Minijobs - Fluch oder Segen?

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Welche Rechte Minijobber haben und was Arbeitgeber beachten müssen

Minijobs werden sowohl in der Politik als auch in den Medien heiß diskutiert. Die einen verteufeln sie als moderne Sklavenarbeit, die anderen loben Ihre Vorteile wie Flexibilität für Unternehmen. Was aber ist eigentlich überhaupt ein Minijob bzw. eine geringfügige Beschäftigung? Ein Interview mit Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Frank Preidel rund um das Thema Minijobs.

123recht.de: Was ist eine geringfügige Beschäftigung, im Volksmund Minijob genannt?

Rechtsanwalt Preidel: Unter einem Minijob kann man entweder eine geringfügig entlohnte Beschäftigung oder eine kurzzeitige Beschäftigung verstehen. Bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung handelt es sich um eine Beschäftigung, bei der das Arbeitsentgelt in einem Zeitraum von 12 Monaten monatlich nicht über 450€ liegt. Im Jahr darf somit nicht mehr als 5400€ Arbeitsentgelt entrichtet werden. Dabei sind auch einmalige Einnahmen wie Urlaubsgeld, die mit Sicherheit mindestens ein Mal pro Jahr gezahlt werden, zu beachten. Bei einer kurzfristigen Beschäftigung handelt es sich um eine Beschäftigung, die unabhängig vom Arbeitsentgelt nicht zwei Monate im Jahr oder aber 50 Tage im Kalenderjahr übersteigt. Diese Beschäftigung darf nicht berufsmäßig sein. Sie darf also nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts dienen. Ferner darf es sich nicht um ein Dauerarbeitsverhältnis oder um wiederkehrende Arbeitsverhältnisse handeln.

123recht.de: Was sind die Vorteile einer solchen Beschäftigungsart?

Rechtsanwalt Preidel: Der Arbeitgeber kann flexibel auf Produktionsspitzen, Nachfrageschwankungen oder Personalengpässe reagieren. Dies ist besonders für mittlere und kleinere Unternehmen vorteilhaft. Außerdem besteht für den Arbeitgeber ein geringer bürokratischer Aufwand.

Keine Unterschiede beim Arbeitsschutz zum Vollzeitarbeitnehmer

Der Arbeitnehmer muss keine Sozialabgaben oder Steuern leisten. Er genießt den gleichen Arbeitsschutz wie Vollzeitarbeitnehmer. Ihm stehen auch die gleichen Rechte wie beispielsweise bezahlter Urlaub oder Entgeltforderungen im Krankheitsfall zu. Dem Arbeitnehmer stehen darüber hinaus Rentenansprüche sowie Ansprüche aus der Unfallversicherung zu.

Diese Art der Beschäftigung fördert das "Zuverdienermodell" mit einem gering verdienenden Ehepartner. Weiterhin ist zu vermerken, dass es einen Rückgang der Schwarzarbeit gibt.

123recht.de: Was sind die Nachteile?

Rechtsanwalt Preidel: Für den Arbeitgeber ist ein Minijob teurer als eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (in Bezug auf Steuern und Abgaben). Außerdem gibt es nur einen begrenzten Arbeitsumfang. Häufig wird der Beschäftigte nicht fest in das Unternehmen eingebunden.

Dem Arbeitnehmer eröffnen sich häufig keine Perspektiven zum Aufstieg oder zur Qualifizierung. Ferner werden keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, was zu nicht ausreichenden Beträgen in den Sozialversicherungskassen führt.

Mehrere Minijobs werden addiert

123recht.de: Kann ich auch mehrere Minijobs nebeneinander machen ohne Steuern zu zahlen?

Rechtsanwalt Preidel: Das Arbeitsentgelt ist stets steuerpflichtig. Die Arbeitsentgelte der einzelnen Minijobs werden dabei addiert.

In den Lohnklassen I, II, III und IV ist bis zu einem Arbeitsentgelt von 450€ keine Lohnsteuer zu entrichten. In den Klassen V und VI sind hingegen schon geringe Arbeitsentgelte steuerpflichtig.

Allerdings ist auch eine pauschale Lohnsteuererhebung möglich. Werden Beträge in die Rentenversicherung gezahlt, so beträgt die Pauschale 2% des Arbeitsentgeltes. Werden hingegen keine Beträge in die Rentenversicherung eingezahlt, so müssen 20% des Arbeitsentgeltes abgeführt werden. Bei einer kurzfristigen Beschäftigung beträgt der Satz 25%.

123recht.de: Welche Regelungen gelten für Minijobber?

Rechtsanwalt Preidel: Minijobber müssen vom Arbeitgeber bei der Minijobzentrale gemeldet werden, wobei es auch einen Beitragsnachweis geben muss. Außerdem müssen sie bei den Sozialversicherungen, insbesondere bei der Unfallversicherung, gemeldet werden. Es ist möglich, neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung noch einen weiteren Minijob auszuführen. Bei zwei oder mehr geringfügigen Beschäftigungen besteht allerdings eine Versicherungspflicht bei der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Jedoch müssen keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge geleistet werden.

Bei mehreren geringfügigen entlohnten Beschäftigungen ohne versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung werden die Arbeitsentgelte addiert. Überschreitet dieser Betrag nicht 450€ im Monat, besteht eine Versicherungsfreiheit.

Bei einer kurzfristigen Beschäftigung addiert man hingegen die Zeiträume. Übersteigen diese nicht zwei Monate bzw. 50 Tage im Kalenderjahr, so besteht auch hier eine Versicherungsfreiheit.

Minijobber können durch Antrag von Versicherungspflicht bei der Rentenversicherung befreit werden

Bei Beschäftigungsaufnahme ab dem 1. Januar 2013 oder Anhebung des zuvor vereinbarten Arbeitsentgelt auf 400,01€ bis 450€, besteht für den Arbeitnehmer eine Versicherungspflicht bei der Rentenversicherung. Jedoch ist eine Befreiung jederzeit durch Antrag beim Arbeitgeber möglich. Wurde die Beschäftigung vor dem 1. Januar 2013 aufgenommen und übersteigt das Arbeitsentgelt nicht 450€, so ist der Arbeitnehmer von den Beträgen zur Rentenversicherung befreit. Eine Aufstockung ist aber möglich. Diese Regelungen gelten aber nicht bei einer kurzfristigen Beschäftigung.

123recht.de: Also gelten die gleichen Regelungen wie für festangestellte Vollzeitmitarbeiter, aber werden diese Regelungen in der Praxis wirklich eingehalten?

Rechtsanwalt Preidel: Minijobber haben grundsätzlich die gleichen Rechte wie Vollzeitarbeitnehmer.

Rechte des Minijobbers werden in der Praxis häufig nicht eingehalten

So muss es die Gleichbehandlung zwischen geringfügigen Beschäftigten und Vollzeitarbeitnehmer geben. Auch die Minijobber haben einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Ggf. können aber die den Vollzeitarbeitnehmern zustehenden vier Wochen Urlaub bei geringfügig Beschäftigten gekürzt werden, da bei Vollzeitarbeitnehmern von einer Sechs-Tage-Woche ausgegangen wird. Ferner gibt es einen Anspruch auf bezahlte Feiertage sowie auf eine Vergütung im Krankheitsfall. Sofern nicht im Tarifvertrag vereinbart, haben die Minijobber keinen Anspruch auf Sonderzahlungen. Für sie gelten darüber hinaus die gleichen Arbeitsschutzvorschriften wie bei vollbeschäftigten Arbeitnehmern. So finden beispielsweise auch die Mutterschutzvorschriften Anwendung. In der Praxis werden diese Rechte jedoch häufig nicht eingehalten.

123recht.de: Was kann ich tun, wenn ich glaube, dass der Arbeitgeber die Gesetze nicht einhält?

Rechtsanwalt Preidel: Grundsätzlich stehen jedem geringfügig Beschäftigten die genannten Rechte zu. Sollten diese vom Arbeitnehmer verwehrt werden, sollten sie vom Arbeitnehmer unbedingt eingefordert werden. Verweigert der Arbeitgeber diese Rechte trotzdem weiterhin, so sollte rechtliche Hilfe in Anspruch genommen werden, um diese Rechte wirksam durchzusetzen.

Wichtig kann es hierbei sein, einen schriftlichen Arbeitsvertrag zu schließen. Dieser sollte Regelungen enthalten, die die dem Arbeitnehmer zustehenden Rechte garantieren.

123recht.de: Ich arbeite nur 2 bis 3 mal die Woche, wie kann ich die gesetzlichen Bestimmungen auf mein Arbeitsverhältnis anwenden, z.B. Urlaubstage u.ä.?

Rechtsanwalt Preidel: Auch wenn nur zwei bis drei Mal pro Woche gearbeitet wird, gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Die genannten Rechte stehen dem Arbeitnehmer stets zu. Ggf. müssen sie aber modifiziert werden (wie beispielsweise der Zeitraum bezüglich des Erholungsurlaubes).

123recht.de: In der Politik werden Stimmen lauter, die diese Minijobs abschaffen wollen, warum?

Rechtsanwalt Preidel: Es ist ein Anstieg der Minijobs zu verzeichnen. Derzeit üben ca. 7 Millionen Menschen in Deutschland eine solche Art der Beschäftigung aus. Bei einer geringfügigen Beschäftigung handelt es sich um ein atypisches Beschäftigungsverhältnis, das eine Privilegierung bezüglich der Abgaben genießt. Durch diese Beschäftigungsart werden Normalarbeitsverhältnisse zurückgedrängt. Jedoch gibt es so geringe Beiträge in den Sozialversicherungen, was dazu führt, dass keine ausreichenden Ansprüche auf Altersversorgung bestehen. Es kommt folglich zur Gefahr der Armut im Alter.

123recht.de: Wie ist ihre Meinung dazu?

Rechtsanwalt Preidel: Meiner Meinung nach werden Minijobs auch in der Zukunft notwendig sein. Gerade für kleinere oder mittelständische Unternehmen ist eine hohe Flexibilität erforderlich. Sie müssen sich ständig an die Gegebenheiten des Marktes anpassen. Dazu müssen sie die Produktionsfaktoren und somit auch die Arbeitskraft stets in anderen Variationen einsetzen. Eine Planung, welche weit im Voraus erfolgt, ist dabei nicht möglich. Minijobs bieten Unternehmen die Möglichkeit, sich schnell an den Markt anzupassen und somit wettbewerbsfähig zu bleiben.

Minijobs sollten als wirtschaftliche Ergänzung dienen nicht als Ersatz für Vollzeitarbeit

Auch für Jungunternehmen sind Minijobs sehr wichtig. Es entstehen für die Unternehmen geringere Kosten als bei einer Vollzeitarbeitskraft. Vollzeitarbeitskräfte werden gerade am Beginn eines Unternehmens jedoch nicht ständig gebraucht. Dies ermöglicht den Jungunternehmen, ein gefestigtes Unternehmen aufzubauen, welches später Vollzeitarbeitskräfte beschäftigen kann. Ein weiterer Vorteil der Minijobs ist es, dass sie den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben ermöglichen. Außerdem können über dieses Instrumentarium ehemalige Arbeitnehmer beschäftigt werden, die sich mittlerweile in Rente befinden. Somit bleibt das Wissen im Unternehmen.

Insgesamt sollte also der Minijob aus diesen Gründen nicht abgeschafft werden. Jedoch sollte er auch nur dort eingesetzt werden, wo ein Vollzeitarbeitsverhältnis oder ein Teilzeitarbeitsverhältnis nicht möglich ist, um die Normalarbeitsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Es sollte folglich als wirtschaftliche Ergänzung dienen.

123recht.de: Vielen Dank Herr Preidel