Dope und Spiele

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"Ich kann mir das nicht erklären, und es tut mir wahnsinnig leid." Da sitzt der Sportler, blickt in die Kamera und weint bitterlich. Die Rede ist nicht von Michael Schumacher, sondern von dem Leichtathleten C. J. Hunter. Ein Koloss von einem Mann, breit wie tief wie hoch und drei Zentner schwer.
Die Tränen ins Rollen brachte die Nachricht vom vierten positiven Doping-Test des Riesen. Dem amerikanischen Kugelstoßweltmeister und Ehemann von Supersprinterin Marion Jones wurde ein Nandrolonwert nachgewiesen, der den zulässigen Grenzwert um das Tausendfache überschritt.

In die morgendlichen olympischen Nachrichten über gewonnene oder verlorene Medaillen mischt sich immer wieder ein neuer Dopingfall. Sportereignisse in Atlanta oder Lillehammer, die Tour de France und jetzt Sydney, ein Skandal jagt den nächsten. Jeden Morgen. Und täglich grüßt das Murmeltier.
Unsere deutsche Langstreckengazelle und Hobbysaubermann Dieter Baumann wurde ebenfalls des Dopings mit Nandrolon überführt. Seine überaus unterhaltsame Zahnpasta-Theorie beschäftigte ein wenig die Justiz, konnte aber keinen Olympiastart erzwingen. Andere Länder ziehen aus Angst vor Dopingkontrollen ganze Mannschaften von den Sommerspielen zurück, und nicht so Vorsichtige müssen ihre Medaillen nachträglich wieder abgeben.

Gähn. Wie sich die Bilder gleichen. Da sitzen die erwischten Athleten mit dem Rücken zur Wand und beteuern ihre Unschuld. Sie können es sich überhaupt nicht erklären, und es tut ihnen wahnsinnig leid. Sie wollten doch nur ihren Husten auskurieren, das eingenommene Mittel ist in ihrem Fall nicht leistungssteigernd, oder der Arzt ist Schuld. Manchmal auch einfach die Zahnpasta. Oder die Tasse Kaffee.
Die Spielregel besagt: Wer dopt, der fliegt. Fertig. Befindet sich eine verbotene Substanz im Blut, dann ist es aus. Sportler wissen das, und wenn sie eine verbotene Substanz gegen Husten verwenden, dann spielen sie wissentlich mit dem (olympischen) Feuer. Genauso verhält es sich mit der Kaffeetrinkerei: Koffein ist ein Aufputschmittel und über einen bestimmten Wert hinaus für Sportler eine verbotene Substanz - das weiß man, warum lässt man bei Wettkämpfen nicht die Finger davon? Die Ärzte sind Schuld? Oh bitte! Wer als Spitzensportler in der heutigen Zeit ohne Hinterfragung Pillen schluckt, handelt zumindest fahrlässig. Oder nehmen Sie ohne zu zögern ein Paket mit über die Grenze, wenn Sie ein netter Herr lieb darum bittet? Die Polizei lacht Sie aus, wenn Sie dann auf der Wache erzählen wollen, Sie hätten von dem Kokain in dem Paket nichts gewusst.

Dabei sind die Entschuldigungen und Ausreden ja eigentlich völlig nebensächlich. Die Frage ist doch: warum schauen wir uns den Quatsch noch länger an und jagen die Einschaltquoten in die Höhe? Weil wir höher und weiter wollen. Weil Wettkämpfe ohne Rekorde langweilig sind. Weil der olympische Geist, wenn es ihn denn mal gegeben hat, schon längst nicht mehr in unseren Köpfen sein Unwesen treibt. Auch die Lobeshymnen der Presse für einen Afrikaner, der in Sydney beim Schwimmen antrat, obwohl er das gerade erst gelernt hatte, können nicht über eine Tatsache hinwegtäuschen: Wir sind geil. Geil auf Gold. Und wenn unsere sonst erfolgreichen Schwimmer nicht mit einer großen Portion von diesem Gold nach Hause kommen, werden sie gnadenlos zerissen. Denn wenig Medaillen bedeutet Schimpf und Schande für die Nationenehre.

Hier geht es doch nicht darum, ob gewisse Sportler von ihren unerlaubten Dopingmitteln nun etwas wussten oder nicht. Ob sie es sich überhaupt nicht erklären können und ob es ihnen leid tut. Langweilig. Hier geht es um Gold, denn Gold ist Ansehen, Ansehen ist Geld, und Geld ist Macht. Und wer Macht haben oder sich diese erhalten will, der gebraucht schon mal verbotene Mittel. So ist das eben. Wer hier wem was in die Limonade kippt ist da völlig nebensächlich.

Jedenfalls kann einem "Dope und Spiele" wahnsinnig auf den Keks gehen. Die Unschuldslämmer weinen zu sehen ist erbärmlich. Da gibt unser Altkanzler eine wesentlich bessere Figur ab. Helmut Kohl war an der Macht, und da wollte er bleiben. Ein paar Spenden hier, ein paar Spenden da. Und das Schöne daran: Kohl konnte es sich erklären, und es tat ihm nicht so wirklich leid. Na also.