Die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO

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Wie funktioniert eine Selbstanzeige?

Die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO

Wer nach einer Steuerhinterziehung unrichtige oder unvollständige Angaben berichtigt, ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird nach § 371 Abs. 1 AO straffrei. Allein aufgrund fiskalischer Erwägungen hat der Staat diese Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige geschaffen. Er hat bei einer Selbstanzeige Straffreiheit in Aussicht gestellt, um Hinweise auf bisher verschlossene Steuererquellen zu erlangen und gegebenenfalls zu Unrecht geltend gemachte Steuererstattungen zurück zu erhalten.

Die strafbefreiende Selbstanzeige stellt einen so genannten persönlichen Strafaufhebungsgrund für den Täter oder Teilnehmer dar, der die Selbstanzeige erstattet. Juristisch verbleibt es zwar bei der Steuerhinterziehung, jedoch verzichtet der Gesetzgeber auf seinen Strafanspruch. Insbesondere haftet der Steuerhinterzieher weiter für die hinterzogene Steuer nach § 71 AO. Weiter entstehen auch Hinterziehungszinsen nach § 235 AO.

Michael Wieck
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Zu beachten ist, dass die strafbefreiende Selbstanzeige lediglich Wirkung hinsichtlich Steuerstraftaten hat. Jedoch hat der Anzeigenerstatter den Vorteil, dass seine Angaben unter das Steuergeheimnis nach § 30 AO fallen, so dass die Verfolgung anderer Straftaten grundsätzlich nicht droht.

Der Steuersünder muss die Strafanzeige persönlich erstatten, wobei er jedoch auch einen Vertreter einsetzen kann, das heißt in der Regel wird dies ein Rechtsanwalt oder Steuerberater sein, den er zuvor beauftragt hat. Entscheidend ist, dass die Selbstanzeige auf Veranlassung des Täters erstattet wird.

Zwar besteht keine bestimmte Erklärungsform, so dass die Selbstanzeige theoretisch auch fernmündlich abgegeben werden kann, jedoch sollte aus Beweisgründen eine schriftliche Selbstanzeige erfolgen. Weiter sollte man den Zugang der Selbstanzeige bei den Finanzbehörden beweisen können. Darüber hinaus sollte bei der zuständigen Behörde die Selbstanzeige erstattet werden. Von einer Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft sollte tunlichst abgesehen werden, da die Selbstanzeige erst ihre Wirkung entfaltet, wenn sie bei den Finanzbehörden eingegangen ist.

Die Anforderungen an die strafbefreiende Selbstanzeige sind dergestalt, dass die unrichtige oder unvollständige Angabe berichtigt, ergänzt oder unterlassene Angaben wahrheitsgemäß nachgeholt werden müssen. Insbesondere muss der eigene Tatbeitrag entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes offen gelegt werden. Durch die Strafanzeige muss die Finanzbehörde in die Lage versetzt werden, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollständig aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen.

Wenn der Steuerpflichtige selbst die genaue Höhe der hinterzogenen Steuern nicht weiß, besteht die Möglichkeit, dass er einen sorgfältig begründeten Schätzvorschlag unterbreitet. Im Zweifel sollte eine eher zu hohe Schätzung durchgeführt werden, damit nicht eine Straftat verbleibt.

Straffreiheit nach § 371 Abs. 3 AO erlangt nur derjenige, der innerhalb einer bestimmten Frist die hinterzogene Steuer nachentrichtet. Erst mit der vollständigen und fristgerechten Zahlung der hinterzogenen Steuer erlangt der Täter endgültig Straffreiheit.

Insbesondere ist bei einer strafbefreienden Selbstanzeige § 371 Abs. 2 AO zu beachten, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige dann nicht mehr möglich ist, wenn ein Amtsträger bereits „erschienen“ ist, dem Täter bereits die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder die Tat zum Zeitpunkt der Berichtigung bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

Der Ankauf einer Steuer-CD durch die Länder

Insbesondere der letzte Punkt ist hinsichtlich der „Steuer-CDs“, die verschiedene Finanzverwaltungen aufgekauft haben, von besonderer Bedeutung. Jüngst wurde am 09.06.2010 bekannt, dass der Bund zusammen mit der niedersächsischen Regierung in Hannover eine „Steuer-CD“ mit über 20.000 Datensätzen vermeintlicher Steuerhinterzieher angekauft hat. Besonders in diesen Fällen muss geprüft werden, ob eine strafbefreiende steuerliche Selbstanzeige noch möglich ist oder nicht. Der Sachverhalt sollte mit einem auf diesem Gebiet spezialisierten Rechtsanwalt ausführlich beraten werden, da eine Vielzahl von juristischen, steuerstrafrechtlichen Details zu beachten sind.

Die Selbstanzeige als Nachlassregelung

Nach wie vor stellt die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO jedoch eine einmalige Gelegenheit für den Steuerhinterzieher dar, wieder Straffreiheit zu erlangen. Insbesondere ältere Steuerpflichtige können und sollten von der Selbstanzeige Gebrauch machen, um nicht ihre Erben zu belasten oder sie gar in die Strafbarkeit zu drängen.

In der Praxis hat sich bei dem Verfasser des Artikels gezeigt, dass in vielen Fällen der Selbstanzeige die ertragsteuerlichen und erbschaftsteuerlichen Auswirkungen wegen Verjährungstatbestände gar nicht so gravierend sind, wie der Steuerpflichtige dachte. Die Steuernachzahlungen halten sich dadurch häufig in Grenzen.

Die strafbefreiende Selbstanzeige stellt insofern auch ein wirksames und zum Teil notwendiges Instrument der nach Nachlassregelung und Erbfolgeregelung dar.

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