Il y a des juges - es gibt Richter!

Mehr zum Thema: Beamtenrecht, Verfassungstreue, Bewerber, Einstellung, Ablehnung
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Als noch Vollbeschäftigung existierte, gab es über Jahre vor allem Entscheidungen zur Verfassungstreue von Bewerbern. Diese Zeiten sind lange vorbei.

Heute sind solche Entscheidungen eher selten.

Der VGH Mannheim U.v. 13.3.2007 NVwZ 2008. 149 hat eine solche Entscheidung gefällt:

Der zentrale Leitsatz lautet:

„Bei der Ablehnung einer Einstellung in den Schuldienst im Beamtenverhältnis auf Probe wegen fehlender Verfassungstreue sind der Sachverhalt und insbesondere die Person des Bewerbers sachgerecht und umfassend zu würdigen".

Das Gericht billigt zwar die beamtenrechtliche Vorschrift über die Pflicht zur Verfassungstreue und lässt sich auch nicht durch Übereinkommen 111 oder Artt. 10, 11 EMRK irritieren. Es bleibt bei: "Gewähr bieten" i.S. von § 6 I Nr. 2 BadWürttBG bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung dieser Pflicht zur Verfassungstreue mit dem aufgezeigten Inhalt durch den Beamtenbewerber zweifelhaft erscheinen lassen."

Allerdings werden dem Eingriff angemessene Kriterien entwickelt: „Die Zweifel des Dienstherrn an der Verfassungstreue des Beamtenbewerbers müssen allerdings auf Umständen beruhen, die - einzeln oder in ihrer Gesamtheit („Summeneffekt") - von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung seiner Verfassungstreuepflicht auszulösen" und „Diese liegen erst vor, wenn der Beamtenbewerber Anlass zu der ernsten Besorgnis gibt, dass er aus seiner politischen Überzeugung auch nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten ziehen wird. Auch die Mitgliedschaft in einer Partei mit Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, schließt nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus". Das Gericht betont, dass dem Eingriff entsprechend Maßstäbe der Beurteilung beachtet werden müssen: „Die im Kernbereich der grundsätzlich dem Dienstherrn vorbehaltenen Beurteilung der Persönlichkeit des Beamtenbewerbers gebotene sorgfältige Prüfung bei der Prognose über das voraussichtliche zukünftige Verhalten auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte aus Vergangenheit und Gegenwart findet mit Blick auf das Zugangsrecht des Kl. aus Art. 33 II GG ihren rechtlichen Ausdruck vornehmlich in dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit."

Aufgrund dieser Prämissen werden die Aktionen der Behörde als rechtswidrig erachtet:

  • Die Würdigung als gewaltbereiter Aktivist wird verworfen. Keine Anhaltspunkte aus dem vorhandenen Material
  • Die so wichtige Beurteilung über das Verhalten im Vorbereitungsdienst fehlt,dabei hätte gerade dieses eingehend berücksichtigt werden müssen
  • Festgestellte Verstösse hätten keinesfalls das Gewicht, ernsthafte Zweifel an der Verfassungstreue zu begründen.

Der Behörde wird für die Neubeurteilung überdies der Weg versperrt, mit neuem Grund zu gleicher Ablehnung zu kommen.

  • Es sei ein Verstoß gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze, wenn die vorgehaltenen Aktivitäten als wichtiger gewürdigt würden als ein tadelsfreier Vorbereitungsdienst.
  • Die Würdigung der meisten Aktivitäten (zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits) würden diese als grundrechtsgeschätzte ausweisen.

Es ist offensichtlich, dass das Gericht nicht bereit ist, dem Kläger mangelnde Verfassungstreue zu bescheinigen, auch wenn es aus prozessualen Gründen gehindert ist ( behördlicher Beurteilungsspielraum) die Sache durch zu entscheiden.

Erfreulich, dass grundrechtsbeachtende Entscheidungen aus einer Ecke kommen, in der man mehr Behördenhörigkeit vermutet hätte. Es gibt Richter in Mannheim!

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