Kündigungsschreiben erhalten? Erste Hilfe für Arbeitnehmer

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Welche Fristen müssen eingehalten werden, welchen Fehler sollte der gekündigte Arbeitnehmer jetzt nicht begehen?

Eine Kündigung vom Arbeitgeber zu erhalten ist oft schlimm, neben der persönlichen Kränkung stehen plötzlich finanzielle Sorgen im Raum. Jetzt nur keinen Fehler machen! Erste-Hilfe-Tipps hat Rechtsanwalt Alexander Dietrich im Interview mit 123recht.de.

123recht.de: Eine Kündigung muss schriftlich erfolgen, nicht wahr Herr Dietrich? Gibt es Ausnahmen?

Alexander Dietrich
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Rechtsanwalt Dietrich: Korrekt, das Gesetz sieht in § 623 BGB für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen die Schriftform vor. Dies bedeutet, dass die Kündigung schriftlich abgefasst und auch unterschrieben sein muss. Daher ist es etwa nicht zulässig, per E-Mail oder Fax zu kündigen.

Ausnahmen von der Schriftform sind grundsätzlich nicht vorgesehen, allerdings sah das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in einem besonderen Fall auch eine mündliche Kündigung indirekt für wirksam an. In diesem Fall hatte eine Angestellte aus Wut am Telefon gekündigt und der Arbeitgeber anschließend die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund schriftlich ausgesprochen. Das Gericht entschied hierbei, dass sich die Arbeitnehmerin nicht auf die Formunwirksamkeit ihrer Kündigung berufen kann, um sich gegen die fristlose Kündigung zu wehren.

Arbeitnehmer kann Anspruch auf Begründung haben

123recht.de: Muss der Arbeitgeber in dem Schreiben seine Kündigung begründen?

Rechtsanwalt Dietrich: In der Regel muss die Kündigung des Arbeitgebers keine Begründung enthalten. Es gibt allerdings Ausnahmen für die Kündigung eines Auszubildenden nach der Probezeit (§ 22 Abs. 3 BBiG) und für die Kündigung einer Schwangeren (§ 17 Abs. 2 Mutterschutzgesetz).

Außerdem kann eine Begründung arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich vorgeschrieben sein.

Die mangelnde Begründung führt in diesen Fällen allerdings nicht zwingend zur Unwirksamkeit, sondern löst mitunter lediglich Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers aus.

Kündigt der Arbeitgeber außerordentlich bzw. fristlos, so hat der Arbeitnehmer zudem einen Anspruch auf Mitteilung des Kündigungsgrundes, der sich aus § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB ergibt.

Auch wenn das Arbeitsverhältnis in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (abhängig von der Zahl der Beschäftigten beim Arbeitgeber) fällt, kann ein Anspruch auf Begründung bestehen. In diesen Fällen führt die fehlende Begründung allerdings ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit, sondern lediglich zu Schadensersatzansprüchen.

Sofort zur Arbeitsagentur!

123recht.de: Der Schock sitzt tief, doch sollte jetzt nicht in Schockstarre verfallen werden. Welches ist der allererste Schritt nach Erhalt der Kündigung?

Rechtsanwalt Dietrich: Um eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu vermeiden, sollte man sich unverzüglich bei der Arbeitsagentur melden. Im nächsten Schritt sollte man sich überlegen, ob man gegen die Kündigung vorgehen möchte und eventuell anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um überprüfen zu lassen, ob sich ein Vorgehen gegen die Kündigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage lohnt.

123recht.de: Ich habe keinen neuen Job in Aussicht, wie schnell muss ich beim Arbeitsamt vorsprechen?

Rechtsanwalt Dietrich: In § 38 SGB III ist geregelt, dass sich Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis endet, drei Monate vor Ende der Beschäftigung persönlich arbeitsuchend melden müssen.

Bei kürzeren Kündigungsfristen (weniger als 3 Monate) ist die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes notwendig.

Bei einer fristlosen Kündigung sollte man sich sofort bei der Arbeitsagentur melden. Bei Verspätungen droht eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld.

123recht.de: Viele Arbeitnehmer sind so betroffen, dass sie sich arbeitsunfähig schreiben lassen müssen, welche Konsequenzen zieht das nach sich, auch in Bezug auf die Meldung beim Arbeitsamt?

Rechtsanwalt Dietrich: Dies kann problematisch werden, wenn man sich vor Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig meldet. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht für die Dauer des Krankengeldbezuges nicht, wenn die Krankheit schon vor der Arbeitslosigkeit begonnen hat.

Eine Krankschreibung sollte man sich daher gut überlegen, insbesondere wenn kein nahtloser Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis gewährleistet ist.

Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen erfolgen

123recht.de: Stichwort Kündigungsschutzklage: Wie lange kann ich mir überlegen, ob ich diesen Schritt gehen will?

Rechtsanwalt Dietrich: Es ist Eile geboten, denn das Gesetz sieht in § 4 KSchG eine relativ kurze Frist vor. Danach muss die Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht erhoben werden.

Nach Ablauf dieser Frist wird die Kündigung wirksam, auch wenn sie eigentlich unzulässig gewesen wäre. In Ausnahmefällen, beispielsweise der Nichteinhaltung der Klagefrist wegen längeren Urlaubes, kann das Arbeitsgericht die Klage trotz Verspätung zulassen.

123recht.de: Was ist der Unterschied zwischen einer Kündigung und einem Aufhebungsvertrag und welche Vor- oder Nachteile für den Arbeitnehmer bringt ein Aufhebungsvertrag mit sich?

Rechtsanwalt Dietrich: Beide Wege führen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Allerdings können Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen eines Aufhebungsvertrages besondere Vereinbarungen treffen, wie etwa die Festlegung einer Abfindung oder auch das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen bestimmten Termin legen.

Der Nachteil eines Aufhebungsvertrages gegenüber einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber ist, dass der Aufhebungsvertrag zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führt. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Aufhebungsvertrag der einzige Ausweg für den Arbeitnehmer gewesen ist, da es ansonsten ohnehin zu einer Kündigung durch den Arbeitgeber gekommen wäre.

123recht.de: Gibt es einen typischen Fehler, den gekündigte Arbeitnehmer häufig machen, also etwas, wovon Sie nur abraten können?

Rechtsanwalt Dietrich: Man sollte sich mit der Kündigung nicht einfach abfinden, weil man der Auffassung ist, dass man beim Arbeitgeber ohnehin keine Zukunft mehr hat. Denn nicht immer ist eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vor Gericht das Ziel, sondern in sehr vielen Fällen kann man vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich schließen und erhält so zumindest einen nicht zu verachtenden Geldbetrag im Ausgleich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Machen Sie Ihre Ansprüche geltend

123recht.de: Und zu guter Letzt: Welchen Rat geben Sie unseren Lesern mit auf den Weg?

Rechtsanwalt Dietrich: Man sollte die Ruhe bewahren, nachdem man eine Kündigung erhalten hat. Nicht immer ist der sofortige der Gang zum Anwalt erforderlich. Man kann sich auch zunächst selbst im Internet darüber informieren, was zu tun ist. Man muss nämlich wissen, dass in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren die Anwaltskosten von jeder Partei selbst zu tragen sind und zwar auch dann, wenn man gegen den Arbeitgeber obsiegt.

Für eine eingehende Beratung und bei schwierigeren Sachverhalten sollte man jedoch einen Rechtsanwalt konsultieren, um Fehler zu vermeiden und sich keine Ansprüche entgehen zu lassen.

123recht.de: Vielen Dank Herr Dietrich.

Wollen Sie mehr wissen? Lassen Sie sich jetzt von diesem Anwalt schriftlich beraten.
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