Neue Entscheidung des BGH zur Kinderpornographie - Gilt die Einziehung für den gesamten Computer?

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Zur Frage der Einziehung der sichergestellten Speichermedien bei § 184b StGB

Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes von Kinderpornographie bzw. der Verbeitung von Kinderpornographie nehmen nach Auffassung des Autors, der in diesem Bereich bundesweit verteidigt, auch innerhalb des Strafrechts eine Sonderstellung ein. In nahezu keinem anderen Bereich hat bereits der Tatvorwurf -unabhängig ob zutreffend erhoben oder nicht- derart stigmatisierende Wirkung. Neben Erfahrung im Umgang mit diesen Strafverfahren gem. § 184b StGB (Kinderpornographie) bzw. § 184c StGB (Jugendpornographie) ist für eine effektive Strafverteidigung auch die Kenntnis der bundesweiten Rechtsprechungsentwicklung hilfreich.

In diesem Zusammenhang ist auf eine neue Entscheidung des BGH vom 08.02.2012 ( Az. : 4 StR 657/11 ) hinzuweisen.

Steffen Lindberg
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Hintergrund ist folgender: Nach Abschluss eines Verfahrens wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- oder jugendpornographischer Schriften stellt sich regelmäßig die Frage, was mit den sichergestellten Speichermedien, insbesondere PCs, Handys etc., zu geschehen hat. Oftmals wird fälschlicherweise seitens des Gerichts bzw. der Staatsanwaltschaft angenommen, die Vorschrift des § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB, welche besagt, dass Gegenstände, auf die sich die Straftat nach § 184b Abs. 2 StGB (einem anderen Besitz von kinderpornographischen Schriften verschaffen) oder § 184b Abs. 4 StGB ( Besitz oder Eigenbesitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften ) bezieht, eingezogen werden, enthalte die allumfassende Lösung diese Problems.

Der Bundesgerichtshof hat nun in seiner Entscheidung vom 08.02.2012 darauf verwiesen, dass nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB nicht der gesamte Computer nebst Zubehör der Einziehung unterliegt, sondern lediglich die als Speichermedium verwendete Festplatte. Die Einziehung des für den Lade- und Speichervorgang verwendeten Computers einschließlich Ladekabel etc. unterliege allenfalls als Tatwerkzeug nach § 74 Abs. 1 StGB der Einziehung. Insoweit liege die Entscheidung im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, wobei insbesondere die Verhältnismässigkeit zu prüfen sei. Gemäß § 74 Abs. 2 StGB sei grundsätzlich durch das Gericht zu prüfen, ob nicht auch mit weniger einschneidenden Maßnahmen der Einziehungszweck erreicht werden könne. Hierbei weist der Bundesgerichtshof ausdrücklich auf die Möglichkeit einer endgültigen Löschung der inkriminierten Bilddateien iSd. § 184b StGB hin, welche vor einer umfassenden Einziehung der Speichermedien stets zu prüfen sei.

Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass bei Ermittlungsverfahren wegen § 184b StGB bzw. § § 184c StGB eine der Zielsetzungen regelmäßig in einer diskreten Verfahrenserledigung ohne Hauptverhandlung liegt. Vor diesem Hintergrund kann es im Einzelfall sinnvoll sein, gerade nicht den Streit mit den Ermittlungsbehörden über die Frage der Einziehung zu suchen. Gleichwohl dürfte die Kenntnis dieser Entscheidung -wie auch die der übrigen, bundesweiten Rechtsprechungsentwicklung zu § 184b StGB- für eine effektive Strafverteidigung unabdingbar sein.

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