Kündigung wegen eines bloßen Verdachts?

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Verdachtskündigung, Straftat, Wiedereinstellung, Kündigungsschutz
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Die "Verdachtskündigung"

Wenn die Kündigungsschutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, bedarf eine Kündigung zu ihrer Wirksamkeit einer sozialen Rechtfertigung. Dieser Beitrag soll verdeutlichen, ob und unter welchen Voraussetzungen schon der bloße Verdacht eines Fehlverhaltens geeignet ist, eine solche soziale Rechtfertigung darzustellen.

Wann kommt es hierauf an?

Der Arbeitgeber muss eine Kündigung nur dann inhaltlich begründen, wenn das Kündigungsschutzgesetz überhaupt auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Hierzu müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

- Das Arbeitsverhältnis muss mindestens 6 Monate bestanden haben.

- Es müssen in dem selben Betrieb in der Regel mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt werden (unter bestimmten Voraussetzungen kann es ausreichen, wenn mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Teilzeitbeschäftigte mit bis zu 20 Wochenarbeitsstunden zählen 1/2, mit bis zu 30 Wochenarbeitsstunden 3/4)

Dagegen kommt es nicht darauf an, ob beispielsweise eine Probezeit vereinbart wurde oder ob es sich nur um ein Teilzeitarbeitsverhältnis handelt.

Genügt der Verdacht bei jedem Vertragsverstoß?

Es muss sich bei einer Verdachtskündigung immer um den Verdacht eines schwerwiegenden Vertragsverstoßes handeln. Hierzu gehört grundsätzlich jede Straftat zu Lasten des Arbeitgebers, aber auch andere schwere Vertragsverstöße können genügen. 

Nicht hingegen reicht ein - noch so schwerer - Verdacht eines geringfügigen Verstoßes. Beispielsweise genügt bei Verspätungen, fahrlässiger Beschädigung unbedeutender Wirtschaftsgüter, pp. regelmäßig ein bloßer Verdacht nicht. Hier muss der Arbeitgeber, wenn es darauf ankommt,  die Tat konkret beweisen.

Genügt jeder Verdacht?

Der Arbeitgeber muss gegebenenfalls Tatsachen darlegen und beweisen, die einen dringenden Tatverdacht gegen den Arbeitnehmer rechtfertigen.

Dieser Verdacht muss so schwerwiegend sein, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitnehmer den Vertragverstoß begangen hat, größer ist, als dass er sie nicht begangen hat (so genannte "überwiegende Wahrscheinlichkeit").

Gibt es weitere Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung?

Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer in einer Anhörung die Möglichkeit gegeben haben, den Verdacht auszuräumen. Dies ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung!

Auch sonst muss der Arbeitgeber alles Zumutbare unternommen haben, den Sachverhalt aufzuklären.

Darüber hinaus muss allein aufgrund des Verdachts das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses derart gelitten haben, dass eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist.

Daneben müssen natürlich auch alle allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Kündigung gegeben sein - vor allem: Schriftform (!).

Ist eine Kündigungsfrist zu beachten?

In besonders schweren Fällen, in denen es dem Arbeitgeber aufgrund der Umstände schon nicht mehr zuzumuten ist, den Arbeitnehmer auch nur bis zum Ende der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen, kommt sogar eine fristlose Verdachtskündigung in Betracht.

Im Übrigen richten sich die Kündigugsfristen nach dem Vertrag, dem Gesetz oder einem einschlägigen (auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden) Tarifvertrag. Es gilt das jeweis für den Arbeitnehmer gunstigste.

... und was ist mit der Unschuldsvermutung?

Hierbei handelt es sich um einen Begriff aus dem Strafrecht, der nach Auffassung der Arbeitsgerichte auf das Arbeitsrecht nicht übertragbar ist. Denn das Arbeitsrecht regelt - als Teil des Privatrechts - nicht die Rechtsbeziehungen zwischen einer Privatperson und einem Hoheitsträger sondern zwischen zwei gleichgestellten Rechtssubjekten. Diesen steht es dem Grunde nach frei, Verträge zu schließen und sich von diesen zu lösen. Lediglich in Teilbereichen ist dieses Recht im Bereich des Arbeitsrechts durch das Gesetz eingeschränkt.

Was ist, wenn sich der Verdacht als falsch herausstellt?

Ergibt sich später, dass der Verdacht unberechtigt war und der Arbeitnehmer tatsächlich den Vertragsverstoß nicht begangen hat, so kommt ein Wiedereinstellungsanspruch in Frage. Die Arbeitsgerichte sprechen einen solchen sogar noch zu, wenn der Verdacht erst nach dem Ende der Kündigungsfrist ausgeräumt werden kann.

Was ist zu tun, wenn ich eine Kündigung erhalte?

Hier ist schnell zu handeln!

Denn jede Kündigung kann nur innerhalb von 3 Wochen ab ihrem Zugang mit einer gerichtlichen Kündigungsschutzklage angegriffen werden. 

Nur unter ganz besonderen Umständen kann eine Klage auch danach noch wirksam erhoben werden.

Sie sollten Sich daher bei Erhalt einer Kündigung schnellstmöglich in die Beratung eines auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalts begeben. Gewähr für gute arbeitsrechtliche Kenntnisse und viel Erfahrung auf diesem gebiet bietet die von der Rechtsanwaltskammer verliehene Bezeichnung "Fachanwalt für Arbeitsrecht".

Weiterhin sollten Sie sich unverzüglich nach Erhalt der Kündigung - spätestens aber 3 Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses - bei der für Sie zuständigen Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden, um nicht eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld zu riskieren.