Multiple Sklerose Patient darf legal Cannabis anbauen

Mehr zum Thema: Medizinrecht, Arztrecht, Cannabis, Therapie, Betäubungsmittel, BfArM, Ausnahmeerlaubnis
3,63 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
19

Das Bundesverwaltungsgericht stärkt mit einem Urteil die Patientenrechte in erheblichem Ausmaß

Ein seit über 30 Jahren an Muskelschwund erkrankter Mann klagte letztinstanzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht auf eine Ausnahmeerlaubnis für den privaten Anbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken. Das Gericht hat nun dem Kläger recht gegeben. (BVerwG 3 C 10.14 - Urteil vom 06. April 2016)

Ausnahme vom Anbauverbot bei wissenschaftlichen Zwecken oder öffentliches Interesse

Der § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) sieht die Möglichkeit einer Ausnahmeerlaubnis nur dann vor, wenn der Anbau entweder wissenschaftlichen Zwecken dient oder ein anderes öffentliches Interesse besteht.

Jan Gregor Steenberg
Partner
seit 2011
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Gewerblicher Rechtsschutz
Hachelallee 88
75179 Pforzheim
Tel: 07231/1331993-0
Web: http://www.kanzlei-steenberg.de
E-Mail:
Strafrecht, Arbeitsrecht, Versicherungsrecht

In diesem Fall sah das Gericht ausnahmsweise ein öffentliches Interesse in dem Privatanbau, da die Cannabis-Therapie eine erhebliche Linderung der Beschwerden des Klägers ermöglicht. Am 06.04.2016 wies das Gericht folglich in seinem Urteil das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) an, dem Erkrankten eine entsprechende Ausnahmegenehmigung zu erteilen.

Der 52-jährige Kläger behandelt die Symptome seiner unheilbaren Krankheit bereits seit 1987 unter ärztlicher Kontrolle mit der regelmäßigen Einnahme von Cannabis. Er konnte nachweisen, dass derzeit kein gleich wirksames und erschwingliches Medikament verfügbar ist. Der Erwerb und die Einnahme von Medizinalhanf aus der Apotheke scheidet aus, da seine Krankenkasse die Kostenübernahme in der Vergangenheit mehrfach ablehnte. Die private Finanzierung sei dem Kläger aufgrund seiner geringen Erwerbsminderungsrente nicht möglich.

Anbau erfolgt ebenso wie die Einnahme unter ärztlicher Kontrolle

Da auch der Anbau des Cannabis unter ärztlicher Kontrolle erfolgt, der Kläger inzwischen über eine jahrelange Erfahrung hinsichtlich Wirksamkeit und Dosierung verfügt und seine Wohnung ausreichend gegen unbefugte Einnahme und Missbrauch geschützt ist, sah das Gericht keine Hinderungsgründe gegen die Genehmigung. Dem internationalen Suchtstoffübereinkommen, das den Anbau von Cannabis untersagt, steht nach Ansicht der Richter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes gegenüber, der die Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit vorschreibt.

Für die Praxis bedeutet dies nun, dass in einem sehr eng begrenztem Rahmen und bei eindeutiger medizinischer Indikation im Einzelfall eine Erlaubnis zum Anbau von Cannabis erteilt werden muss.

Anbau weiterhin ohne Ausnahmegenehmigung verboten

Es bleibt zu beachten, dass ein Anbau nur bei einer entsprechenden Erlaubnis legal ist. Weiterhin dürfte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auch sehr restriktiv mit entsprechenden Erlaubnissen umgehen. Dennoch bestätigt das Urteil eine grundlegende Tendenz in der Rechtsprechung, die die Rechte der Patienten in den Mittelpunkt und diese immer wieder in einen verfassungskonformen Kontext stellt.

Jan Gregor Steenberg LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Hachelallee 88
75179 Pforzheim
Tel: 07231/1331993-0
FAX: 07231/1331993-9

www.kanzlei-steenberg.de
info@kanzlei-steenberg.de

Medizinrechtsblog: www.med-recht.com
Das könnte Sie auch interessieren
Medizinrecht, Arztrecht Grob fehlerhafte Medikamentenabgabe durch Apotheker