Kündigung: Rechtliche Besonderheiten bei Kirchen und ihren Organisationen

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Kündigung: Rechtliche Besonderheiten bei Kirchen und ihren Organisationen

Das kirchliche Arbeitsrecht ist insbesondere im Bereich der Pflegeberufe von besonderer Bedeutsamkeit. Nicht weinige Einrichtungen, in denen die klassischen Pflegeberufe zum Einsatz kommen, sind kirchlichen Trägern angegliedert (kirchliche Krankenhäuser, kirchliche Pflegedienste, etc.). Typische Beispiele hierfür sind die Caritas oder die Diakonie.

I. Einführung

Gemäß Art. 137 Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 140 GG ist das Recht der Kirchen und der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbständig zu ordnen und zu verwalten, grundsätzlich gewährleistet. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht umfasst auch das Recht, Form und Inhalt des kirchlichen Dienstes rechtlich autonom zu regeln. Damit liegen die kirchlichen Arbeitsverhältnisse zwar nicht außerhalb des staatlichen Arbeitsrechts. Doch kann das Arbeitsrecht auch nicht ohne Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auf kirchliche Arbeitsverhältnisse angewand werden (Klar NZA 1995, 1184 ff.).  

II. Vertragliche Ausgestaltung besonderer Pflichten

Die kirchlichen Träger sind berechtigt, ihren Arbeitnehmern arbeitsvertraglich besondere Obliegenheiten einer kirchlichen Lebensführung aufzuerlegen. Sie können von ihren Arbeitnehmern verlangen, dass sie die tragenden Grundsätze des kirchlichen Glaubens beachten und nicht gegen fundamentale Verpflichtungen verstoßen. Die Kirchen können diese Anforderungen zum Inhalt des Arbeitsvertrages machen. Damit ist die Kirche berechtigt, Inhalt und Umfang der Loyalitätspflichten der kirchlichen Arbeitnehmer dem kirchlichen Selbstverständnis entsprechend zu konkretisieren (BVerfG, Urteil v 04.06.1985 EzA § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 24; BAG, Urteil v 16.09.2004 EzA § 242 BGB 2002 Kündigung Nr. 5). Die Glaubwürdigkeit von Religionsgemeinschaften hängt auch davon ab, dass ihre Arbeitnehmer die kirchliche Ordnung respektieren, auch in ihrer privaten Lebensführung (BVerfGE 7, 138).

III. Prüfungsmaßstab bei Kündigungen

Im Kündigungsschutzverfahren haben die Arbeitsgerichte die so vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit verfassungsrechtlich die Kirchen darüber eigene Bestimmungen treffen dürfen (s.o. I.). Somit ist insbesondere das KSchG vor dem Hintergrund zu prüfen, ob gerade dem kirchlichen Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch möglich ist. Unter dieses Bestimmungsrecht der Loyalitätspflichten fallen grundsätzlich die Ausgestaltung von Begriffen wie „spezifisch kirchliche Aufgaben", „wesentliche Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" und die Entscheidung, was einen „schweren Verstoß" gegen diese Inhalte begründet. Auch die Entscheidung über eine Abstufung der Loyalitätspflichten und die konkrete Ausgestaltung dieser in Bezug auf die innerhalb des kirchlichen Dienstes tätigen Arbeitnehmer unterliegt dem kirchlichen Träger (BVerfG Urteil v 04.06.1985 EzA § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 24).

Dagegen kommt es nicht auf die Auffassungen einzelner kirchlicher Einrichtungen an, bei denen die Meinungen zur Ausgestaltung der Loyalitätspflichten anders sind (BVerfG Urteil v 04.06.1985 EzA § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 24).

IV. Rechtfertigung einer Kündigung

Liegt eine Loyalitätspflichtverletzung vor, so ist die soziale Rechtfertigung der Kündigung zu prüfen gemäß der gesetzlichen Regelungen nach § 1 KSchG und § 626 BGB. Diese Vorschriften finden als allgemein geltende Gesetze auch Anwendung im kirchlichen Bereich, allerdings unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Kirche und ihrer Organisationen in Hinblick auf die Loyalitätspflichten (wie oben ausgeführt).

Als Kündigungsgründe im Bereich der Kirche sind vor allem Verstöße gegen das kirchliche Eherecht. So ist z.B. Ehebruch eine anerkannter Grund für eine außerordentliche Kündigung (BAG, Urteil v 24.04.1997, 2 AZR 268/97). Auch der Austritt aus der Kirche ist regelmäßig ein Kündigungsgrund (LAG Baden-Württemberg, Urteil v 19.06.2000, 9 Sa 3/00; LAG Mainz, Urteil v 02.07.2008, 7 Sa 250/08).

V. Speziell: Pflegeberufe

Die evangelische und katholische Kirche sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Als solche sind sie Dienstherren und können Beamtenverhältnisse begründen.

Viel häufiger, insbesondere im Bereich der Pflegeberufe, schließen die Kirchen und ihre angegliederten Organisationen jedoch Arbeitsverträge. Damit gilt staatliches Arbeitsrecht mit den für kirchliche Arbeitverhältnisse typischen Besonderheiten.

Dies führt dazu, dass wegen der besonderen trägerschaftlichen Organisationsstrukturen, insbesondere im konfessionellen Bereich, für die Arbeitsverhältnisse in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens, der kündigungsrechtliche Arbeitnehmerschutz durch kirchliche Werteregeln mitunter stark eingeschränkt wird.

Das kirchliche Arbeitsrecht ist im Gesundheitswesen von einer großen Bedeutung. Viele Einrichtungen und Organisationen, in denen z.B. Krankenschwester oder Krankenpfleger zum Einsatz kommen, sind kirchlichen Träger angeordnet. Im Bereich der katholischen Caritas z.B. wird von den katholischen Arbeitnehmern die Beachtung und Anerkennung der katholischen Sitten und Glaubenslehre gefordert.

Zu beachten ist dabei, dass die Loyalitätsanforderungen steigen je näher der Arbeitnehmer an dem kirchlichen bzw. religiösen Verkündungsauftrag der kirchlichen Einrichtungen steht. Gemäß eines Urteils des LAG Mainz stellt der Kirchenaustritt einer Pflegekraft nach dem Selbstverständnis  der Kirche eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, die eine Kündigung durch den kirchlichen Arbeitgeber (Pflege- und Altenheim der Caritas) sozial rechtfertigt (LAG Mainz, Urteil v 02.07.2008, 7 Sa 250/08).

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