Kündigung wegen Beleidigungen unwirksam

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Es dürfte allgemein bekannt sein: Wer sich im Ton vergreift, wird gekündigt. Und dies oft zu Recht.

Aber nicht immer. Das LAG Schleswig-Holstein hat jetzt eine Kündigung als unwirksam erklärt, die darauf gestützt war, dass ein LKW-Fahrer zu einem Vertreter des Kunden sagte: „Ich liefere hier seit Jahren, und jetzt geh aus dem Weg, du Arsch". In dem Streit soll er den Gesprächspartner noch weitere fünf Mal als „Arschloch" beleidigt haben. Anlass des Streits war, dass die Deckenhöhe der Anlieferung sehr niedrig war, so dass zwischen LKW und Decke nur wenig Platz war. Nicht aufgeklärt werden konnte, ob beim Rangieren Deckenteile und Rohre beschädigt wurden. Ein Mitarbeiter des Kunden forderte den LKW-Fahrer dann auf, nicht weiter zu fahren, worauf es zu dem heftigen und beleidigenden Wortwechsel kam. Danach erhielt der Fahrer bei dem Kunden Hausverbot.

Elke Scheibeler
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Der Fahrer argumentierte, dass er nicht erkannt habe, dass sein Gegenüber beim Kunden arbeite. Er habe ihn für einen Passanten gehalten, der sich lediglich habe aufspielen wollen. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung, weil auch der Beleidigte einen unfreundlichen Ton angeschlagen habe.

Das LAG Schleswig- Holstein entschied in seiner Entscheidung, AZ 4 Sa 474/09, dass der Arbeitnehmer lediglich hätte abgemahnt werden dürfen. Zudem könne er bei der großen Spedition auch anderweitig als Fahrer eingesetzt werden. Der Arbeitgeber musste den LKW-Fahrer also zurücknehmen und ihm den in der Zwischenzeit aufgelaufenen Annahmeverzugslohn zahlen.

Hierbei setzt sich ein Trend in der Rechtsprechung fort, wonach ein kräftiger Umgangston in bestimmten Branchen toleriert wird. So rechtfertigte die Aussage „Beweg doch selber deinen Arsch, du bist doch auch ein faules Schwein" nach der Entscheidung des LAG Düsseldorf, AZ 12 Sa 1190/08 ebenfalls keine fristlosen Kündigung.

Auf einer ähnlichen Linie liegt die Entscheidung des BAG vom 22.04.2004 – 8 AZR 159/03, die sich allerdings mit dem gesetzlichen Haftungsprivileg des § 105 SGB VII befasste. Danach haften Arbeitnehmer, die bei einer betrieblichen Tätigkeit einen Schaden eines Kollegen verursachen nur bei vorsätzlichem Verhalten. Es ging auch in diesem Fall um einen LKW-Fahrer, der auf dem Betriebshof einen Kollegen fragte, warum dieser erst jetzt vom Tanken gekommen sei. Es seien LKW zu be- und entladen. Dabei stieß er ihn vor die Brust. Der Kollege machte einen Schritt zurück, fiel über eine hinter ihm stehende Schubkarre auf eine am Boden liegende Stahlschiene und verletzte sich schwer. Seither ist er gelähmt. Seine Schadenersatz- und Schmerzensgeldklage wurde jedoch abgewiesen, da der Schaden nach Auffassung des BAG auf eine betriebliche Tätigkeit zurück zu führen war Der Arbeitnehmer habe den Kollegen auf seine Pflichten hinweisen wollen. Der harte Umgang sei auch unter Berücksichtigung des verkehrstypischen Verhaltens im betroffenen Berufszweig nicht untypisch.

Hieraus kann man sicher nicht schließen, dass man am Arbeitsplatz beleidigen und schlagen darf. Beherrschung ist hier wie auch sonst immer angesagt. Nach einem solchen Vorfall sollten sich Arbeitgeber jedoch genau überlegen, ob sie gleich eine Kündigung aussprechen oder nicht vorher lieber eine Abmahnung erteilen sollten. Arbeitnehmer, denen ein solcher Ausrutscher passiert ist, haben durchaus die Chance, ihren Arbeitsplatz zu retten. Anwaltlicher Rechtsrat dürfte sich für beide Parteien auszahlen.

Dr. Elke Scheibeler
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