Entwertung Ihrer Betriebsrenten – und wie Sie trotzdem die volle Rente erhalten

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Kürzung von Rentenzusagen durch Versicherer - Anspruch auf Aufstockung gegen den Arbeitgeber

Erste Versicherer kürzen Renten-Zusagen wegen niedrigen Zinsen

Die ersten Versicherungsgesellschaften haben für ihre fondsgebundenen Lebensversicherungen einer bestimmten Vertragsgeneration den Rentenfaktor gesenkt. Für die Kunden hat das zur Folge, dass die zu Vertragsbeginn in Aussicht gestellte monatliche Rente deutlich niedriger ausfallen wird. Die Inhaber fondsgebundener und anderer kapitalmarktnaher Lebensversicherungen bekommen nun die Folgen der niedrigen Zinsen zu spüren. Alleine bei der Allianz sind rund 700.000 Verträge von der Kürzung betroffen (Quelle: Deutsche Wirtschaftsnachrichten vom 03.01.2017).

Was ist der Rechnungszins?

Der Rechnungszins gibt an, wie hoch bei einer Lebensversicherung die Verzinsung ist, um die vereinbarten garantierten Versicherungsleistungen bei Zahlung der vereinbarten Beiträge auch tatsächlich erbringen zu können. Da immer sichergestellt sein muss, dass diese Leistungen erbracht werden können, handelt es sich um einen Höchstrechnungszins, über den hinaus das Versicherungsunternehmen keine Garantien geben darf. Festgelegt wird dieser Zins vom Bundesfinanzminister, und zwar verbindlich für alle deutschen Versicherungsunternehmen. Dabei schreiben die gesetzlichen Regelungen größte Vorsicht vor.

Einfache Rechnung

Der Rentenfaktor ist eine Umwandlungsquote. Er gibt an, wie viel Euro Monatsrente ein Versicherter in der Auszahlungsphase für jeweils 10.000 Euro Fondsguthaben erhält

Beläuft sich der Rentenfaktor etwa auf 41,29 Euro und die Ablaufleistung auf 80.000 Euro, so erhält der Ruheständler monatlich eine Summe von 330,32 Euro vor Steuern. Die zugrundeliegende Berechnung lautet also:

80.000 /10.000
  = Faktor 8
Faktor 8 x Rentenfaktor 42,29
  = Rente 330,32 EUR
monatliche Rente 330,32 EUR

Komplizierter und oft undurchsichtig ist dagegen die Methode, nach der die Versicherer den Rentenfaktor berechnen. Eine wichtige Größe ist dabei der Rechnungszins, der sich etwa an dem gesetzlich vorgeschriebenen Referenzzins orientiert, mit dem Versicherer ihre Zinszusatzreserve höchstens bewerten dürfen. Wegen des anhaltenden Niedrigzinsniveaus befindet sich dieser im freien Fall. Bis Ende 2017 soll er von aktuell noch 2,54 % auf geschätzte 2,25% fallen.

Eine Senkung des Rentenfaktors ist nur möglich, wenn vertraglich eine sog. Treuhänderklausel geregelt ist und die gesetzlichen Vorgaben dazu erfüllt sind. (Quelle: Fond Online, www.fondsprofessionell.de vom 24.03.2017)

Betroffen sind aktuell folgende Gesellschaften.

  • Allianz Leben: Herabsetzung Rechnungszins für den Rentenfaktor von 2,75 oder 2,25 % auf 1,75 % (betroffen sind kapitalmarktnahe Tarife aus der Zeit zwischen Juli 2001 bis Dezember 2011: die Vorsorgekonzepte Invest, Invest mit Garantie, Invest alpha-Balance, Index-Select)
  • AXA Lebensversicherung: Herabsetzung Rechnungszins für den Rentenfaktor von 1,75 % auf 1,25 % (Abschluss zwischen 2000 und 2014, rentennahe Tarife sowie Tarife im Rentenbezug sind nicht betroffen)
  • R+V Lebensversicherung: Herabsetzung Rechnungszins für den Rentenfaktors auf 0,90 % (betroffen sind die Verträge, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden)
  • VHV Gruppe: Herabsetzung Rechnungszins für den Rentenfaktor von 1,25 % auf 0,90 % (betroffen sind die fondsgebundenen Rentenversicherungen von 2004 bis 2016, Ausnahmen sind die Rentenfaktoren für die Verrentung einer vereinbarten Beitragsgarantie der statischen Hybridprodukte)

Besonderheit bei betrieblicher Altersversorgung:

Arbeitgeber haftet für Fehlbeträge

Betriebsrentner können aufatmen:

Für sie gilt die Herabsetzung der Leistung im Versicherungsvertrag (etwa bei einer Direktversicherung oder einem Pensionskassenvertrag) nicht. Der Arbeitgeber muss für eventuelle Kürzungen einstehen.

Die Verpflichtung zur Gewährung der zugesagten betrieblichen Versorgungsleistung ergibt sich aus dem Arbeitsverhältnis. Störungen im Vertragsverhältnis zum Versicherer schlagen nicht automatisch auf den Arbeitgeber durch. Der Arbeigeber muss die entstehenden Lücken auffüllen.

Sagt der Arbeitgeber z.B. seinen Mitarbeiter keine feststehende Versorgungsleistung, sondern einen festgelegten Finanzierungsbeitrag zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung zu, so bezieht sich das Leistungsversprechen des Arbeitgebers auf diesen eingezahlten Finanzierungsbetrag. Die Höhe der Versorgungsleistungen ergibt sich aus der Summe der Beiträge und die aus diesen Beiträgen erwirtschafteten Erträge. Das Kapitalanlagerisiko und Finanzierungsrisiko im Hinblick auf die Mindestleistung liegt beim Arbeitgeber.

Er haftet somit auch bei schlechter Performance mindestens für den Erhalt der von Ihnen zugesagten und zur Verfügung gestellten Finanzierungsbeiträge zu ihrem Nominalwert bei Rentenbeginn. Man spricht hier von einer Beitragszusage mit Mindestleistung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG).

Bundesarbeitsgericht bestätigt Einstandspflicht des Arbeitgebers

Das eine solche Einstandspflicht für den Arbeitgeber gegeben sein kann, bestätigt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung.

So hat das BAG jüngst den Leitsatz aufgestellt (BAG, Urteil vom 19. Juni 2012 – 3 AZR 408/10BAGE 142, 72-86):

  1. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, die über eine Pensionskasse durchgeführt werden, und macht die Pensionskasse von ihrem satzungsmäßigen Recht Gebrauch, Fehlbeträge durch Herabsetzung ihrer Leistungen auszugleichen, hat der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG dem Versorgungsempfänger im Umfang der Leistungskürzung einzustehen.
  2. Von dieser Einstandspflicht kann der Arbeitgeber sich durch vertragliche Abreden nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer befreien.

Das bedeutet: Oft hat der Arbeitgeber für Kürzungen durch das Versorgungsunternehmen unmittelbar einzustehen.

Wir prüfen für Sie, ob ein solcher Anspruch auf Aufstockung gegenüber dem Arbeitgeber besteht.

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