Feuerwehr darf nicht willkürlich bezahlt werden

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Opt-Out-Modell verstößt gegen Europarecht und das Grundgesetz

Auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen können erhebliche Nachforderungen von Feuerwehrbeamten zukommen. Die Haushalte von Städten und Gemeinden könnten mit Nachforderungen in Millionenhöhe bedroht werden. Denn der Landesgesetzgeber hat mit dem sogenannten "opt-out-Modell" bei den Feuerwehren gleich gegen das EU-Recht und Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 des Grundgesetzes verstoßen.

Hintergrund des opt-out-Modells

Das opt-out-Modell war als Hilfskonstruktion gedacht, nachdem das EU-Recht aus Gründen des Arbeitsschutzes die Wochenarbeitszeit auf maximale 48 Stunden festgelegt hatte. Tatsächlich leisteten viele Feuerwehrbeamte aber 56-Stunden-Wochen. Hierauf reagierte das Land NRW im Jahr 2007 mit einer Änderung der Arbeitszeitverordnung der Feuerwehr (AZVOFeu NRW) und einem eigens kreierten Zulagengesetz.

Diese beiden Rechtskonstruktionen erweisen sich nun als europarechtswidrig und verfassungswidrig.

Musterklage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf

Dies ergibt ein heute vorgestelltes Rechtsgutachten des Hamburger Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. jur. Frank-Rüdiger Jach (HAW Hamburg). Er erklärt das Landesgesetz über die Feuerwehrzulage für erhöhte Regelarbeitszeit für verfassungswidrig.

Denn die dortigen Vorschriften seien derart unbestimmt formuliert, dass sowohl gegen das Alimentationsprinzip, den Bestimmtheitsgrundsatz, den Gleichbehandlungsgrundsatz und im Ergebnis auch gegen das Willkürverbot verstoßen würde. Das Gesetz gibt nämlich schlicht und einfach nicht zu erkennen, wie viel Geld ein Beamter für die zusätzlichen Dienste erhalten muss (!). Es sieht in mehreren Kann-Vorschriften vor, dass bis zu 20 Euro (ab 2014 bis zu 30 Euro) pro Schicht ausgezahlt werden konnten. Die Kann-Vorschriften beinhalten aber jeweils auch ein "Kann-nicht". Daher mussten sich die Feuerwehrbeamten zwar zur Mehrarbeit verpflichten und bereiterklären, wussten aber erst am Ende des Jahres, ob alle Schichten bezahlt, 1,- € oder 20,- € gewährt würden.

Das Jach-Gutachten kommt zu dem Ergebnis: diesen Spielraum durfte der Gesetzgeber nicht den Dienstherren überlassen.

Weil das Gesetz verfassungswidrig und die AZVOFeu NRW europarechtswidrig ist, stünde den Beamten damit mehr Geld zu. Am 21.08.2015 verhandelt das Verwaltungsgericht Düsseldorf ein Musterverfahren (Az. 26 K 9607/13).

Geld für geleistete Dienste

In der konkreten Klage will ein 38-jähriger Feuerwehrbeamter aus Düsseldorf für Mehrarbeit in den Jahren 2010 bis 2013 bezahlt werden. Die Landeshauptstadt Düsseldorf vergütete die Sonderschichten nur pauschal mit 20,- € je Schicht, nicht nach dem Stundensatz der Mehrarbeitsvergütung. Hat der Kläger Erfolg, kippt seine Klage das Zulagengesetz (Gesetz über die Gewährung einer Zulage für freiwillige, erhöhte wöchentliche Regelarbeitszeit im feuerwehrtechnischen Dienst in Nordrhein-Westfalen). Hiervon sind alle Kommunen betroffen, die vom „opt-out"-Modell Gebrauch gemacht haben.

Das Land Nordrhein-Westfalen steht mit dieser bitteren Bilanz nicht alleine da. Erst am 18.06.2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die entsprechende Regelung des Landes Brandenburg für europarechtswidrig erklärt (Az. OVG 6 B 32.15).

Das Gutachten und eine Kurzzusammenfassung stehen unter www.hotstegs-recht.de zum Download zur Verfügung.

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