Die neue EU-Erbrechtsverordnung

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Auswirkungen für Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien

Am 08.06.2012 hat der Rat der EU-Justizminister dem Entwurf der Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (im Folgenden: EU-Erbrechtsverordnung) zugestimmt. Diese wird im Jahre 2015 zur Anwendung kommen und regelt insbesondere die für einen internationalen Erbfall zuständigen Gerichte und das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht. Die jeweiligen nationalen erbrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Steuerrechtliche Konsequenzen sieht die EU-Erbrechtsverordnung nicht vor. Für Großbritannien, Dänemark und Irland wird die EU-Erbrechtsverordnung nicht wirksam werden.  

1. Die gerichtliche Zuständigkeit auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen:

Robert Engels
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In den Artikeln 4 fortfolgende der Verordnung wird zunächst die gerichtliche Zuständigkeit der Gerichte für die Rechtsnachfolge von Todes wegen normiert. Grundsätzlich sollen danach die Gerichte zuständig sein, in denen der Erblasser im Zeitpunkt des Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Unter bestimmten Voraussetzungen sind jedoch auch Gerichtstandsvereinbarungen im Rahmen eines Testamentes oder Erbvertrages zulässig. Hierdurch soll verhindert werden, dass mehrere Gerichte für die Rechtsnachfolge von Todes wegen zuständig sein könnten, so dass je nach Interessenlage die Gerichte des einen oder des anderen Staats angerufen werden.   

2. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht:

In den Artikeln 20 fortfolgende finden sich Bestimmungen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht.

Momentan gilt in vielen Vertragsstaaten der Europäischen Union, so auch in Deutschland, das Staatsangehörigkeitsprinzip. Die Rechte aus dem Nachlass ergeben sich in diesem Fall aufgrund der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Verstirbt also beispielsweise ein Deutscher mit Wohnsitz in Spanien, so wird bisher deutsches Erbrecht angewendet.

Nach dem Entwurf der EU-Erbrechtsverordnung wird dieses Prinzip durch das Prinzip des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes ersetzt werden. Verstirbt also in Zukunft (ab 2015) ein Deutscher mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien, wird grundsätzlich spanisches Erbrecht angewendet werden.

Nur in Ausnahmefällen und wenn „offensichtlich“ eine engere Verbindung zu einem anderen Staat besteht, kann das Recht dieses Staates zur Anwendung kommen.

Die EU-Erbrechtsverordnung sieht jedoch auch die Möglichkeit vor, das Heimatrecht (also das Recht der eigenen Staatsangehörigkeit) für die Rechtsnachfolge von Todes wegen zu wählen. Mit anderen Worten: Der in Spanien ansässige deutsche Staatsbürger kann durch die formgültige Rechtswahl im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen festlegen, dass die Erbfolge in Bezug auf seinen Nachlass weiterhin durch deutsches Recht bestimmt werden soll.

Inhaltlich bestimmt das anzuwendende Recht die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen, also u.a. auch die Bestimmung der gesetzlichen Erben und der entsprechenden Erbanteile, die Pflichten der Erben, die Erbansprüche überlebender Ehegatten, die rechtliche Form des Übergangs des Eigentums an den Vermögenswerten des Nachlasses, die Rechte der Vermächtnisnehmer und der Pflichtteilsberechtigten, die Rechte des Testamentsvollstreckers, etc...

3. Weitere Bestimmungen:

Weiterhin finden sich in dem Entwurf für die neue EU-Erbrechtsverordnung Vorschriften über die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Formgültigkeit von schriftlichen Verfügungen von Todes wegen.

Auch die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen wird geregelt.

Schließlich wird durch Artikel 62 fortfolgende der EU-Erbrechtsverordnung ein einheitlicher europäischer Nachweis über die Erbenstellung (Europäisches Nachlasszeugnis) eingeführt.

Fazit:

Ob die neue EU-Erbrechtsverordnung speziell im Bereich von internationalen Erbfällen im Verhältnis Deutschland-Spanien zu einer Vereinfachung der Nachlassabwicklung führen wird, bleibt abzuwarten.

Sicherlich ist die Einführung des europäischen Nachlasszeugnisses eine Maßnahme, die zu einer Vereinfachung der Nachlassabwicklung führt, da die deutschen Erbscheine bisher der Überbeglaubigung mit einer Apostille gemäß dem Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation bedürfen. Auch die bisher erforderlichen Übersetzungen der Erbscheine werden entfallen.

Problematisch erscheint jedoch, dass in Spanien unterschiedliche erbrechtliche Regelungen in den einzelnen autonomen Gebieten gelten. Die gesetzliche Erbfolge weicht, je nachdem ob beispielweise nationales spanisches Recht oder katalanisches Foralrecht zur Anwendung gelangt, stark voneinander ab. Hierzu sieht die EU-Erbrechtsverordnung in ihrem Artikel 36 vor, dass in solchen Fällen, die „internen Kollisionsvorschriften“ dieses Staates die „Gebietseinheit“ bestimmen, deren Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Ein Deutscher, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hat, muss also damit rechnen, dass beispielsweise katalanisches Foralerbrecht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden sein könnte, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt an der Costa Brava hat. Dies kann sich ändern, wenn er nun seinen Wohnsitz auf die Balearen verlegt.

Dieser Umstand führt naturgemäß zu Unsicherheiten für Deutsche, die ihren Wohnsitz in Spanien haben. Sie sollten daher prüfen lassen, ob die nach Eintritt der Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung für sie geltende Rechtsfolge auch die von ihnen Gewünschte ist und welche Folgen eine mögliche Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltes haben könnte.  

War die Erstellung eines Testamentes oder eines Erbvertrages schon bisher ratsam, wird ein solches Vorgehen für Personen, die nicht ausschließen können, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Laufe ihres Lebens noch ändern zu wollen, nun dringend zu empfehlen sein, um die Möglichkeiten der Rechtswahl Ihres Heimatrechtes und die damit einhergehende Rechtssicherheit auszuschöpfen.  

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Robert Engels
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Leserkommentare
von Rechtsanwalt Robert Engels am 18.10.2012 18:06:42# 1
Aktualisierung:

Die neue EU-Erbrechtsverordnung ist am 04. Juli 2012 als VERORDNUNG (EU) Nr. 650/2012 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 4. Juli 2012 beschlossen worden und mittlerweile in Kraft getreten.

Die VO 650/2012 ist auf Erbfälle ab dem 17.08.2015 anwendbar. Verstirbt der Erblasser ab diesem Zeitpunkt, wird der Erbfall unter der Anwendung des Rechtes seines gewöhnlichen Aufenthaltes geregelt, unbeschadet einer entgegenstehenden Rechtswahl.
    
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