Maut-Umgehungsverkehr: Auch Bundesstraßen können für LKW´s gesperrt werden

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Das Problem

Von Rechtsanwalt Matthias Möller-Meinecke

Seit gut einem Jahr ist das Lkw-Mautsystem in Betrieb. Knapp 735.000 Lkws aus dem In- und Ausland sind beim deutschen Laster-Inkasso angemeldet. Auch viele Osteuropäer rüsten ihre Brummis mit den so genannten On-Board-Units (OBU) aus; zu 86 Prozent wird dies automatische Buchungssystem über die Bordgeräte genutzt. Nur 14 Prozent tippen ihre Tour an den 3,580 Mautterminals oder im Internet ein.

Drei Milliarden Euro hatte die Bundesregierung als Einnahmen im Bundeshaushalt eingeplant. Aber die Einnahmen liegen unter den Erwartungen, weil Teile des Schwerverkehrs auf das Bundesstraßennetz auweicht und in den engen Ortsdruchfahrten Unfallrisiken verschärft und die Anwohner durch Lärm und Abgase erheblich beeinträchtigt. Dieser Ausweichverkehr von Mautflüchtern parallel der Autobahnen ist für zahlreiche Bürgermeister und Straßenanwohner daher weit mehr als ein Ärgernis.

An 1.300 Mautzählstellen überwacht der Bund mögliche Ausweichmanöver. Aber nur an zehn bis 15 Bundesstraßen ist zukünftig eine Mautpflicht geplant. Zu wenig, wie die Auswertung der hessischen Mautzählstellen mit eindrucksvollen Zahlen belegt: Spitzenreiter sind die B 3 in Niederweimar mit 3008 LKW/24 Std.) und die B 49 in Solms (2513 LKW/d). Hohe Zuwachsraten gegenüber den Vergleichsmonaten des noch mautfreien Jahres 2004 zeigen auch die B 3 in Butzbach (+83 %), die B 417 in Kirberg, die B 8 in Königstein im Taunus (+75 %) und die B 44 in Lampertheim (+88 %).

Das Hessische Verkehrsministerium hat am 5. August 2005 ein Fahrverbot für den Lkw-Durchgangsverkehr über 3,5 t auf dem 118 km langen Teilstück der B 27 zwischen den Anschlussstellen Fulda-Nord (A 7) und Friedland (A 38) angeordnet. Der Betreiber einer der speziell auf den Lkw-Verkehr ausgerichteten Tank- und Rastanlage an der gesperrten Bundestraße hat diese Entscheidung vor Gericht angefochten und geltend gemacht, die auf ein Jahr befristete Teilsperrung führe zu erheblichen Umsatzeinbußen und gefährde Arbeitsplätze.

Die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 16.01.2006

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Beschluss vom 16. Januar 2006 in einem Eilverfahren entschieden, dass das Fahrverbot für den Lkw-Durchgangsverkehr über 3,5 t rechtmäßig ist.

  1. Sperrung auf Probe für 12 Monate zulässig

    Nach Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ermächtigt die Straßenverkehrsordnung die zuständigen Behörden, Verkehrsverbote auch "zur Erforschung des Verkehrsverhaltens und der Verkehrsabläufe" sowie "zur Erprobung geplanter verkehrsregelnder Maßnahmen" zu erlassen. Ein triftiger Grund für die grundsätzlich auf ein Jahr beschränkte Erprobung des angeordneten Verkehrsverbotes sei darin zu sehen, dass die hier gesperrte Bundesfernstraße wegen Umgehung der Autobahn-Maut seit dem 1. Januar 2005 mit zusätzlichem Schwerverkehr belastet sei, dessen Umfang ermittelt werden müsse, um auf gesicherter Erkenntnisgrundlage anschließend entscheiden zu können, ob ein auf Dauer angelegtes Lkw-Fahrverbot aus Lärmschutzgründen in Betracht komme.

  2. Bewertung des Verkehrslärms steht aus

    Ungewiss ist nach Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hingegen, ob die bislang vorliegenden Erkenntnisse der Straßenverkehrsbehörde über die Belastung der B 27 zwischen den Autobahnanschlussstellen Fulda-Nord (A 7) und Friedland (A 38) nach der Einführung der Autobahn-Maut sowie über den auf die Nord-Süd-Autobahn zu verlagernden Schwerverkehrsanteil ein solches Verbot auf Dauer rechtfertigen können. Insbesondere erscheine nach dem zurzeit verfügbaren Datenmaterial zweifelhaft, ob das streitige Fahrverbot geeignet und erforderlich ist, um eine von der Wohnbevölkerung wahrnehmbare Verringerung des Verkehrslärms auf der Bundesstraße zu erreichen.

    Außerdem weist der Hessische Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass die gegenwärtig noch nicht abschließend zu beantwortende Frage zu beachten sei, ob das angeordnete Fahrverbot auf einer Streckenlänge von 118 km mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren ist.

    Der Beschluss ist unanfechtbar (Aktenzeichen: 2 TG 2606/05)

Konsequenz für die Praxis

Das LKW-Durchfahrtsverbot bewirkte auf der B 27 seit August 2005 einen drastischen Rückgang des Schwerverkehrs um durchschnittlich 60 % (z.B. von 4256 LKW im April 2005 auf 1101 LKW im September 2005 in Hoheneiche). Beim Rest handelt es sich um Nahverkehr, Fernverkehr mit einem Ziel in der Region oder schlicht um Schwarzfahrer.

Dieser Erfolgszahlen belegen eine Halbierung des Lärms für die gestressten Anwohner und einen erheblichen Sicherheitsgewinn gerade für Kinder und Alte.

Die Anwohner auch an weiteren Maut-Ausweichstrechen können als Konsequenz unter Berufung auf die Gerichtsentscheidung ebenfalls eine probeweise LKW-Sperrung ihrer Bundesstraße für ein Jahr beantragen, um die Umgehung der Mautpflicht zu ermitteln.

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