufen worden.

  • Befriedigende Beziehungen aufbauen und erhalten
  • Die eigenen Bedürfnisse befriedigen, ohne anderen irgendeine Art von Gewalt anzutun
  • Schmerzliche Kommunikation in verbindende Kommunikation transformierenKonflikte auflösen

Folgende Grundlagen hat die GFK:

  • Alle Menschen auf diesem Planeten möchten ihre Bedürfnisse befriedigt erhalten
  • Wir können in guten Beziehungen leben, wenn wir diese Bedürfnisse, die universell sind, durch Zusammenarbeit statt durch aggressives (Gesprächs-)Verhalten erfüllen
  • Jeder Mensch hat erstaunliche Fähigkeiten, die wir erfahren, wenn wir durch echte Einfühlung mit ihm in Kontakt kommen. Jedes Bedürfnis dient dem Leben.

Die Gewaltfreie Kommunikation soll Menschen in die Lage versetzen

  • empathisch zuzuhören,
  • zwischen beobachtbarem Verhalten und Interpretation zu unterscheiden,
  • Bewertungen aufzudecken und zu vermeiden,
  • die eigenen sowie auch fremde Bedürfnisse zu erkennen,
  • klare konkrete Bitten (nicht Forderungen!) zu formulieren.

Zunächst möchte ich Ihnen einen kleinen Überblick über die vier wesentlichen Komponenten in der GFK geben (Quelle: Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation, 2001):

  1. Beobachtung:

    Was höre ich den anderen sagen, was sehe ich, das der andere tut? Hierbei geht es darum, einfach zu beschreiben, was geschieht, ohne es zu beurteilen oder zu bewerten.

  2. Gefühle:

    Ich drücke aus, was ich fühle, wenn ich diese Handlung beobachte.
    Hier ist es wichtig, zwischen Gedanke und Gefühl unterscheiden zu lernen - "ich fühle mich missachtet", ist z.B. kein Gefühl, sondern die Interpretation einer Handlung einer anderen Person. Gefühle sind z.B. Trauer, Freude, Unsicherheit, Hilflosigkeit, nicht aber Gezwungensein, Zurückweisung, Bedrohtheit etc.

  3. Bedürfnisse:

    Nun drücke ich aus, welche Bedürfnisse hinter diesen Gefühlen stehen, z.B. Akzeptanz, Sicherheit, Autonomie, Respekt etc. Eine Frau, die gerade eine halbe Stunden auf ihre Freundin gewartet hat, kann alle diese Bestandteile ausdrücken, indem sie z.B. sagt: "Gisela, wir waren um 18:00 Uhr verabredet. Es ist jetzt 18:30 Uhr, du bist gerade gekommen. Ich bin etwas verärgert, denn es ist mir wichtig, dass ich wertgeschätzt und respektiert werde."

  4. Bitten

    Die beschriebene Frau würde dann sofort eine spezifische Bitte ausdrücken: „Bist du bereit, dich mit mir zu einigen, dass du mich in Zukunft vorher anrufst, wenn du merkst, dass du dich verspätest?“

    Hierbei ist schwierig, dass Bitten oft versteckte Forderungen sind. Erkennen kann man den Unterschied daran, wie der Bittende reagiert, wenn der Gebetene der Bitte nicht nachkommt: Reagiert er verstimmt, war es eine Forderung und keine Bitte.

    Empathisch Zuhören

    Die GFK kann auch angewandt werden, wenn wir z.B. einen Vorwurf wahrnehmen:
    Es geht darum, durch Empathie das Gefühl und das Bedürfnis unter dem Vorwurf zu hören und sich nur darauf zu beziehen.

    Hier statt einer Erläuterung ein sehr plakatives Beispiel für empathisches Zuhören angesichts eines massiven Vorwurfs:

    Marshall B. Rosenberg erzählte in einem Seminar einmal eine Begebenheit, die er in einem palästinensischen Flüchtlingslager erlebt hatte. Er war dort hin gefahren, um einen Vortrag über die Gewaltfreie Kommunikation zu halten. Auf seinem Weg in das Lager hatte Rosenberg mehrere leere Tränengasgranaten gesehen, die in der Nacht zuvor in das Lager geschossen worden waren. Auf jeder Granate stand deutlich lesbar: Made in USA.

    Als Rosenberg den Vortragsraum betrat, beschimpfte ihn einer der Anwesenden: "Mörder!". Rosenberg ist amerikanischer Staatsbürger und fragte den Mann, ob dieser ärgerlich sei, dass seine (Rosenbergs) Regierung ihre Mittel nicht anders einsetze.
    Der Mann fühlte sich gehört und antwortete: "Ja, verdammt nochmal, ich ärgere mich! Glauben Sie, wir brauchen Tränengas? Wir brauchen eine Kanalisation und und Wohnungen! Wir brauchen ein Land!"
    MBR: "Das klingt so, als wären Sie sehr verzweifelt und würden sich fragen, ob ich oder jemand anders wirklich verstehen kann, wie es ist, unter solchen Bedingungen zu leben."
    Mann: "Sie wollen das verstehen? Sagen Sie, haben Sie Kinder? Gehen die zur Schule? Haben sie Spielplätze? Mein Sohn ist krank! Er spielt in offenen Abwässern! In seiner Klasse gibt es keine Bücher! (.. .)
    MBR: "Ich höre, wie weh es Ihnen tut, Ihre Kinder hier aufzuziehen. Sie möchten, dass ich verstehe, dass Sie wollen, was alle Eltern für ihre Kinder wollen - eine gute Ausbildung, Möglichkeiten zum Spielen und in einer gesunden Umgebung aufwachsen.. ."
    Mann: "Stimmt genau, die Grundbedingungen! Menschenrechte - Nennt ihr Amerikaner es nicht so? Warum kommen nicht mehr von euch hierher und schauen sich an, welche Art von Menschenrechten ihr uns bringt!"

    Der Dialog ging noch weiter, der Mann brachte noch fast 20 Minuten lang seinen Schmerz zum Ausdruck, und Rosenberg hörte auf die Gefühle und Bedürfnisse hinter jeder Aussage. Er stimmte nicht zu und lehnte nicht ab, nahm seine Worte auf, aber nicht als Angriff, sondern als Geschenk eines Mitmenschen, der bereit war, sein Innerstes und seine tiefe Verletzlichkeit mit ihm zu teilen.
    Als der Mann sich irgendwann genügend gehört fühlte und den Grund für Rosenbergs Anwesenheit in dem Lager anhören konnte, lud er diesen nach der Veranstaltung schließlich sogar zu seinem Ramadan-Abschluss-Dinner ein.

    Wie und wo kann die Gewaltfreie Kommunikation zum Bestandteil einer Mediation werden?

    Die einzelnen Phasen der Mediation:

    Phase I:

    Zu Beginn der Mediation, wo meist kein konstruktives Gespräch zwischen den Parteien möglich ist, stimmt der/die Mediator/in die Parteien auf die bevorstehende Arbeit ein, erklärt die Regeln und Ziele der Mediation und sichert die Vertraulichkeit der Gespräche.

    Phase II:

    Die Konfliktparteien tragen ihre Standpunkte vor. Der/die Mediator/in "spiegelt" das Gehörte gewaltfrei (d.h. gibt es mit eigenen Worten wieder, indem er/sie in seinen/ihren Formuliereungen darauf achtet, dass keine Vermischung stattfindet und keine Schuld zugewiesen wird), fasst zusammen und stellt so sicher, dass er/sie alles richtig verstanden hat.

    Phase III:

    In der Phase der "Konflikterhellung" werden die Gefühle, Bedürfnisse und Interessen der Parteien geklärt. Der/die Mediator/in fragt nach, unterstützt die Parteien im Ausdruck der individuellen Bedürfnisse und Wünsche und stellt sicher, dass die jeweils andere Partei verstanden hat, welche Bedürfnisse auf der anderen Seite bestehen.
    Dies nimmt die meiste Zeit in Anspruch, und hier ist der Einsatz der Gewaltfreien Kommunikation besonders heilsam.
    Phase II und III können sich mischen – der/die Mediator/in wird immer wieder spiegeln und zusammenfassen, nicht nur bei der Darstellung der Standpunkte, sondern auch in der Bedürfnisphase.
    Nach und nach kommt es wieder zu einer direkten Kommunikation.

    Phase IV:

    Die Kommunikation zwischen den Parteien ist wieder hergestellt, und die Lösung der Sachprobleme kann ins Auge gefasst werden. Hierzu werden Methoden wie z.B. das Brainstorming u.ä. eingesetzt.
    Hier ist Kreativität gefragt, damit sich die Parteien auf eine gemeinsame Lösung einigen können, die - nach den Grundsätzen der Gewaltfreien Kommunikation - die Bedürfnisse beider Parteien möglichst so berücksichtigen soll, dass das Ergebnis nicht nur ein Kompromiss ist, sondern eine echte Lösung des Konfliktes.

    Phase V:

    Nun wird eine schriftliche Vereinbarung ausgearbeitet und von den Parteien unterzeichnet.
    Jetzt sollten die Parteien in die Lage versetzt sein, wieder ohne Unterstützung durch eine/n Mediator/in miteinander kommunizieren zu können.

    Der Gewinn der Gewaltfreien Kommunikation im „normalen Leben“

    Doch die Gewaltfreie Kommunikation ist nicht nur eine Technik, die sich in Mediationsprozessen bewährt, sondern sie ist auch eine Haltung, mit der ich mein eigenes Leben bereichern kann.
    Für gewöhnlich analysieren wir in Kommunikation mit anderen deren Tun und Denken, wir kritisieren, wir interpretieren und bewerten, loben, strafen, drohen und/oder fühlen uns im Recht. Im Normalfall fühlt sich der andere schlecht, wehrt sich, verteidigt sich oder weicht aus. Dieses Verhalten ist eine Quelle der Gewalt, denn die Menschen sind nicht miteinander verbunden.
    Doch nach der GFK ist auch solches Verhalten ein – wenn auch missglückter – Versuch, ein Bedürfnis zu erfüllen, wenn auch derjenige es sich nicht bewusst machen mag. In der GFK wird jedes Verhalten zum Anlass genommen, nach dem dahinter liegenden Bedürfnis zu suchen und zu respektieren.