Menschen auf der Flucht

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Syrische Kriegsflüchtlinge in Deutschland

Laut Zahlen der UNO befinden sich weltweit ca. 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Neben Naturkatastrophen stellen vor allem bewaffnete Konflikte seit Menschengedenken einen der Hauptgründe für Flucht dar. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Konflikte im Nahen Osten führt 123recht.de ein Interview mit Rechtsanwältin Isabelle Wachter zum Thema Kriegsflüchtlinge.

Flüchtlinge müssen zunächst das Asylverfahren erfolgreich durchlaufen

123recht.de: Frau Wachter, wann gilt man als Kriegsflüchtling?

Isabelle  Wachter
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Rechtsanwältin Wachter: Eine offizielle Anerkennung als Flüchtling erhält man erst, nachdem man ein Asylverfahren erfolgreich durchlaufen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) festgestellt hat, dass aufgrund der Situation im Herkunftsland die Voraussetzung für eine Anerkennung als Kriegsflüchtling vorliegen.

123recht.de: Als Kriegsflüchtling muss also Asyl beantragt werden?

Rechtsanwältin Wachter: Grundsätzlich ja. Es muss ein Asylantrag gestellt werden. Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies ist in § 60 Abs. 1 AufenthG normiert. Dies ist die Definition des Flüchtlingsbegriffs. Erfüllt eine Person diese Voraussetzungen, so wird sie als Flüchtling angesehen.

Darüber hinaus gibt es noch den so genannten "subsidiären Schutz" nach § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 AsylVerfG, der einem Flüchtling gewährt werden kann. Subsidiärer Schutz ist dann zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse vorliegen. Solche sind: das Drohen der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsland.

In Ausnahmefällen kann von Asylverfahren abgesehen werden

123recht.de: Ein Asylverfahren klingt langwierig und kompliziert. Gibt es, je nach Konflikt im Herkunftsland, auch Ausnahmen?

Rechtsanwältin Wachter: Ja. Aufgrund der Situation in Syrien haben die Bundesländer derzeit Erlasse herausgegeben, wonach ein bestimmtes Kontingent von Flüchtlingen aus diesem Land nach Deutschland einreisen kann, ohne dass hierfür ein Asylverfahren betrieben werden muss. Personen aus Syrien, die Verwandte in Deutschland haben, können ein Visum bei der deutschen Botschaft beantragen und zu ihren Verwandten nach Deutschland reisen, wenn diese vorher bei der zuständigen Ausländerbehörde eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben. Die Zahl der Personen, die auf diese Weise in Deutschland aufgenommen werden können, ist jedoch sehr begrenzt.

123recht.de: Welche Anlaufstellen gibt es für die meist traumatisierten Menschen nach ihrer Ankunft in Deutschland und wie erfahren die Flüchtlinge davon?

Rechtsanwältin Wachter: Es gibt Beratungsstellen für Flüchtlinge bei den kirchlichen Trägern, teilweise auch in städtischer Trägerschaft, wo ehrenamtliche Mitarbeiter die Flüchtlinge betreuen. Die Neuankömmlinge tauschen sich untereinander aus und erfahren so von den Hilfsangeboten.

123recht.de: Können Sie uns den Ablauf kurz aufzeigen: Was geschieht mit den Flüchtlingen nach ihrer Ankunft?

Flüchtlinge müssen am Ankunftsort einen Asylantrag bei der Außenstelle des BAMF stellen

Rechtsanwältin Wachter: Die Flüchtlinge müssen zunächst einen Asylantrag bei der für ihren Ankunftsort zuständigen Außenstelle des Bundesamts für Migraton und Flüchtlinge stellen und werden dann "erstbehandelt". Das heißt, es werden Fingerabdrücke genommen und es erfolgt eine Erstbefragung zu Herkunft, Identitätsdokumenten und Reiseweg.

Dann werden die Flüchtlinge in eine Erstaufnahmeeinrichtung (Unterkunft) geschickt, wo sie zunächst verbleiben und auf den Fortgang ihres Asylverfahrens warten müssen. Die Flüchtlinge verbleiben meist nicht in der Erstaufnahmeeinrichtung, sondern werden je nach Kapazität auf die Bundesländer verteilt. Manche Flüchtlinge müssen in den ersten Wochen ihres Aufenthalts in Deutschland mehrfach ihr "Quartier" wechseln.

123recht.de: Gibt es bundesweit Unterschiede in der Behandlung der Flüchtlinge?

Rechtsanwältin Wachter: Zunächst besteht hier ein großes Gefälle zwischen den nördlichen und den südlichen Bundesländern. Aufgrund dessen, dass die meisten Flüchtlinge zunächst durch südlicher gelegene europäische Länder, wie zum Beispiel Italien oder Griechenland durchreisen, bis sie schließlich in Deutschland ankommen, gibt es in den südlichen Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg ein höheres Flüchtlingsaufkommen. Die Flüchtlinge unterscheiden ja nicht, in welchem Bundesland sie sind. Sie wissen nur, dass sie deutschen Boden erreicht haben und melden sich in dem Bundesland als Asylsuchende, das sie als erstes betreten. Daher kommt es, dass gerade Bayern und Baden-Württemberg geradezu überschwemmt sind von Flüchtlingen und deren Unterbringung kaum noch bewerkstelligen können.

Ich persönlich habe schon schlimme Berichte über die Unterbringung in Heimen in den erwähnten Bundesländern gehört.

Es gibt daher sehr große Unterschiede, wie Flüchtlinge in Deutschland behandelt und untergebracht sind. Es besteht hier ein großes Gefälle zwischen den nördlichen und den südlichen Bundesländern. Dies liegt daran, dass die Bundesländer und das BAMF mit der Bearbeitung der Anträge der Flüchtlingsströme und mit der Unterbringung der Flüchtlinge überfordert sind. In manchen Bundesländern müssen die Gemeinden neue Gebäude anmieten, um die Flüchtlinge überhaupt noch beherbergen zu können. Teilweise werden alte Gebäude, die eigentlich nicht mehr benutzt werden, zu Flüchtlingsheimen umfunktioniert.

Flüchtlinge haben Anspruch auf Unterkunft und einen bestimmten Geld-Betrag bzw. Essensgutscheine

123recht.de: In der Bayern-Kaserne mussten Flüchtlinge laut Medienberichten anscheinend ohne Decke im Freien schlafen. Welche Rechte haben Flüchtlinge?

Rechtsanwältin Wachter: Die Flüchtlinge haben ein Recht auf Leistungen nach dem AsylBewlG (Asylbewerberleistungsgesetz). Sie erhalten Unterkunft und einen bestimmten Betrag Geld monatlich zum Leben. Allerdings gibt es auch Gemeinden oder Sozialämter, die Essensgutscheine an die Flüchtlinge ausgeben, anstatt ihnen das Geld auszuzahlen.

123recht.de: Dürfen sich Kriegsflüchtlinge frei im Bundesgebiet bewegen?

Rechtsanwältin Wachter: Nein. Die Flüchtlinge erhalten nach der Asylantragstellung zunächst eine Aufenthaltsgestattung. Sie dürfen sich nur innerhalb des Bundeslandes bewegen, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Auf der Aufenthaltsgestattung wird der Umkreis, in dem sich die Flüchtlinge bewegen dürfen, deutlich lesbar aufgedruckt. Den Betroffenen ist die räumliche Beschränkung ihres Aufenthalts für die Dauer des Asylverfahrens auch in der Regel bewusst. Ein Verlassen des Bereichts, auf den der Aufenthalt beschränkt ist, ist strafbar nach dem AufenthG. Bei einem ersten Vertoß muss in der Regel mit einer Geldstrafe gerechnet werden. Bei widerholten Verstößen kann auch schon einmal eine Freiheitsstrafe mit Bewährung verhängt werden.

123recht.de: Ich möchte helfen, was kann ich machen?

Rechtsanwältin Wachter: Sie können sich an religiöse oder karikative Einrichtungen wenden. Diese unterstützten die Flüchtlinge, geben diesen bei Bedarf auch Geld oder Sachspenden. Bei manchen Gemeinden kann man sich freiwillig melden, wenn man gern Flüchtlinge betreuen möchte. Gegebenenfalls muss man sich bei der Stadt oder beim Landkreis erkundigen, ob ehrenamtliche Helfer gesucht werden.

Sie können auch privat z.B. eine Sammelaktion für eine bestimmte Flüchtlingsunterkunft starten, in der die Situation und Unterbringung der Flüchtlinge besonders schlecht ist.

Privatpersonen dürfen keine Flüchtlinge aufnehmen

123recht.de: Kann ich auch selbst Flüchtlinge aufnehmen? Wer wäre dafür der Ansprechpartner?

Rechtsanwältin Wachter: Die Aufnahme eines Flüchtlings in den eigenen Privathaushalt ist nicht möglich. Wenn Sie Eigentümer oder Nutzungsberechtigter eines Gebäudes sind, das sich für die Unterbringung von Flüchtlingen eignet, wenden Sie sich an die Stadtverwaltung oder Ihren Landkreis und teilen Sie dies dort mit. Sollten Engpässe bei der Unterbringung der Flüchtlinge bestehen, wird man eventuell auf Sie zukommen.

123recht.de: Vielen Dank!

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