Landgericht Köln: 20.000 Euro Schmerzensgeld nach Busunfall

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Für Gefährdungshaftung des Dienstleistungsunternehmen genügt ausschließlich die Betriebsgefahr des Busses

Ein Kölner Dienstleistungsunternehmen, das den öffentlichen Personennahverkehr für den Großraum Köln organisiert und unterhält, wurde vom Landgericht Köln mit Urteil vom 03.07.2014 (Az.: 30 O 133/12) zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro und zum Ersatz aller sonstigen Schäden aus einem Verkehrsunfall mit einem Linienbus verurteilt.

Der Sachverhalt: Unfall mit einem Linienbus

In einer kurzen Meldung hat die Kölnische Rundschau am 10.02.2012 den Verkehrsunfall wie folgt zusammengefasst:

Thilo Wagner
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„MÄDCHEN MIT BEIN UNTER BUS Overath/Much. Am Overather Busbahnhof ist am Mittwochabend eine 15-jährige aus Much mit einem Bein unter einen Linienbus geraten und schwer verletzt worden. Wie die Polizei gestern berichtete, wartete das Mädchen gegen 20:00 Uhr mit anderen Fahrgästen auf den Bus der Linie 310 (Overath- Gummersbach). Als der 57 -jährige Busfahrer sich der Haltestelle näherte, knickte die fünfzehnjährige um und geriet seitlich vor dem Bus. Ein Bein wurde überrollt. (sb.)"

Nach dem Busunfall verweigerte das Kölner Verkehrsunternehmen die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz an das verletzte Mädchen, da sie selbst schuld an dem Unfall gewesen sei. Schließlich habe das Mädchen zu nah am Bordsteinrand auf den Bus gewartet und sei dann mit dem Fuß umgeknickt und vor den einfahrenden Bus gefallen. Der Sturz des Mädchens sei alleine darauf zurückzuführen, dass sie Schuhe mit zu hohen Keilabsätzen getragen habe. Hierfür könne der Busfahrer nichts.

Nach der endgültigen Verweigerung von Schmerzensgeld- und Schadenersatzzahlungen erhob das durch die Kanzlei WAGNER HALBE Rechtsanwälte - Köln vertretene Mädchen gegen das Kölner Verkehrsunternehmen Klage vor dem Landgericht Köln. Die Klägerin machte dabei unter anderem geltend, dass der Bus mit zu hoher Geschwindigkeit in dem Busbahnhof eingefahren und der Sturz vor den einfahrenden Bus durch eine Berührung mit dem weit nach außen ragenden Seitenspiegel des Fahrzeugs verursacht worden sei.

Das Urteil des Landgerichts Köln: 20.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz

Das Landgericht Köln gab dem verletzten Mädchen recht und führte in den Entscheidungsgründen folgendes aus:

„Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 € gegen die Beklagten zu 1) (Busunternehmen) und zu 2) (Busfahrer) aus den §§ 7, 18, 11 S. 2 StVG zu.

Die Haftung der Beklagten zu 1) ergibt sich aus § 7 Absatz 1 StVG, da sich der streitgegenständliche Unfall beim Betrieb des Linienbusses, deren Halter die Beklagte zu 1) ist, ereignet hat. Da § 7 StVG eine Gefährdungshaftung darstellt, ohne dass ein Verschulden notwendig ist, muss sich ausschließlich die Betriebsgefahr des Busses durch diesen Unfall realisiert haben, was unzweifelhaft der Fall war. Das vorliegen höherer Gewalt im Sinne von § 7 Absatz 2 StVG kann nicht angenommen werden.

Ob die Klägerin daher durch ein Zusammenstoß mit dem Außenspiegel des Busses zu Fall kam oder in der Folge eines umgeknickt Flusses auf die Fahrbahn stürzte, ist für die Begründung der Haftung der Beklagten zu 1) unerheblich.

Ein Verschulden des Beklagten zu 2), welches sich die die Beklagte zu 1) zurechnen lassen müsste, steht nach Auffassung der Kammer jedoch ebenso wenig positiv fest, wie ein Mitverschulden der Klägerin gemäß § 9 StVG.

Eine Enthaftung für die nach § 7 StVG begründete Betriebsgefahr über § 9 StVG ist im Rahmen der Abwägung nach § 9 StVG, § 254 BGB möglich, wobei aber nur solche Umstände berücksichtigt werden, die zweifelsfrei feststehen. Sowie die Beweislast für die die Betriebsgefahr des motorisierten Verkehrsteilnehmers erhöhenden Umstände beim Fußgänger liegen, trägt der motorisierte Verkehrsteilnehmer die Beweislast für eine Mitverursachung oder Mitverschulden des Fußgängers (OLG Nürnberg, Urteil vom 23. November 2004 – 3 U 2818/04, ZGS 2005, 119-120, juris: Tz. 33).

Es ist nach der Überzeugung der Kammer nicht nachgewiesen, dass die Klägerin durch den Außenspiegel des Busses oder ein anderes Fahrzeugteil kurz vor ihrem Sturz berührt worden ist.

Das durch das erkennende Gericht eingeholte Sachverständigengutachten konnte den genauen Unfallhergang nicht hinreichend klären. Wie der Sachverständige ausführt, sind der exakte Unfallablauf und insbesondere die Anfahrt des Busses an den Bussteig sowie die exakte Fahrlinie des Busses in diese Endlage mangels Spuren nicht rekonstruierbar. Soweit die Klägerin behauptet hat, durch den Außenspiegel des Busses berührt und dadurch zu Fall gebracht worden zu sein, so ist dieser Vortrag durch die Feststellungen des Gutachtens jedoch widerlegt.....

Anhaltspunkte für eine schuldhafte unangepasste Fahrweise des Beklagten zu 2) sind nicht positiv feststellbar.

Ein Mitverschulden gemäß § 9 StVG in Verbindung mit § 254 BGB ist vorliegend nicht feststellbar, so dass eine Anspruchskürzung ausscheidet.

§ 9 StVG in Verbindung mit § 254 BGB beschränkt die Ersatzpflicht des Schädigers, wenn bei Entstehung oder bei Entwicklung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Da die Rechtsordnung die Selbstgefährdung nicht verbietet, bedeutet Verschulden nicht ein vorwerfbares, rechtswidriges Verhalten einer gegenüber einem anderen oder der Allgemeinheit obliegenden Rechtspflicht. Verschulden im Sinne des § 54 BGB ist vielmehr ein vorwerfbarer Verstoß gegen Gebote des eigenen Interesses, die Verletzung einer sich selbst bestehenden Obliegenheit. Dies beruht auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer acht lässt, die nach der Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, die Kürzung seines Schadensersatzanspruchs hinnehmen muss oder gar ein Entfallen, bei grob verkehrswidrigen Verhalten (Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04. Juli 2013 – 4 U 65/12, Schaden-Praxis 2014, 40-44, juris: Tz. 62).

Ein solches Verhalten der Klägerin steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Das bloße Umknicken eines Fußes als Folge eines häufig nicht willensgesteuerten Momentversagens reicht zur Annahme eines Verschuldens im Sinne des § 254 BGB nicht aus.

In der mündlichen Verhandlung hat keiner der Zeugen - anders als noch im Rahmen des Strafverfahrens - Angaben dazu gemacht, dass die Klägerin wegen ihres Schuhwerks unsicher auf den Beinen gewesen sei. Aber selbst die Angaben im Strafverfahren reichen nicht aus, um ein Mitverschulden der Klägerin zu begründen. Keiner der Zeugen hat erklärt, dass die Klägerin in seiner Gegenwart bereits zuvor einmal umgeknickt oder gegen Dritte gestoßen sei. Damit ist nicht sicher feststellbar, dass die Klägerin wegen einer Gangunsicherheit aufgrund ihrer Keilabsätze oder aufgrund eines Momentversagens umgeknickt ist.

Es ist zur Überzeugung des Gerichts auch nicht feststellbar, dass die Klägerin unvertretbar scharf an der Bordsteinkante gestanden hat oder entlang gelaufen ist....

Ausgehend von einer 100-prozentigen Haftung der Beklagten zu 1) rechtfertigen die Verletzungen der minderjährigen Klägerin das von ihr angestrebte Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro (vgl. LG Augsburg, Urteil vom 10. Januar 1989 – zfs, 1989, 120).

Eine Haftung des Beklagten zu 2) besteht nach § 18 StVG....wenn der Busfahrer den vorderen und den seitlichen Bereich der Haltestelle beim Einfahren vollumfänglich im Blick gehabt hätte, wäre ihm aufgefallen, dass die Klägerin zunächst gegen den Bus gestürzt ist. Ein entsprechendes Klatschen hat er auch wahrgenommen. Dies hätte ihn zum sofortigen Bremsen veranlassen müssen. Letzteres hat sich jedoch im Rahmen der Beweisaufnahme nicht feststellen lassen. Hiernach hat der Bus erst angehalten, nachdem er bereits über das Bein der Klägerin gefahren ist."

Sämtliche Kosten des Verfahrens wurden den Beklagten auferlegt.

Fazit:

Unfallverursacher und Kfz-Versicherer versuchen häufig mit allen Mitteln, die Ansprüche der betroffenen Unfallopfer auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz abzuwehren. Hierbei bedienen sie sich oft aller möglichen rechtlicher Kniffe und Tricks. Ein schneller und vollständiger Schadensausgleich lässt sich ohne anwaltliche Hilfe dann häufig kaum erreichen. Aus diesem Grund sollte bei jedem Unfallschaden ein im Verkehrsrecht versierter Rechtsanwalt an der Seite der Unfallgeschädigten stehen. Der Anwalt im Verkehrsrecht hilft sofort, führt die notwendige Korrespondenz mit allen Beteiligten, wie Versicherungen, Behörden, Polizei und Ärzten und sorgt so für eine optimale Schadensabwicklung. Da auch die Rechtsverfolgungskosten einen Teil des Unfallschadens darstellen, erfolgt die anwaltliche Dienstleistung bei einem vollen Verschulden der Gegenseite dabei sogar völlig kostenlos.

WAGNER HALBE Rechtsanwälte

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