Kosten des Rechtsstreits nun bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig!

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Bundesfinanzhof änder Rechtsprechung und lässt Abzug bei Klagen mit gewisser Erfolgsaussicht nun grundsätzlich zu

Der Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung zum Abzug von Prozesskosten bei der Einkommensteuer geändert. Im Urteilsfall ging es um die Anerkennung von Prozesskosten für einen Rechtsstreit um Krankentagegeld. Das höchste deutsche Steuergericht ließ den Abzug zu (Aktenzeichen VI R 42/10). Bisher war dies regelmäßig nur dann bejaht worden, wenn es um den "Kernbereich menschlichen Lebens" oder die "Existenzgrundlage" im Sinne der Zwangsläufigkeit des Prozesses ging.

Der Steuerpflichtige müsse eben, um seine Rechte durchsetzen zu können, den Rechtsweg beschreiten, so das Gericht in der neuesten Entscheidung. Dem stehe auch nicht entgegen, dass in der Regel nur der Unterliegende die Kosten trage, also der Verlierer des Rechtsstreits die Kosten absetzen könne. Denn eine Prognose, wer gewinne, sei schwierig, daher bleibe ein beachtliches Prozessrisiko. Allerdings seien für eine steuerliche Geltendmachung gewisse Erfolgsaussichten nötig, ebenso können nur die notwendigen Prozesskosten außergewöhnliche Belastungen sein, Erstattungen (z. B. von der Rechtschutzversicherung) sind abzuziehen.

Tipp: Es sollten möglichst alle Prozesskosten in einem Veranlagungszeitraum (in der Regel Kalenderjahr) bezahlt werden, um die sogenannte zumutbare Belastung zu übersteigen. Dabei empfiehlt sich regelmäßig ein Veranlagungszeitraum, in dem weitere erhebliche außergewöhnliche Belastungen anfallen (z. B. nicht erstattete Krankheitskosten). Zum Nachweis der Erfolgsaussichten sollte im Zweifel eine Einschätzung des Rechtsvertreters unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur und Rechtsprechung eingeholt werden.

Leserkommentare
von Broker49 am 15.02.2013 08:21:09# 1
Hallo liebes Forum,

Wie geht man denn da vor, wenn die Gerichtskosten zurückliegen z.B. ab 2010 und die Einkommensteuererklärung für 2010 und 2011 schon abgeschlossen ist ?
    
von Rechtsanwalt Christoph Blaumer am 18.02.2013 14:23:51# 2
Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs Az. VI R 42/10 hat die Finanzverwaltung zwischenzeitlich reagiert mit folgendem BMF-Schreiben (Nichtanwendungserlass) reagiert:

"BMF, 20.12.2011, IV C 4 - S 2282/07/0031 :002


Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen; Anwendung des BFH-Urteils vom 12.5.2011, VI R 42/10

Mit Urteil vom 12.5.2011, VI R 42/10 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Unter Bezugnahme auf die Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder bitte ich, Folgendes zu beachten:

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.5.2011 ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.

Nach der langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs galt bislang in Übereinstimmung mit der Verwaltungsauffassung, dass Kosten von Zivilprozessen regelmäßig nicht zwangsläufig erwachsen und daher keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen kam nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

Mit seiner neuen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof seine Rechtsauffassung geändert und lässt den Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen dann zu, wenn die Prozessführung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses bzw. der Motive der Verfahrensbeteiligten stehen der Finanzverwaltung keine Instrumente zur Verfügung. Betroffen von dieser neuen Rechtsprechung ist eine erhebliche Anzahl von Fällen.

Im Hinblick auf eine mögliche gesetzliche Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten, die auch die rückwirkende Anknüpfung an die bisher geltende Rechtslage einschließt, können daher grundsätzlich Prozesskosten auch für eine Übergangszeit nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht."


Aufgrund des BMF-Schreibens erkennt die Finanzverwaltung derzeit regelmäßig Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Unter Berufung auf die BFH-Rechtsprechung ist dann ein Prozess vor dem Finanzgericht zu führen. Es ist zu erwarten, dass der BFH sich erneut mit dieser Frage zu befassen hat, unter Umständen reagiert auch der Gesetzgeber mit einer neuen Vorschrift.

Bei bestandskräftigen Bescheiden hängt die Berücksichtigung von steuermindernden Umständen von einer Vielzahl von Umständen im Einzelfall ab. Unter anderem geht es darum,ob dem Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen trifft. Ist dies nicht der Fall, sollte eine Änderung des bisherigen Steuerbescheids durch formlosen Antrag möglich sein. Es gibt aber auch noch eine Vielzahl von weiteren Änderungstatbeständen, die in Ihrem Einzelfall durch einen Steuerfachmann geprüft werden sollten.