Kurze Darstellung zur Entwicklung des Reiserecht

Mehr zum Thema: Reiserecht, Reise, Rechte, Mängel, Reisende, BGH, Eugh, Vorauszahlung
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Rechte von Reisenden bei Mängeln

Das Reiserecht hat in den letzten Jahren juristisch an Bedeutung gewonnen. Nicht erst seit der Einführung der §§ 651a ff. BGB, zur Umsetzung der Richtlinie 90/314/EWG des Europäischen Parlaments, sondern vor allem wird das Reiserecht heute auch stark geprägt durch Europäische Vorschriften, zum Beispiel durch die 17. Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen.

Geprägt wird das Reiserecht aber auch durch das Werkvertragsrecht. Die §§ 631ff. BGB spielen zum Beispiel im Rahmen der bloßen Buchung eines Fluges oder einer Bahnfahrt eine Rolle.

Die Rechtsprechung zu den sogenannten Mängeln bei Pauschalreisen im Reiserecht ist Legion. Ob Ungeziefer vor Ort, mangelnde Leistungen, verdreckte Unterkunft, es gibt kaum Themen in diesem Bereich des Reisrechts, mit denen deutsche Gericht sich nicht schon einmal beschäftigen mussten.

Das LG Köln hat in einer Entscheidung aus 2015 (Urteil vom 24.08.2015 – 2 O 56/15) den Reisenden gegen den Veranstalter Minderungs- und Schadenersatzansprüche zugesprochen, weil diese an akutem Durchfall erkrankt waren, was offensichtlich auf das Einleiten von Abwässern einer städtischen Klärwerkes in der Nähe des Hotels zurückzuführen war. Das Gericht bejahte eine Nebenpflichtverletzung des Veranstalters, wegen unzureichender Aufklärung.

Im Rahmen der Anschläge von Paris und Brüssel müssen sich zudem die Reiseveranstalter mit Kündigungen wegen höherer Gewalt (§ 651j BGB) auseinandersetzen. Ob dabei vereinzelte Terroranschläge im Sinne dieser Vorschrift im Reiserecht ausreichen, um eine entsprechende Kündigung zu rechtfertigen, ist eine Frage des Einzelfalls und muss jeweils gesondert geprüft werden.

Die in den letzten Monaten viel diskutierte Vorauszahlungspflicht bei einer „Nur-Flug-Buchung" hat sich jetzt durch eine Entscheidung des BGH erledigt.

Während im Pauschal-Reiserecht eine kurzfristige, vollständige Anzahlung der Reise über Allgemeine Geschäftsbedingungen untersagt ist, kamen die Karlsruher Richter bei einer Flugbuchung dazu, dass die komplette Vorauszahlung keine unangemessene Benachteiligung des Kunden darstelle.

„Die Verpflichtung des Fluggasts, das Beförderungsentgelt bei Vertragsschluss zu entrichten, widerspricht nicht wesentlichen Grundgedanken des Personen(Luft)beförderungsrechts (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Auch wenn der Personenbeförderungsvertrag grundsätzlich als Werkvertrag zu qualifizieren ist, können die werkvertraglichen Regelungen das Leitbild des Personenbeförderungsvertrags allenfalls mit erheblichen Einschränkungen bestimmen. Insbesondere wird der Personenbeförderungsvertrag nicht derart von den Regelungen zur Fälligkeit der werkvertraglichen Vergütung nach §§ 641, 646 BGB und zur Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 BGB geprägt, dass Vorauszahlungsklauseln als unvereinbar mit dem gesetzlichen Gerechtigkeitsmodell anzusehen wären. Denn bei der Personenbeförderung besteht kein Sicherungsrecht für den Vergütungsanspruch des Unternehmers, der einerseits ungesichert der Gefahr von Zahlungsausfällen in erheblicher Größenordnung ausgesetzt, aber andererseits kraft Gesetzes zur Beförderung verpflichtet wäre. Eine Vertragsgestaltung, bei der das Beförderungsentgelt erst bei Ankunft am Zielort zur Zahlung fällig würde, wäre beim Massengeschäft der Fluggastbeförderung im Linienverkehr weder interessengerecht noch praktikabel."

BGH, Urteil vom 16.02.2016 – X ZR 97/14, X ZR 98/14 und X ZR 5/15

Im Reiserecht spielt auch zunehmend der Versicherungsschutz eine große Rolle. Reiserücktrittsversicherungen wie auch Abbruchversicherungen gehören zum Standard bei Pauschalreisen und stellen ein taugliches Instrument dar, bei wenig Geldaufwand sich über Ausfallkosten bei Erkrankung und anderen Lebensumständen abzusichern.

Bei Streitigkeiten aus dem jeweiligen Versicherungsvertrag, die mit dem Versicherer geführt werden mussten, war es bisher problematisch, an welchem Ort der Versicherungsnehmer die Klage erheben konnte. § 215 I VVG gab dafür bei Verbrauchern bisher eine eindeutige Antwort: Klagen konnte man auch am Wohnsitz. Das war bei juristischen Personen bis dato streitig.

Das OLG Schleswig und auch das OLG München haben diesen Weg nunmehr auch juristischen Personen eröffnet, wie zum Beispiel einer GmbH die eine Pauschalreise für Mitarbeiter bucht und bei dieser Gelegenheit eine Reiseversicherung abschließt. Es wird sich zeigen, ob der BGH sich den Entscheidungen im Reiserecht der beiden Oberlandesgerichte anschließt. (vgl. bei Staudinger/Bauer, NJW 2016, 913ff.)

Der Begriff der „unerwartet schweren Erkrankung" ist in den meisten Versicherungsbedingungen der Reiseversicherer der Dreh- und Angelpunkt juristischer Auseinandersetzungen im Reiserecht.

Denn gesetzlich definiert ist der Begriff nicht und wird erst im Wege der Auslegung durch das Gericht mit „Leben" erfüllt. Deswegen hat der Bund der Versicherten e.V. vor dem LG Hamburg eine Klage angestrengt, die klären soll, ob dieser Begriff im Rahmen des Reisrechts bzw. Reiseversicherungsrechts noch weiter genutzt werden darf (vgl. bei Staudinger /Bauer NJW 2016, 913ff.).

Die im Zusammenhang mit den Unglücken von Airbus in Frankreich oder dem Bahnunglück von Bad Aibling viel diskutierte Frage der „Angehörigen – Schmerzensgeld – Entschädigung" ist nach wie vor nicht endgültig beantwortet. In Deutschland gibt es dazu kein konkretes Gesetz, welches in solchen Fällen im Reiserecht einen Anspruch auf Entschädigung eröffnet.

Der EuGH stellt bei solchen Fällen (der „indirekten Schadensfolge) auf das Recht desjenigen Staates ab, in welchem der Verunglückte den Schaden erlitten hat (vgl. bei Staudinger/Bauer in NJW 2016, 913ff.).