Abmahnung der Rechtsanwälte RASCH - Was bedeutet der beigefügte Gerichtsbeschluss?

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Eine Abmahnung der Rechtsanwälte RASCH aus Hamburg für die Musikindustrie (z.B. Universal Music oder EMI Music) setzt sich meist aus vier Bestandteilen zusammen.

Dem eigentlichen Abmahnungsschreiben ist eine vorgefertigte strafbewehrte Unterlassungserklärung, eine Vergleichsannahmeerklärung und ein Beschluss eines Landgerichts in Kopie beigefügt.

Wie Sie sich gegen eine solche Abmahnung gut zur Wehr setzen können und unnötige Geldzahlungen oder Gerichtsprozesse vermeiden, erfahren Sie hier. An dieser Stelle soll nur der beigefügte Landgerichtsbeschluss und seine Funktion erklärt werden.

Thilo Wagner
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Viele Abmahnungsempfänger wundern sich über den Beschluss. In der Entscheidung lässt sich schließlich an keiner Stelle der eigene Name finden. Häufig ist zudem eine ganze Liste von unterschiedlichen Musiktiteln und Alben genannt, auch wenn in der Abmahnung nur von einem Musiktitel oder von einem Musikalbum die Rede ist. Der eigentliche Beschluss lautet nur, dass Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer benannt werden sollen, zu denen zu einem bestimmten Zeitpunkt eine oft nicht genannte IP-Adresse zugeordnet war. Der Empfänger der Abmahnung fragt sich:

Was soll das denn bedeuten? Hat ein Gericht schon gegen mich entschieden? Muss ich den Forderungen der RASCH Rechtsanwälte nachgeben?

Die klare Antwort hierauf lautet: Nein! Bislang wurde nur eine einfache, aber sensible Adress- Auskunft erteilt!

Der Auskunftsanspruch nach § 101 Urhebergesetz

Die abmahnenden Anwälte wollen vermeintlich illegale Tauschaktionen im Internet verfolgen. Um diese überhaupt erst zu entdecken, werden meist spezialisierte Detekteien und Ermittlungsfirmen, wie zum Beispiel die „proMedia Gesellschaft zum Schutz geistigen Eigentums mbH“ mit ihrem Geschäftsführer Rechtsanwalt Clemens Rasch (zugleich Namensgeber der Kanzlei RASCH Rechtsanwälte) beauftragt, das Internet auf rechtswidrige Aktivitäten hin zu durchforsten.

Mittels neu entwickelter Computerüberwachungsanlagen werden dann die Datenströme in den Internet-Tauschbörsen ausbaldowert. In riesigen Datenspeichern werden Milliarden von Kommunikationsvorgängen elektronisch auf Spuren der Teilnehmer untersucht. Denn jeder Teilnehmer einer illegalen Datentausch-Börse hinterlässt eine Spur: Die Kennung seines Internetanschlusses, die sogenannte IP-Adresse.

Diese IP-Adressen werden durch die Detekteien bienenfleißig gesammelt und einem bestimmten Datenfluss zugeordnet. Mit der IP-Adresse alleine ist jedoch nicht viel anzufangen. Vielmehr muss nun ermittelt werden, welcher Internetnutzer sich tatsächlich, d.h. in Person hinter dem Internetanschluss verbirgt.

Hierzu dient der gesetzliche Auskunftsanspruch nach § 101 Urhebergesetz. Ziffer 9 dieser Vorschrift besagt, dass bei einem illegalen Datentausch von gewerblichem Ausmaß (!) ein Internetanbieter, wie z.B die Telekom, durch richterliche Anordnung verpflichtet werden kann, die hinter den IP-Adressen verborgenen Personen- und Adressdaten herauszugeben.

Die genauen Voraussetzungen für diesen Auskunftsanspruch sind in der Rechtswissenschaft und innerhalb der Rechtsprechung heftig umstritten. Problematisch ist vor allem, wann ein Datentausch mit gewerblichem Ausmaß vorliegt und wie sicher die Messung der einzelnen IP-Adressenermittlung sein muss. Schließlich ist es mittlerweile allgemein bekannt, dass 10-15 % der ermittelten IP-Adressen infolge von technischen und menschlichen Fehlern falsch erfasst sind.

Mit Erhalt einer Abmahnung steht jedoch eines fest: Ein Gericht hat die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs geprüft, für gegeben befunden und sodann die Adressen-Freigabe angeordnet. Ob dies im konkreten Einzellfall zu Recht erfolgte, ist im Nachhinein müßig zu ergründen. Zunächst gilt es immer, die mit der Abmahnung geltend gemachten Forderungen abzuwehren.

In der Praxis werden die vielen IP-Adressen immer blockweise in den gerichtlichen Verfahren abgefragt. Das bedeutet, dass in einem Auskunftsverfahren immer Dutzende von IP-Adressen behandelt werden. Es handelt sich also immer um eine Vielzahl von Internetteilnehmern mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Tauschvorgängen mit unterschiedlichen Titeln. In den Massenverfahren wird in dem eigentlichen Beschluss dann auch kein konkreter Benutzer und kein konkreter Musiktitel angegeben, sondern auf meist nicht beigefügte Anlagen zu dem Beschluss verwiesen.

Insoweit kann der Abmahnungsempfänger aus dem beigefügten Beschluss eines Landgerichtes überhaupt keinen Bezug zu seinem eigenen Fall ersehen. Aus diesem Grund wird der Auskunftsbeschluss von den meisten abmahnenden Rechtsanwälten überhaupt nicht beigefügt. Im Rahmen der RASCH-Abmahnungen soll die Kopie des Gerichtsbeschlusses wohl die Ernsthaftigkeit der Lage betonen und die Empfänger so zu einer schnelleren Geldzahlung bewegen.

Während die einzelnen Landgerichte früher sehr schnell die Adressdaten ausgeurteilt haben, sind einige Richter heute zurückhaltender. Sie haben erkannt, dass die Nennung höchstpersönlicher Adressdaten ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen bedeutet und nur in Ausnahmefällen zu gestatten ist.

Die Preisgabe der Personendaten ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff!

In einem Beschluss vom 9.11.2010 hat das Oberlandesgericht Köln einen solchen Auskunftsbeschluss als ein Regelbeispiel eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs bezeichnet (OLG Köln, Beschluss vom 9.11.2010 - 6 W 82/10). Die Richter des Oberlandesgerichts Köln haben in ihrer Entscheidung betont, das eine solche richterliche Anordnung das von Verfassungs wegen unverletzliche und nur auf Grund eines Gesetzes beschränkbare Telekommunikationsgeheimnis betrifft (Art. 10 Abs. 1 und 2 GG). Der Betroffene, der in der Regel davon ausgehen kann, das Internet anonym zu nutzen, hat nicht nur grundsätzlich ein Recht zu erfahren, dass und warum diese Anonymität aufgehoben wurde (BVerfG, a.a.O. [Rn. 263]), sondern ihm ist auch, wenn er vor Durchführung der Maßnahme keine Gelegenheit hatte, sich vor den Gerichten gegen die Verwendung seiner Telekommunikationsdaten zur Wehr zu setzen, eine gerichtliche Kontrolle nachträglich zu ermöglichen (vgl. BVerfG, a.a.O. [Rn. 251]).

In dem konkreten Fall war folgendes passiert:

Aus heiterem Himmel bekam eine Großmutter ein Abmahnungsschreiben der Musikindustrie. Ihr wurde der Vorwurf gemacht, das von Ihrem Internetanschluss aus ein Popmusik-Album im Rahmen einer illegalen Internet-Tauschbörse rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht worden sein sollte. Dies stünde infolge von Computermessungen eindeutig fest.

Anhand dieser Messdaten habe das Landgericht Köln entschieden, dass der Internetanbieter der Großmutter ihre Personendaten offenbaren müsse. Erst hierdurch kamen die Anwälte der Musikindustrie an die Adressdaten der Großmutter und schickten ihr die Abmahnung. In der Abmahnung verlangten die Urheberrechtsanwälte, dass die Großmutter eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben solle. Zugleich wurde sie mit hohen Schadensersatzforderungen konfrontiert. In demselben Schreiben boten die Anwälte jedoch auch an, auf jede weitere Rechtsverfolgung zu verzichten, wenn die Großmutter innerhalb von wenigen Tage eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.001,00 Euro abgeben würde und zudem einen “Vergleichsbetrag“ in Höhe von 1.200,00 Euro zahlte.

Hierauf reagierte die Großmutter empört (und wegen des sehr hohen Prozess- und Kostenrisikos eigentlich auch völlig falsch):

Die Großmutter schrieb kurzerhand einen eigenhändigen Brief an das Landgericht Köln und fragte an, was sich das Landgericht Köln erlaube, so einfach Ihre Personen- und Telefonanschlussdaten an Dritte Preis zu geben, ohne sie hiervon auch nur einmal in Kenntnis zu setzen.

In der Sache betonte die Großmutter, dass sie das Musikalbum sicherlich nicht selbst getauscht habe. Allerdings könnte ihre elfjährige Enkeltochter, die gerade einen Computerkurs besucht habe, möglicherweise die Datei aus dem Internet heruntergeladen haben. Jedenfalls sehe die Großmutter nicht ein, für eine solche Kindermusik und den Übereifer ihrer Enkelin einen Betrag in der geforderten Höhe bezahlen zu sollen.

Überraschenderweise gab das Oberlandesgericht Köln der Großmutter Recht. Der Brief wurde (entgegen der früheren Rechtsprechung des Senates!) als prozessual zulässige Beschwerde ausgelegt. Die Beschwerde hatte Erfolg, weil sich in dem Verfahren herausstellte, dass die Antragsteller keine Auskunft verlangen konnten. Denn in dem Fall habe es sich um ein altes Musikalbum gehandelt, so dass von einem gewerblichen Ausmaß der Urheberrechtsverletzung nicht hätte ausgegangen werden können. Da ein solches gewerbliches Ausmaß jedoch Voraussetzung des Auskunftsanspruchs war, sei der Auskunftsbeschluss zu Unrecht ergangen.

Fazit:

Zwischenzeitlich hat die Musikindustrie ihre Auskunftsbegehren jedoch an die Vorgaben des Oberlandesgerichts angepasst. Der Angriff dieser Beschlüsse lohnt sich daher nur in den seltensten Fällen. Indirekt können Schwachpunkte in den Auskunftsverfahren jedoch zur Verteidigung gegen die in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche herangezogen werden.

Dass ein Landgericht anhand der Messdaten einen Auskunftsbeschluss erlassen hat, bedeutet zudem nicht zwangsläufig, dass die Messdaten richtig sind. Schon gar nicht bedeutet dies, dass der Inhaber des Internetanschlusses automatisch als Täter der vorgeworfenen Urheberrechtsverletzungen auf Schadensersatz haftet und Zahlungen erbringen muss!

In den meisten Fällen kann die Abmahnung durch die Abgabe einer abgeänderten Unterlassungserklärung gut abgewehrt werden. Hierdurch werden Gerichts- und Strafverfahren in fast allen Fällen vermieden. Bei Erhalt einer Abmahnung sollten Sie die kostensparende Hilfe eines in der Abmahnungsproblematik erfahrenen Rechtsanwaltes in Anspruch nehmen. Der erfahrene Rechtsanwalt kann ihn meist schon in einem ersten Telefongespräch eine gute Lösung des Rechtsstreites aufzeigen. Keinesfalls sollten Sie selbst Kontakt mit den gegnerischen Anwälten aufnehmen oder irgendwelche vorgefertigten Formulare unbedacht unterschreiben! Oft verpflichten sich die Abmahnungsempfänger so ungewollt und vor allem unnötig selbst zu hohen Zahlungen.

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