Mobbing und sexuelle Belästigung – Wo fängt es an und wo hat es seine Grenzen?

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Was ist Mobbing? Wer versteht, wie Mobbing, Bossing, Stalking & Co. funktionieren, kann seine Verteidigungsstrategie besser aufbauen und vermeidet Fehler.

Mobbing hat weitreichende negative Folgen für die Gesundheit sowie die berufliche und private Situation des Opfers. Regelmäßige feindselige Angriffe rufen negative Gefühle und starke Verunsicherungen bei den Betroffenen hervor, was in der Regel nicht ohne Folgen auf ihr Arbeits- und Leistungsverhalten bleiben wird. 98,7 % der deutschen Mobbingopfer geben an, dass sich Mobbing darauf auswirkt. Ein Interview mit Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Pistorius gibt Aufschluss und klärt über die Rechte von Betroffenen auf.

123recht.de: Herr Pistorius, was ist eigentlich Mobbing?

Peter Pistorius
Partner
seit 2005
Rechtsanwalt
Königstr. 50
30175 Hannover
Tel: 0511-2200110
Web: http://www.koe50.de
E-Mail:
Arbeitsrecht, Versicherungsrecht, Verkehrsrecht, Vertragsrecht

Rechtsanwalt Pistorius: Der Begriff Mobbing ist aus dem Englischen übernommen worden. Es wurde vom englischen Verb „to mob" abgeleitet und bedeutet allgemein „schikanieren" oder „anpöbeln".

Mobbing im engeren Sinne bedeutet, dass jemand – zumeist am Arbeitsplatz – fortgesetzt geärgert oder schikaniert wird. Oft wird dabei das Ziel verfolgt, Betroffene aus dem Betrieb zu vertreiben.

123recht.de: Wo ist der Unterschied zum bloßen Streit, Kritik oder auseinander gehenden Meinungen am Arbeitsplatz?

Mobbing sind fort­ge­setz­te, aufeinander auf­bau­en­de oder in­ein­an­der übergreifende Verhaltensweisen

Rechtsanwalt Pistorius: Der Begriff des Mobbings ist erstmals durch eine Entscheidung des Landesarbeitsgericht Thüringen vom 10.04.2001 (Az.: 5 Sa 403/00) näher definiert worden.

"Im ar­beits­recht­li­chen Verständ­nis er­fasst der Be­griff des >Mob­bing< fort­ge­setz­te, aufeinander auf­bau­en­de oder in­ein­an­der überg­rei­fen­de, der An­fein­dung, Schi­ka­ne oder Diskriminierung die­nen­de Ver­hal­tens­wei­sen.

Deshalb ist nicht jeder Streit am Arbeitsplatz auch Mobbing. Auch dann nicht, wenn er intensiv ist oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Um im rechtlichen Sinne von Mobbing sprechen zu können, bedarf es insgesamt vier Voraussetzungen.

  1. Grundvoraussetzung ist eine negative Verhaltensweise gegenüber dem Betroffenen. Der Betroffene muss beispielsweise angefeindet, geärgert, schikaniert oder diskriminiert werden.
  2. Voraussetzung ist auch, dass es sich um ein Verhaltensmuster handelt. Mobbing besteht folglich nicht aus einer einzelnen Handlung, sondern aus einer systematischen, sich wiederholenden Verhaltensweise.
  3. Zusätzlich müssen zwischen „Tätern" und „Opfern" ungleiche Machtverhältnisse bestehen. Die Beteiligten müssen zumindest unterschiedliche Einflussmöglichkeiten auf die Situation haben. Dies kann beispielsweise durch ein Rangverhältnis der Fall sein, oder durch die Tatsache, dass sich die „Mobber" in der Überzahl befinden. Auch wenn jemand anonymen Anschuldigungen ausgesetzt ist, ergibt sich bereits aus der Anonymität des anderen eine untergeordnete Rolle des Betroffenen, da man dem Mobber nicht entgegentreten kann.
  4. Letztlich müssen die Verhaltensweisen der „Täter" rechtswidrig sein, d.h. es darf keinen Grund für die Handlungen geben. Dies ist bei Beleidigungen oder Drohungen einfach anzunehmen. Schwieriger ist es bei Kritik des Vorgesetzten, jedenfalls dann, wenn sie sich auf die Arbeit des Betroffenen bezieht. Rechtswidrig sind die Handlungen in jedem Fall, wenn durch sie der Be­trof­fe­ne zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes genötigt werden soll.

123recht.de: Was gibt es für Arten von Mobbing in der Praxis?

Rechtsanwalt Pistorius: Mobbing tritt in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auf. Der Phantasie der Täter sind in diesem Bereich oft keine Grenzen gesetzt. Zunächst kann Mobbing anhand der verschiedenen Handlungsformen differenziert werden:

Mobbing kann als aktive Handlungsform auftreten. Beispiele hierfür sind insbesondere verbale Gewalt (zum Beispiel Drohung oder Demütigung), aber auch die Androhung und Ausübung körperlicher Gewalt oder die sexuelle Belästigung. Auch das Streuen von Gerüchten oder das „Lächerlichmachen" einer Person stellen eine aktive Form des Mobbings dar.

Ebenso häufig tritt Mobbing als passive Handlungsform auf. Das Vorgehen ist dabei zwar weniger aggressiv, jedoch nicht weniger intensiv. Die soziale Isolierung ist dabei die häufigste Erscheinungsform. Mobbing tritt hierbei in Form der Kontaktverweigerung und Ausgrenzung einzelner Personen auf. Es wird nicht gegrüßt oder sich verabschiedet, oder der Kollege wird nicht gefragt, ob er zum gemeinsamen Mittagessen mitkommen möchte.

Neben den offensichtlichen Formen des Mobbings existieren auch wesentlich dezentere Verhaltensweisen, die unter den Begriff des Mobbings fallen. So kann auch ein Kompetenzentzug oder die Zuteilung sinnloser Arbeitsaufgaben ein Schikanieren eines Mitarbeiters darstellen. Auch das Vorenthalten von Informationen, ständige Kritik an der Arbeit oder die örtliche Versetzung in einen weit entfernten Raum sind Formen von Mobbing.

Neben der Unterscheidung nach den Handlungsformen wird auch nach den Verursachern des Mobbings unterschieden. Mobbing kann durch einzelne, aber auch durch eine Mehrzahl an Personen verursacht werden. Dabei kann das Mobbing von:

  • Kollegen
  • Vorgesetzten
  • Untergebenen

oder von einer Verbindung aus den vorgenannten Gruppen ausgehen.

Geschehnisse dokumentieren und Beweise sammeln kann sinnvoll sein

123recht.de: Apropos Vorgesetzte. Was mache ich bei „Bossing", also dem Mobbing durch meinen Chef? An wen kann ich mich wenden?

Rechtsanwalt Pistorius: Für den Fall, dass Sie von ihrem Chef gemobbt werden, sollten sie zunächst von ihrem Beschwerderecht Gebrauch machen. Dieses ergibt sich aus § 84 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Sie können sich bei Ihrem Chef, oder auch bei dessen Vorgesetzten oder der Personalabteilung beschweren.

Für den Fall, dass in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, können Sie sich gemäß § 85 BetrVG auch an diesen wenden. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn die Beschwerde gegenüber dem Vorgesetzten keine Veränderung bewirkt oder die Ängste vor einer direkten Konfrontation zu groß sind, als dass eine Beschwerde nach § 84 BetrVG in Frage kommt.

Diese Stellen können Ihnen helfen, aus Ihrer unterlegenen Position zu entkommen. Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, rechtswidriges Verhalten der Kollegen oder des Chefs nach seinen Möglichkeiten zu unterbinden.

Als vorbereitende Maßnahme sollten Sie die einzelnen Geschehnisse dokumentieren, d.h. eine Auflistung der Vorkommnisse erstellen und wenn möglich auch Beweise hierfür sammeln. Der von Ihnen erhobenen Beschwerde wird somit mehr Gewicht verliehen und Sie laufen nicht Gefahr, dass Ihnen kein Glaube geschenkt wird.

Hilfreich kann es auch sein, im Erstgespräch nicht gleich von Mobbing zu sprechen. Es besteht die Gefahr, dass Sie bereits wegen dieser Formulierung nicht ernst genommen und in eine Schublade gesteckt werden, da Begriffe wie Mobbing oder Burn-Out nicht in die allseits existierende Leistungsgesellschaft zu passen scheinen. Ich empfehle sogar, das Wort Mobbing überhaupt nicht zu verwenden. Sie sollten es beim Beschreiben der Vorkommnisse belassen. Dass es sich um Mobbing handelt, sollte der Ansprechpartner für gewöhnlich selbst erkennen.

Darüber hinaus steht Ihnen auch die Möglichkeit offen, sich des Mobbings durch gerichtliche Schritte zu erwehren. Gegen viele Formen des Mobbings können Sie sich mittels einer Strafanzeige erwehren, zumindest dann, wenn sie die Qualität einer Straftat erreicht haben. In Betracht kommen hier zumeist die Straftatbestände der Beleidigung, der üblen Nachrede oder der sexuellen Nötigung.

Auch ein Verfahren vor den Arbeitsgerichten kann erfolgversprechend sein. Ge­hen die Schikanen un­mit­tel­bar vom Ar­beit­ge­ber aus, kann der Be­trof­fe­ne den Ar­beit­ge­ber ab­mah­nen oder un­ter Umständen das Ar­beits­verhält­nis kündi­gen und Scha­dens­er­satz we­gen der vom Ar­beit­ge­ber ver­schul­de­ten Beendigung des Arbeitsverhältnisses ver­lan­gen. Auch ein Schadensersatzanspruch bzw. ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG kann geltend gemacht werden.

In Fällen des von Kol­le­gen verübten Mob­bings entstehen diese Rechte gegenüber dem Arbeitgeber ebenfalls, wenn dieser trotz Kenntnis des Mobbings untätig bleibt.

Bevor Strafanzeige erstattet, oder ein arbeitsgerichtliches Verfahren geführt wird, sollten generell sämtliche Wege der Kommunikation gewählt werden, da das Arbeitsverhältnis andernfalls nachhaltig mit dem Streit belegt sein kann.

123recht.de: Wann spricht man von sexueller Belästigung?

Rechtsanwalt Pistorius: Sexuelle Belästigung kann in allen Lebenslagen vorkommen. Häufig erfolgt sie in Abhängigkeitsverhältnissen wie etwa am Arbeitsplatz.

Sexuelle Belästigung bezeichnet eine Form der Belästigung, die insbesondere auf das Geschlecht der betroffenen Person gerichtet ist. Sie gilt darüber hinaus als Benachteiligung.

Als solche wird ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezeichnet. Hierunter fallen unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts; unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen und ähnliches.

123recht.de: Was für konkrete Formen gibt es und was muss ich mir davon gefallen lassen?

Rechtsanwalt Pistorius: Die Erscheinungsformen sexueller Belästigung sind vielseitig. Zu den Erscheinungsformen gehören verbale, nonverbale, offene und versteckte Übergriffe wie zum Beispiel:

  • Körperkontakt, der unnötig und wie scheinbar zufällig erfolgt
  • Hinterherpfeifen, Grapschen, insbesondere an Gesäß oder Brust
  • Taxierende Blicke
  • Bemerkungen mit sexuellem Inhalt oder entsprechenden Äußerungen über das äußere Erscheinungsbild

  • Erzählen von anzüglichen Witzen
  • Zeigen pornografischer Darstellungen (z.B. auf dem Handy oder durch das Aufhängen eines Kalenders mit entsprechenden Fotos)
  • Aufforderung oder Nötigung zu sexuellen Handlungen
  • Aufforderung zum Mitansehen sexueller Handlungen
  • Versprechen beruflicher Vorteile / Androhen beruflicher Nachteile bei sexuellem Entgegenkommen oder sexueller Verweigerung

Opfer der sexuellen Belästigung sind weit überwiegend Frauen, aber auch Männer sind von sexueller Belästigung betroffen. Wichtig ist: Sie müssen sich keine Form der sexuellen Belästigung gefallen lassen. Sie haben gegen den Täter einen Anspruch auf Unterlassen und auf Schadensersatz.

Jeder vernünftig denkende Arbeitgeber wird alles tun, dass weder ihm noch seinen Mitarbeitern dieser Vorwurf gemacht werden kann.

Eine unerwünschte Handlung ist eine inakzeptable Handlung

123recht.de: Was für eine Kollegin sexuelle Belästigung ist, ist für die andere vielleicht ein echter Flirt oder ein derber, aber akzeptabler Witz unter Kollegen. Wo fängt es also an? Kann man das überhaupt pauschal sagen?

Rechtsanwalt Pistorius: Bereits aus der Definition der sexuellen Belästigung lässt sich die Beantwortung Ihrer Frage herleiten. Entscheidend ist an dieser Stelle das Wort „unerwünscht". Was für eine Kollegin akzeptabel ist, kann für eine andere bereits eine sexuelle Belästigung darstellen. Ob eine Handlung erwünscht oder unerwünscht ist, bestimmt letztlich die betroffene Person selbst. Die Abgrenzung zwischen einer noch zulässigen und einer bereits rechtswidrigen Handlung ist deshalb immer einzelfallabhängig und kann pauschal nicht beantwortet werden. Man muss und sollte sich mitteilen!

123recht.de: Sollte ich einen Kollegen ansprechen, wenn ich mich von ihm sexuell belästigt fühle?

Rechtsanwalt Pistorius: Ja! Wehren Sie sich! Die Kommunikation zwischen Kollegen ist an dieser Stelle unverzichtbar. Sie müssen den Kollegen auf Ihr Empfinden ansprechen und klare Grenzen ziehen. Der Kollege muss wissen, dass er Sie mit seinem gezeigten Verhalten belästigt.

Oft schätzen Menschen dieselbe Situation völlig unterschiedlich ein. Gerade weil Sie im Einzelfall, abhängig vom konkreten Kollegen und der konkreten Situation entscheiden, ob Sie sich belästigt fühlen oder nicht, ist es wichtig, die eigene Meinung auch zum Ausdruck zu bringen. So lassen Sie keinen Raum für Missverständnisse. Unter Umständen weiß der Kollege gar nicht, dass Sie sein Verhalten als störend empfinden und geht in Zukunft sensibler mit Ihnen um.

123recht.de: An wen wende ich mich bei Mobbing oder sexueller Belästigung, wenn ich den Kollegen nicht konfrontieren möchte und mich nicht zum Chef traue?

Rechtsanwalt Pistorius: Sie können zunächst den Betriebsrat um Unterstützung bitten und dessen Hilfe in Anspruch nehmen. Diese Möglichkeit steht Ihnen ebenso wie im Fall des Mobbings zur Verfügung. Viele Unternehmen verfügen darüber hinaus auch über eine Gleichstellungsbeauftragte. Diese ist für entsprechende Situationen geschult und kann Ihnen helfen. Es kann auch ausreichend sein, sich kollegiale Hilfe zu suchen. Wichtig ist nur, dass Sie sich Hilfe suchen, wenn Sie das Gefühl haben, die Situation selbst nicht lösen zu können.

Sollten Sie auch diesen Weg zunächst nicht gehen wollen, bietet es sich an, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Hilfe können insbesondere Rechtsanwälte, Psychologen und Ärzte bieten. Häufig gibt es mittlerweile auch Beratungsstellen oder Beratungstelefone zum Thema Mobbing und sexuelle Belästigung. Diese können Ihren konkreten Fall unabhängig einschätzen und gegebenenfalls auch Kontakt zu den vorgenannten Berufsgruppen vermitteln.

123recht.de: Wie geht es dann weiter? Was kann zum Schutz von Opfern sexueller Belästigung getan werden?

Rechtsanwalt Pistorius: Opfer sexueller Belästigung haben einen Unterlassensanspruch gegen den Verursacher. Je nachdem, von wem die sexuelle Belästigung ausgeht, stehen unterschiedliche Maßnahmen zum Schutz der Opfer zur Verfügung.

Der Arbeitgeber hat in Fällen sexueller Belästigung angemessene arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Er hat auf den Täter einzuwirken und diesen zum Unterlassen der Handlungen anzuhalten. Hierzu stehen ihm insbesondere die Mittel der Ermahnung, Abmahnung, Versetzung, ordentlichen und außerordentlichen Kündigung zur Verfügung.

So kann das Opfer der sexuellen Belästigung vor weiteren Belästigungen durch Kollegen geschützt werden. Schwieriger ist der Fall, dass die sexuelle Belästigung vom Arbeitgeber selbst ausgeht, oder dieser nichts gegen die sexuelle Belästigung durch einen Kollegen unternimmt.

Für diesen Fall steht dem Opfer das Recht zu, ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Arbeitgeber auszuüben. Dies bedeutet, dass Opfer ihre Arbeitskraft solange zurückhalten, bis der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Schaffung eines Arbeitsplatzes, der frei von sexueller Belästigung ist, nachkommt. Die Opfer der sexuellen Belästigung verlieren durch die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auch nicht den Anspruch auf Lohnzahlung. Hinzu treten Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung.

Den Täter erwarten auch strafrechtliche Konsequenzen

123recht.de: Welche Sanktionen erwarten den Verursacher des Mobbings oder der sexuellen Belästigung? Wie sieht es mit der Beweislage aus?

Rechtsanwalt Pistorius: Die Täter erwarten neben den eben genannten arbeitsrechtlichen Konsequenzen gegebenenfalls auch strafrechtliche Konsequenzen. Die Konsequenzen sind in beiden Bereichen abhängig von der Intensivität der Diskriminierung.

Sie können von einer mündlichen Ermahnung bis hin zur außerordentlichen Kündigung in Verbindung mit einem Strafverfahren reichen. Im Strafverfahren können die Täter aufgrund der verübten strafbaren Handlungen sowohl zu Geld- als auch zu Freiheitsstrafen verurteilt werden.

Für die Sanktionierung des Täters ist ein Nachweis des Mobbings oder der sexuellen Belästigung erforderlich. In einem Strafverfahren übernimmt die Staatsanwaltschaft unter Zuhilfenahme der Polizei die Ermittlungen.

Anders ist dies in Prozessen vor dem Arbeitsgericht. Hier trägt der Kläger, d.h. das Opfer des Mobbings oder der sexuellen Belästigung die volle Beweislast für das Fehlverhalten des Täters. Diese Hürde ist teils nicht leicht zu nehmen und bedarf guter Vorbereitung.

Dies bestätigte zuletzt auch eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21.04.2006, Az.:12 (7) Sa 64/06.

123recht.de: Kürzlich hat das BAG eine ausgesprochene Kündigung in einem Belästigungsfall aufgehoben – was war da los und wieso gab es keine Sanktion, er hatte doch zugegeben gegrabscht zu haben?

Rechtsanwalt Pistorius: Die Berechtigung des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung folgt aus § 626 BGB. Allerdings muss bei jeder Kündigung eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden. Dazu gehören die Begleitumstände der sexuellen Belästigung, aber auch der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses. Hierzu zählen insbesondere die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Vorliegen einschlägiger Abmahnungen.

Der kürzlich vom BAG (20.11.2014, Az.: 2 AZR 651/13) entschiedene Belästigungsfall reichte für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht aus:

In diesem Fall hatte ein Mechaniker einer Reinigungskraft, die für eine Fremdfirma arbeitete, an die Brust gefasst. Der Mechaniker arbeitete seit 16 Jahren in dem Betrieb und hatte sich bisher keine Verfehlungen zu Schulde kommen lassen. Zudem handelte es sich um einen einmaligen Übergriff. Im Anhörungsgespräch durch den Arbeitgeber gestand er die sexuelle Belästigung sofort und zeigte sich reumütig. Ferner entschuldigte er sich bei dem Opfer und zahlte eine Entschädigung im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs.

Dennoch entließ der Arbeitgeber den Mechaniker fristlos.

Das BAG entschied nun, dass es dem Arbeitgeber zumutbar war, den Mechaniker weiter zu beschäftigen. Es entschied, dass bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ausreichend gewesen wäre, den Mechaniker abzumahnen.

Es entscheid folglich nicht, dass der Mechaniker nicht sanktioniert werden durfte, sondern nur, dass eine mildere Sanktionierung an dieser Stelle ausreichend gewesen wäre. Der Mechaniker ist in diesem Fall der außerordentlichen Kündigung nur knapp entgangen. Die außerordentliche Kündigung wäre grundsätzlich zulässig gewesen und durfte in diesem Fall nur aufgrund einer Vielzahl an Tatsachen, die für den Mechaniker sprachen, nicht ausgesprochen werden.

Nach meiner Rechtsauffassung hätte die außerordentliche Kündigung auch in diesem Fall durchgehen müssen. Jedem ist klar, dass dieses Verhalten inakzeptabel ist und auch nach langjähriger Beschäftigung nicht vorkommen darf.

Grundsätzlich bleiben sexuelle Übergriffe ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB und berechtigen den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung.

123recht.de: Vielen Dank für das Gespräch Herr Pistorius!