Die Zulässigkeit von Tagesverträgen bei der Berliner Stadtreinigung (BSR)

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Laut aktuellen Presseberichten (Berliner Morgenpost von Ostern 2011) hat die Berliner Stadtreinigung (BSR)  Arbeitskräfte als Hilfsarbeiter über Jahre nur mit Tagesverträgen beschäftigt. Der (vermeintliche) Vorteil für die BSR laut Berliner Morgenpost: Sie musste keine Sozialversicherungsabgaben zahlen und konnte den Beschäftigen gleich in bar auszahlen. Weiterer (vermeintlicher) Vorteil: Dem „Tagelöhner" muss nicht gekündigt werden. Die BSR scheint sich zu erhoffen, die lästigen Kosten eines Kündigungsschutzverfahrens einzusparen.

Welche Rechte hat ein saisonal oder über Jahre beschäftigte Hilfskraft? Kann sich ein „Tagelöhner" in solchen Fällen gerichtlich zur Wehr setzen? Ganz eindeutig: Ja! Der „Tagelöhner" kann vor dem Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorliegt.

Die allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen verbieten einen exzessiven Umgang mit befristeten Arbeitsverträgen. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) erlaubt sogenannte Kettenbefristungen grundsätzlich nur dann, wenn ein sachlicher Grund hierfür vorliegt.

Ein sachlicher Grund liegt nach diesem Gesetz unter anderem dann vor, wenn ein nur vorübergehender Bedarf an Arbeitsleistung besteht. Sollte ein vorübergehender Bedarf oder ein anderer sachlicher Grund nicht bestehen, ist ein befristetes Arbeitsverhältnis nur 3-mal innerhalb von 2 Jahren verlängerbar.

Hiervon kann nach § 14 Abs. 2, Satz 3-4 TzBFG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 TzBFG durch Tarifvertrag zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden. Ein Tarifvertrag kann also bestimmen, dass Saisonkräfte abweichend von den Bestimmungen des TzBfG eingesetzt werden können.

Für den Winterdienst ist es laut Tarifvertrag zwischen Ver.di und dem Kommunalen Arbeitgebervertrag erlaubt, tageweise Hilfskräfte zum Schneeschippen und zur Beseitigung von Splitt einzusetzen. Dieser Tarifvertrag hebelt offenbar die Bestimmung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG aus, nachdem die Befristung eines Arbeitsverhältnisses unzulässig ist, falls zuvor ein befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitnehmer bestand.

Fraglich ist zum einen, ob sich eine solche über Jahre – im von der Morgenpost berichteten Fall über 6 Jahre – und über einen jeweils langen Zeitraum praktizierte Befristung überhaupt noch wirksam auf den Tarifvertrag stützen kann.

Soweit die Arbeiter außerdem mit anderen Arbeiten, als den im Tarifvertrag ausdrücklich aufgeführten beschäftigt werden, ist weiter fraglich, ob der Tarifvertrag auf diese Mitarbeiter überhaupt noch anwendbar ist.

Fehlt es an einer Anwendbarkeit greift die Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 2, Satz 3-4 TzBFG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 TzBFG nicht. Die Befristung ist dann nach allgemeinem Befristungsrecht zu beurteilen (s.o.). Viele Befristungen dürfte den dann geltenden Kriterien kaum standhalten. Die Folge: Die Arbeitnehmer haben automatisch einen unbefristeten Vertrag.
 
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer: Sollten Sie tageweise als Saisonkraft beschäftigt sein, kann es sein, dass Sie tatsächlich bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis haben. Das gilt besonders, wenn Sie wiederholt beschäftigt wurden und (falls dies bei der BSR geschah) auch mit Arbeiten außerhalb des Winterdienstes befasst wurden. Beachten Sie aber unbedingt, dass Ihre Klage vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses spätestens 3 Wochen nach Ende des letzten Arbeitstages erhoben werden muss. Ist diese Frist versäumt, kann in der Regel nichts mehr gerettet werden.

Fachanwaltstipp Arbeitgeber: Vorsicht mit Tagesverträgen! Auch wenn der Tarifvertrag diese Möglichkeit bereit hält und dies auch in Zeiten wetterbedingter Arbeitsüberlastung durchaus Sinn macht, ist es sehr gefährlich, das Recht zum Abschluss von Tagesverträgen zu überspannen. Ihnen droht eine Entfristungsklage mit der möglichen Folge, dass Sie entweder eine hohe Abfindung zahlen müssen oder einen, bzw. viele unbefristeten Mitarbeiter zusätzlich  haben.