Das Lügerecht des Arbeitnehmers im Rahmen einer Bewerbung

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Fragerecht des Arbeitgebers im Vorstellungsgespräch: Die Frage nach bereits eingestelltem Ermittlungsverfahren

Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitgeber bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nicht jede Frage des Arbeitgebers zulässig ist. Bei unzulässigen Fragen hat der Arbeitnehmer ein Recht zur Lüge.

Bei Fragen nach Vorstrafen gilt im Einstellungsgespräch, dass Strafen, die mittlerweile aus dem Bundeszentralregister gelöscht sind, nicht mehr angegeben werden müssen. Alle anderen Vorstrafen müssen nur dann genannt werden, wenn diese für den Beruf von zentraler Bedeutung sind. An der Beantwortung solcher Fragen hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse.

Serkan Kirli
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Der Arbeitgeber darf hingegen bei einem Bewerbungsgespräch nicht nach den Ermittlungsverfahren fragen, die die Staatsanwaltschaft gegen den Bewerber in den letzten Jahren geführt hat und die zu keiner Verurteilung geführt haben.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 15.11.2012, Az. 6 AZR 339/11, entschieden, dass der Arbeitnehmer (Bewerber) auf die Frage nach den gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren lügen darf. Die aufgrund einer wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage ausgesprochene Kündigung durch den Arbeitgeber ist nichtig. Durch eine derartige Kündigung wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers verletzt.

Fragen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet. Verneint dies der Bewerber wahrheitswidrig, darf der Arbeitgeber nicht wegen dieser wahrheitswidrig erteilten Auskunft kündigen.

Eine derartige Frage verstößt gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG).

Der Sachverhalt - Lehrer verschweigt Ermittlungsverfahren

Der Kläger bewarb sich im Jahre 2009 als Lehrer an einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung musste er schriftlich mittels Vordrucksformular angeben, ob er vorbestraft sei und dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei. Der Kläger gab keine Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren. Zum 15. September 2009 wurde er eingestellt.

Fristlose Kündigung wegen eingestellter Ermittlungsverfahren

Einige Wochen später erhielt die zuständige Bezirksregierung einen anonymen Hinweis, der sie veranlasste, die Staatsanwaltschaft um Mitteilung strafrechtsrelevanter Vorfälle zu bitten. Die daraufhin von der Staatsanwaltschaft übersandte Vorgangsliste wies mehrere eingestellte Ermittlungsverfahren aus. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, weil der Kläger unwahre Angaben gemacht habe.

Vorinstanzen sahen die Kündigungen als unwirksam an

Das Arbeitsgericht sah die außerordentliche Kündigung, das Landesarbeitsgericht hingegen auch die ordentliche Kündigung als unwirksam an. Die hiergegen eingelegte Revision des beklagten Landes blieb erfolglos.

Die Entscheidung des BAG

Eine Datenerhebung, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, ist nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt. Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und sind damit nach § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen nicht gestattet.

Gericht:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2012 - 6 AZR 339/11

Vorinstanz:
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10.03.2011 - 11 Sa 2266/10

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