Mithören von Gesprächen

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Das Mithören von Gesprächen und die Verwertbarkeit so erlangter Erkenntnisse beschäftigte immer wieder die Gerichte. Hier zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) aus den Gebieten Arbeitsrecht und Strafrecht:

- BAG, Urteil vom 23. April 2009 - 6 AZR 189/08:

Ermöglicht bei einem Telefongespräch einer der Gesprächspartner einer im Raum befindlichen weiteren Person zielgerichtet, das Gespräch heimlich mitzuhören, indem er z. B. den Raumlautsprecher des Telefons anstellt oder das Gerät vom Ohr weghält, verletzt er das Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung hat in diesen Fällen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Folge, dass der heimlich Mithörende nicht als Zeuge zum Gesprächsinhalt des Telefonats vernommen werden darf. Dagegen besteht dann, wenn der Angerufene nichts dazu beigetragen hat, dass der Dritte das Telefongespräch mithören konnte, kein Beweisverwertungsverbot. Das Interesse des Angerufenen an der Durchsetzung seiner im Einzelfall auch grundrechtlich geschützten Rechte in einem gerichtlichen Verfahren sowie das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Rechtspflege und materiell richtigen Entscheidung überwiegen das Interesse des Anrufers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts.

Der Entscheidung zugrunde lag nach der Pressemitteilung Nr. 41/09 des BAG folgender Sachverhalt:

Das beklagte (Zeitarbeits-)Unternehmen kündigte der Klägerin innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG. Zum Zeitpunkt der Kündigung war die Klägerin arbeitsunfähig. Die Klägerin hält die Kündigung für sittenwidrig und hat geltend gemacht, sie sei unmittelbar vor der Kündigung von der Personaldisponentin der Beklagten angerufen worden. Diese habe ihr gesagt, sie solle trotz der Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit kommen, andernfalls müsse sie mit einer Kündigung rechnen. Die Beklagte hat die behauptete Äußerung der Personaldisponentin bestritten. Für die Richtigkeit ihrer Behauptung hat sich die Klägerin auf das Zeugnis einer bei dem Telefonat anwesenden Freundin berufen, welche das Gespräch zufällig ohne ihr Wissen mitgehört habe.

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Personaldisponentin als Zeugin vernommen und die Klage abgewiesen. Eine Vernehmung der Freundin der Klägerin hat es abgelehnt, weil insoweit ein Beweisverwertungsverbot bestehe. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des BAG Erfolg. Die Sache wurde an das LAG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen. Unter Zugrundelegung des Prozessvortrags der Klägerin würde die Kündigung eine nach § 612a BGB unzulässige Maßregelung darstellen. Das LAG durfte von der Vernehmung der Freundin der Klägerin als Zeugin nur absehen, wenn die Klägerin dieser zielgerichtet ermöglicht hatte, das Telefongespräch heimlich mitzuhören. Hierzu hat das LAG keine Feststellungen getroffen.

Wenn Bezug genommen wird auf die „Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" so sei hier beispielhaft auf den Beschluss des Ersten Senats vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 – verwiesen; die vollständige Entscheidung kann auf der Homepage des BVerfG unter „Entscheidungen" nachgelesen werden.

- BGH, Urteil vom 29. April 2009 – 1 StR 701/08:

Die Entscheidung betrifft das heimliche Abhören der Gespräche eines Beschuldigten mit seiner Ehefrau im Besuchsraum während der Untersuchungshaft.

Nach der Pressemitteilung Nr. 90/2009 des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Das Landgericht (LG) Kempten hat den Angeklagten am 01.08.2008 u. a. wegen Mordes, begangen aus niedrigen Beweggründen, zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte wurde zuvor am 21.09.2007 festgenommen. Über die Telefonverbindungsdaten war festgestellt worden, dass die Getötete zuletzt mit dem Angeklagten telefoniert hatte. Bei seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung gab der Angeklagte ein Treffen mit der Getöteten auf einem Parkplatz zu, behauptete aber, mit deren Verschwinden nichts zu tun zu haben. Der Angeklagte wurde daraufhin in die Untersuchungshaft in die JVA verbracht. Mit Beschluss vom 25.09.2007 ordnete das Amtsgericht (AG) Kempten auf Antrag der Staatsanwaltschaft an, dass Besuchskontakte zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau in der Untersuchungshaft in einem separaten Raum durchzuführen und die dabei geführten Gespräche mittels Anbringung von Mikrofonen abzuhören und aufzuzeichnen seien. Zur Begründung führte das AG aus, dass nach den bisherigen Ermittlungen davon ausgegangen werden müsse, dass der Angeklagte die Geschädigte getötet habe. Es wäre zu erwarten, dass der Angeklagte mit seiner Ehefrau Einzelheiten zur Tat besprechen werde. Entsprechend dieser Anordnung wurden daraufhin die Besuche in einem separaten Besuchsraum ohne erkennbare Überwachung durchgeführt.

Die Gespräche zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau wurden dabei heimlich abgehört. Bei einem der aufgezeichneten Gespräche räumte der Angeklagte gegenüber seiner Ehefrau ein, dass das Opfer, dessen Leiche bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgefunden worden war, tot sei. Außerdem forderte er seine Frau mehrfach auf, eine Videoaufzeichnung anzufertigen und diese u. a. an die Staatsanwaltschaft zu schicken. Darin sollte sie die Tat gestehen und behaupten, dass sie aus Eifersucht zwei russische Auftragsmörder engagiert habe, die das Tatopfer getötet hätten. Außerdem sollte sie sagen, dass sie vor der Tatausführung in die Scheide der Getöteten das Sperma des Angeklagten gerieben hätte.

Neben mehreren objektiven Beweisanzeichen hat die Strafkammer den Inhalt des abgehörten Gesprächs als ein „deutliches Indiz" für die Täterschaft des Angeklagten und den gewaltsamen Tod des Tatopfers gewertet.

Der 1. Strafsenat des BGH hat das Urteil des LG Kempten auf die Revision des Angeklagten hin aufgehoben. Der Inhalt des abgehörten Gesprächs durfte nicht als Beweismittel verwertet werden. Zwar würde die Anordnung der Abhörmaßnahme weder die Vorschrift des § 100f StPO verletzten noch einen Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung (s. o.) darstellen, weil der Besuchsraum in einer Haftanstalt nicht einer Wohnung gleichsteht und weil Gespräche über Straftaten, wie sie der Angeklagte mit seiner Ehefrau im vorliegenden Fall geführt hat, ohnehin nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gehören. Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden würde aber gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 MRK) verstossen. Bei dieser Wertung wäre zum einen die besondere Situation des Angeklagten in der Untersuchungshaft zu berücksichtigen, die dadurch gekennzeichnet wäre, dass die Kontaktmöglichkeiten zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau auf die genehmigten Besuche beschränkt waren und keinerlei Ausweichmöglichkeiten für private Gespräche mit höchstpersönlichem Inhalt bestanden.

Zum anderen fiele das außergewöhnliche Vorgehen der Ermittlungsbehörden ins Gewicht. Da Besuche nach § 119 Abs. 3 StPO, Nr. 27 UVollzO in der Regel erkennbar zu überwachen sind, müsste aufgrund der getroffenen Maßnahmen (Zuweisung eines separaten Besuchsraums ohne sichtbare Überwachung durch Vollzugsbedienstete) bei dem Angeklagten der Eindruck entstehen, dass er sich mit seiner Ehefrau offen und ohne die Gefahr, überwacht zu werden, über die ihm zur Last gelegten Straftaten unterhalten konnte. Angesichts der besonderen Situation des Untersuchungshaftvollzuges wäre dieses Vorgehen der Ermittlungsbehörden zur Erlangung einer prozessverwertbaren Selbstbelastung des Angeklagten schon vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verankerten Verbots eines Zwangs zur Selbstbelastung bedenklich. Zudem näherte sich die von normalen Abläufen in der Untersuchungshaft bewusst abweichende Schaffung einer unüberwacht wirkenden Gesprächssituation der Grenze zu einer unzulässigen Täuschung, auch wenn letztlich nur eine Fehlvorstellung des Angeklagten gefördert und ausgenutzt würde.