K.U.R.S. - Schutz vor Sexualstraftätern in Niedersachsen

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Der Fall der neunjährigen Corinna aus dem sächsischen Eilenburg, die im Juli diesen Jahres entführt, sexuell missbraucht und anschließend umgebracht wurde wird vermutlich erneut eine Diskussion über den Umgang mit Sexualstraftätern auslösen. Zumindest was die Rückfallprävention angeht, hat Niedersachsen als eines der ersten Bundesländer schon im November 2007 ein Konzept zur intensiveren Beobachtung von Sexualstraftätern nach ihrer Haftentlassung eingeführt. K.U.R.S. ist die Abkürzung für „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern in Niedersachsen“ und ist ein Gemeinschaftskonzept der niedersächsischen Ministerien für Inneres und Sport, für Justiz und für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. In anderen Bundesländern gibt es inzwischen ähnliche Programme wie H.E.A.D.S. in Bayern (bereits seit 01.10.2006), S.U.R.E. in Hamburg (im November 2007 vorgestellt), H.E.A.D.S. in Brandenburg (seit 01. Januar 2008) oder Z.Ü.R.S. in Hessen (im Januar 2008 vorgestellt).

Ziel von K.U.R.S. ist in erster Linie die Verringerung des Rückfallrisikos von Sexualstraftätern und damit die Reduzierung zukünftiger Sexualstraftaten. Hierfür wurden eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, deren Erfolg zwar (soweit ersichtlich) empirisch noch nicht untersucht wurde. Allerdings sind erste Erfahrungsberichte durchaus positiv zu bewerten.

Kernstück des Konzepts ist die sog. K.U.R.S.-Datei. In dieser Datei, die beim Landeskriminalamt Niedersachsen in Hannover geführt wird, werden sog. relevante Täterinformationen von entlassenen und unter Führungsaufsicht stehenden Sexualstraftätern gespeichert. Wichtigste dieser Täterinformationen ist der Grad der Rückfallgefährdung. Die Straftäter werden vor ihrer Entlassung in eine von drei Kategorien eingeordnet. Zur Einordnung von Tätern, die aus dem Strafvollzug entlassen werden, wird ein Gutachten durch das „Prognosezentrum des niedersächsischen Strafvollzugs“ erstellt. Bei Tätern, die aus dem Maßregelvollzug entlassen werden erfolgt eine Beurteilung durch die jeweilige Einrichtung.

Kategorie A erfasst dabei akut rückfallgefährdete Sexualstraftäter, die aufgrund der kriminellen Vorgeschichte, der Täterpersönlichkeit oder der Tatausführung als hoch gefährlich anzusehen sind und bei denen keinerlei rückfallpräventive Faktoren ersichtlich sind. Bei Tätern der Kategorie A besteht zu jeder Zeit die Gefahr der Begehung von erneuten, einschlägigen Straftaten.

In Kategorie B werden Straftäter eingestuft, bei denen ebenfalls von einer hohen Gefährlichkeit auszugehen ist. Im Gegensatz zu Tätern der Kategorie A stehen der Gefährlichkeit hier jedoch spezielle rückfallpräventive Faktoren gegenüber. Solche Faktoren können beispielsweise die regelmäßige psychiatrische oder psychologische Betreuung, soziale und familiäre Einbindung oder auch das erlernte eigene Risikomanagement des Täters sein. Eine erhöhte Gefahr der erneuten Begehung von einschlägigen Straftaten besteht erst, wenn einer oder mehrere dieser Positivfaktoren gefährdet werden oder wegfällt.

In Kategorie C werden alle Straftäter eingestuft, die nach ihrer Entlassung unter Führungsaufsicht stehen, aber nicht in Kategorie A oder B einzuordnen sind. Hierunter fallen häufig Täter, die aus dem Maßregelvollzug entlassen wurden oder auch Täter aus anderen Bundesländern, in denen eine entsprechende Einstufung (noch) nicht vorgenommen wird.

Nach der Entlassung werden möglichst viele Erkenntnisse über den Straftäter in der K.U.R.S.-Datei beim Landeskriminalamt zusammengestellt. Hierzu gehören neben dem oben erörterten Risikoprofil auch das Gerichtsurteil, ein von den Justizvollzugsanstalten ausgefüllter Meldebogen, ein Ausdruck aus dem Bundeszentralregister, Ermittlungsakten usw. An dieser Stelle soll eine bisher so nicht vorhandene, verstärkte Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz, Bewährungshilfe und Führungsaufsicht stattfinden. So werden Straftäter der Kategorien A und B von speziell ausgebildeten Bewährungshelfen betreut. Darüber hinaus wird die Polizeidienststelle, in deren Bezirk der Entlassene seinen Wohnsitz nimmt, von den vorhandenen Erkenntnissen unterrichtet. Außerdem gibt es einen länderübergreifenden Austausch von Informationen über entlassene Sexualstraftäter. Auch in Ländern in denen bisher kein entsprechendes Konzept eingeführt wurde gibt es bei dem jeweiligen Landeskriminalamt eine zentrale Ansprechstelle.

Der polizeiliche Maßnahmenkatalog hinsichtlich entlassener Sexualstraftäter umfasst einerseits Standartmaßnahmen wie eine sog. Gefährderansprache, Unterrichtung des Entlassenen von seiner Aufnahme in die K.U.R.S.-Datei oder Verbleibskontrollen. Daneben besteht die Möglichkeit von Anlass- und einzelfallabhängigen Maßnahmen wie Platzverweise, Umfeldermittlungen, Feststellung von Verstößen gegen Auflagen der Führungsaufsicht oder Observationsmaßnahmen.

Darüber hinaus werden auf örtlicher Ebene regelmäßig „Runde Tische“ veranstaltet, an denen Polizei, Bewährungshilfe und Führungsaufsicht teilnehmen. Diese dienen im Wesentlichen dem Informationsaustausch und der eventuell erforderlichen Höherstufung bestimmter Personen.

Auf Landesebene finden regelmäßig „K.U.R.S.-Konferenzen“ statt, an denen Vertreter des Landeskriminalamts, des Prognosezentrums, des Maßregelvollzugs, der Führungsaufsicht und der Bewährungshilfe teilnehmen. Hier werden Höherstufungen überprüft und Herabstufungen (frühestens nach 2 Jahren) beschlossen.

Seit Einführung des Konzepts am 01.10.2007 wurden 218 Personen in das K.U.R.S.-Programm aufgenommen (Stand 31.03.2009). Dabei wurden 45 Personen in Kategorie A, 70 Personen in Kategorie B und 103 Personen in Kategorie C eingestuft. Ersten Erfahrungsberichten zufolge existiert in diesem Bereich eine gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz. Insbesondere die Erstellung eines detaillierten Risikoprofils durch die Mitarbeiter des Strafvollzugs sei für alle Beteiligten sehr hilfreich. Zudem zeigten sich auch entlassene Straftäter von den getroffenen Maßnahmen beeindruckt.

Der tatsächliche Erfolg dieses Konzepts wird jedoch erst nach einer empirischen Untersuchung der Entwicklung der Rückfallquoten von entlassenen Sexualstraftätern zu beurteilen sein.