EU-Erbengemeinschaft in Deutschland verklagen?

28. September 2014 Thema abonnieren
 Von 
altobelli123
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 4x hilfreich)
EU-Erbengemeinschaft in Deutschland verklagen?

Hallo zusammen,

folgende Fragestellung:

Auftraggeber (Niederländer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland) erteilt Journalist (wohnhaft und arbeitend in Deutschland) einen sehr umfassenden Textauftrag. Journalist liefert Textauftrag ab. Bevor es zur Zahlung des vereinbarten Honorars kommt, verstirbt der Auftraggeber unerwartet in Deutschland.

Auf der Sterbeurkunde ist ein niederländischer Wohnort als Wohnsitz eingetragen. Erbengemeinschaft sind niederländische Staatsbürger, wohnhaft eben dort. Erbschaft wird angenommen. Erbengemeinschaft will nicht bezahlen, hält Journalist ein Jahr hin.

Schriftlich ist kein Erfüllungsort oder Gerichtsstand festgehalten.

1. Gilt deutsches Recht?
2. Gegen wen richtet sich die Klage?
3. Kann der Journalist in Deutschland klagen?

LG

altobelli


-- Editiert altobelli123 am 28.09.2014 19:59

-- Editiert altobelli123 am 28.09.2014 20:00

-- Editiert altobelli123 am 28.09.2014 20:02

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10 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
astrachan
Status:
Frischling
(39 Beiträge, 43x hilfreich)

für alle fragen hier ausnahmesweise sogar ja, aber nur weil es um die Niederlande geht und der erblasser seinen letzten Aufenthalt hier hatte. es kommt zu einer vollständigen rückverweisung.

1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47501 Beiträge, 16808x hilfreich)

Mit Erbrecht und dem damit verbundenen internationalen Privatrecht hat das Ganze nichts zu tun.

Es gilt deutsches Recht, weil der Vertrag, aus dem die Forderung entstanden ist, nach deutschem Recht in Deutschland abgeschlossen wurde.

Wie man dann ein nach deutschem Recht in Deutschland gefälltes Urteil in den Niederlanden vollstrecken kann, ist dann wieder eine ganz andere Sache.

zu 1.: Ja
zu 2.: Gegen jede einzelne Person der Erbengemeinschaft
zu 3.: Ja, nach meiner Auffassung kann er sogar nur in Deutschland klagen.

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2x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
astrachan
Status:
Frischling
(39 Beiträge, 43x hilfreich)

das sehe ich im Ergebnis alles komplett genauso. ein erbrechtliches problem ist das ganze aber schon,
man muss ja irgendwie die erben mit auf die sozusagen "vertragsgegenseite" kriegen, und das geht materiellrechtlich nur über die gesamtrechtsnachfolge, aus der das ganze eine nachlassforderung wird etc.
prozessual gilt für alle punkte das gleiche, ändert aber hier nichts am Ergebnis.

ein praktisches Problem dürfte eher werden, nachzuweisen, dass der tote seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt auch wirklich in deutschland hatte.

2x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
astrachan
Status:
Frischling
(39 Beiträge, 43x hilfreich)

hi,
hier nochmals etwas ausführlicher:

Falls sich genug Beweise beschaffen lassen, um trotz des Sterbeortes auf der Sterbeurkunde den letzten gewöhnlichen Wohnsitz –(nicht Aufenthalt)- in Deutschland zu beweisen - (mindestens: Melderegisterauszug, idealerweise Handelsregisterauszug, Steuer- und Rentenbescheide, Telefonrechnungen , soweit leidlich legal zu beschaffen) - sollte man dem Gericht zum Punkt, internationale Zuständigkeit, Gerichtsstand der Beklagten, Rechtsnachfolge der Erben in den Vertrag, folgendes mitteilen:

Das angerufene Gericht beurteilt das anzuwendende Recht nach seinem eigenen IPR, auch die Vorschriften des Verfahrensrecht sind die lex fori, hier also die deutsche ZPO.

Gem. Art. 25 EGBGB ist das auf Erbfälle anzuwendende Recht, dass der Staatsangehörigkeit der Erblasser. Der Erblasser war Niederländer. Damit verweist das deutsche IRP auf niederländisches Recht. Diese Verweisung ist aber eine auf die gesamte niederländische Rechtsordnung inkl. dem niederländischen IPR (Art. 4 Abs.1 S.1 EGBGB ).
Das niederländische Erbrecht ist seit dem 1. Jan. 2012 kodifiziert in Buch X Titel „det Burgerlijk Wetboek", das „Erfrecht" in Art. 145 bis 152. Hier geht es um Art. 149:"De vereffening van de nalatenschap wordt door het Nederlandse recht beheerst indien de erflater zijn laatste gewone verblijffplaats in Nederland had". Zu Deutsch: „Die Abwicklung der Erbschaft unterliegt niederländischesm Recht, wenn der Erblasser seinen letzten ordentlichen Wohnsitz in den Niederlanden hatte."

Wenn man jetzt beweisen kann, dass der letzte ordentliche Wohnsitz tatsächlich in Dtl. lag, kommt es damit nach niederländischem IPR auf den Sterbeort und die Staatsangehörigkeit überhaupt nicht an, sondern es kommt aus dem niederländischen IPR zu einer Rück-verweisung („Renvoi") auf deutsches Recht. Diese Gesamtrückverweisung nimmt das deutsche IPR an und behandelt sie als eine auf deutsches Sachrecht (Art.4 Abs.1 S.2 EGBGB ).

Damit ist man jetzt in den oben von Tao sicher beschriebenen Fahrwassern deutschen Erbrecht, soweit es um die Rechtsnachfolge in die Schulden aus dem Vertrag geht (§ 1922BGB) und die Rechtsstellung der Beklagten als Gesamthandsgemeinschaft geht.

Prozesssual: Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt hier tatsächlich einfach aus der nationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte, weil der Erblasser seinen letzten allgemeinen Gerichtsstand hier hatte, wenn er seinen letzten ordentlich Wohnsitz hier hatte (§ 27 ZPO ).

Vermeiden muss man, dass das Gericht ein MPI-Gutachten zum niederländischen Recht einholen will, weil das zu teuer werden dürfte, auch wenn es nur um einen Satz geht.
Falls es um weniger als € 2000,- kann man auch ein Verfahren nach der EU-Verordnung 861/2007 andenken. Das hat einige Vorteile: Mündliche Verhandlung über Telefonkonferenz etc. Auch da fallen aber Über-setzungskosten an.

Mfg astrachan

1x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47501 Beiträge, 16808x hilfreich)

Dass für die eigentlichen Auftrag deutsches Recht anzuwenden ist, ist doch wohl offensichtlich und hat nichts mit den Ausführungen zum IPR für das Erbrecht zu tun. Die Zahlungsklage ist daher eindeutig nach deutschem Recht vor einem deutschen Gericht einzureichen.

Dann stellt sich die Frage, wer in so einem Fall Beklagter ist. Diese Frage ist tatsächlich anhand der Ausführungen von astrachan zu beantworten. Offenbar ist aber schon klar, wer zur Erbengemeinschaft gehört, womit sich die komplizierten Betrachtungen von astrachan erübrigen.

Insgesamt geht es bei der Zahlungsklage um Vertragsrecht und nicht um Erbrecht.

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1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
astrachan
Status:
Frischling
(39 Beiträge, 43x hilfreich)

ich glaube nicht, das sich die ausführungen von astrachan erübrigen, gebe aber zu, dass es taktisch besser ist, diese erwägungen wie auch die in der ausgangsfrage erstmal zurückzuhalten. es gibt keinen grund, gegen die darlegungs- und beweislast zu plädieren. es kann ja auch sein, dass die beklagten all das nicht problematisieren, auch wenn es unwahrscheinlich ist: es ist ihre erste verteidigungslinie. deshalb: wenn klage nur so tun, als würde man den verstorbenen verklagen aber die mitglieder der erbengemeinschaft als beklagte bennennen, und alle eventuellen probleme erstmal zurückhalten. wenn sie sich entsprechend verteidigen, wird aber all das relevant werden.

1x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
altobelli123
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 4x hilfreich)

Vielen Dank, dass Ihr Euch hier so reinhängt.

Von einem niederländischen Anwalt erhielt ich nun folgende Auskunft:

Da der Auftraggeber verstorben sei und die Erben in den Niederlanden wohnen sei aufgrund von Artikel 2 EEX-Verordnung der niederländische Gericht zuständig, den Geldanspruch zu beurteilen. Dabei käme deutsches Recht zum Einsatz.

Ein deutscher Anwalt verwies mich auf Art. 5 Absatz 1 Nr. 1 lit. a) E***VO: Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

Erfüllungsort sei gem. § 269 BGB der Wohnsitz der Schuldners zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Da der Niderländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt damals in Deutschland gehabt habe könnte auch in Deutschland geklagt werden. (diese Ansicht bestätigt also Eure Meinungen).

Wer hat jetzt Recht?

Und gilt der LETZTE gewöhnliche Aufenthalt oder der gewöhnliche Aufenthalt ZUM ZEITPUNKT des Vertragsschlusses?

Die Erben sind übrigens eindeutig namentlich bestimmt. Also müssten diese drei Personen auch einzeln verklagt werden?

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2x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
astrachan
Status:
Frischling
(39 Beiträge, 43x hilfreich)

hi,
sorry, sehe erst jetzt, dass das thema noch weiter ging. ich war oben stillschweigend, davon ausgegangen, dass eine klage in den niederlanden sowieso zulässig ist, darüber braucht man auch nicht viel streiten, ich nahm nur an dass aus kostengründen deutschland vorgezogen wird. wenn prozess in den niederlanden finanzierbar, lieber da klagen, weil erfahrungsgem. nur so der gegenseite wirklich klar wird, dass man es ernst meint. die drei personen werden als gesamtschuldner verklagt. für den erbrechtlichen teil bezügl. der rechtsfolge, kommt es nur auf den letzten gewöhnlichen aufenthalt zum zeitpunkt des todes an (siehe oben zum niederländischen ipr).
mfg astrachan.

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1x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
altobelli123
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 4x hilfreich)

quote:
ich nahm nur an dass aus kostengründen deutschland vorgezogen wird.


Genau das ist meine Erwägung. In Deutschland wäre es deutlich günstiger für mich.

quote:
wenn prozess in den niederlanden finanzierbar, lieber da klagen, weil erfahrungsgem. nur so der gegenseite wirklich klar wird, dass man es ernst meint.


Interessanter Ansatz. Meine Überlegung ging eher in die andere Richtung: Und zwar, dass die Gegenseite wesentlich weniger Lust hat, einen Prozess "im Ausland" - also in Deutschland - zu führen.

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2x Hilfreiche Antwort

#10
 Von 
astrachan
Status:
Frischling
(39 Beiträge, 43x hilfreich)

richtig, nur könnte die Gegenseite auf die Idee kommen einfach ein deutsches Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen. und dieses müsste dann erstmal auch in den niederlanden für vollstreckbar erklärt werden, so denn alle nachlassgegenstände mittlerweile vermutlich dort sein dürften. theoretisch sollte das auch kein problem sein, praktisch aber schon.

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