Die Vaterschaftsanfechtung oder Gentests sind rechtswidrig

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Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein verheirateter Mann hat rechtlich gesehen ein Kind. Er geht zu einem neuen Arzt, vielleicht um eine Routineuntersuchung zu machen. Der Arzt – ein Urologe – fragt mehr beiläufig, ob der Mann denn Kinder habe. Dabei wartet er nicht die Antwort ab, sondern gibt sie sofort selbst: „Nein, das könne bei dieser Krankenakte überhaupt nicht möglich sein". Als der Mann dies hört, trifft ihn dies wie ein Schlag, denn er hatte schon – zumindest vor dem Gesetz - eine Tochter. Er hatte bisher keinen Anlass gehabt, daran zu zweifeln. Darauf hin stellt er seine Frau zur Rede und verlangt zur Klärung ein Gespräch und einen DNAtest. Die Frau verweigert dies hartnäckig. Der Mann wusste sich nicht anders zu helfen und macht zur Vergewisserung einen heimlichen Gentest, in dem er – heimlich – ein „ausgespucktes Kaugummi" untersuchen ließ.

Das Ergebnis war eindeutig. Er war nicht der Vater. Er ficht daher die Vaterschaft an und legt dazu einen heimlich eingeholten Gentest vor. Er verliert vor dem Amtsgerichts Hildesheim (Az.: 37 F 37525/02), dem Oberlandesgericht Celle und dann auch vor dem Bundesgerichtshof. Die Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof vom 12. Januar 2005 wurde von dem Autor unter http://www.123recht.de/article.asp?a=11529 beschrieben und besprochen.

Klaus Wille
Rechtsanwalt
Waidmarkt 11
50676 Köln
Tel: 0221-79077052
Web: http://www.anwalt-wille.de
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Arbeitsrecht, Kindschaftsrecht, Familienrecht

Der Vater legt gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofes Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass ein heimlich durchgeführter Gentest nicht vor Gericht verwertet werden dürfe (vgl. BVerfG, 1 BvR 421/05 vom 13.2.2007, Absatz-Nr. (1 - 102),http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20070213_1bvr042105.html

  1. Aktuelle rechtliche Situation

    §1592 BGB legt fest, dass Vater eines Kindes entweder der Mann ist,

    • der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder

    • der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2), und schließlich

    • der, dessen Vaterschaft nach § 1600 d BGB oder § 640 h Abs. 2 ZPO gerichtlich festgestellt ist (Nr. 3).


    Die Anerkennung der Vaterschaft bedarf der Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB).Bei späteren Zweifeln an der Vaterschaft kann der Mann gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwar die Vaterschaft vor dem Familiengericht anfechten. Die Anfechtung hat aber nach § 1600 b Abs. 1 BGB binnen zwei Jahren ab dem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem der Mann von Umständen erfahren hat, die gegen seine Vaterschaft sprechen. In diesem Verfahren während des gesamten Verfahrens die Vermutung, dass das Kind von ihm abstammt (§ 1600 c Abs. 1 BGB). Problematisch ist hier, dass die Anforderungen an einen – durch das Gericht akzeptierten- Anfangsverdacht ernorm hoch waren und sind. Vage Zweifel an der Vaterschaft reicht dafür nicht aus. Der Vater muss Umstände vortragen, die bei „objektiver Betrachtung" geeignet sind, Zweifel an der Vaterschaft erkennen lassen. Ein Verfahren, welches dazu dient, Kenntnis darüber zu erlangen, ob das Kind von seinem rechtlichen Vater abstammt, sieht das geltende Recht nicht vor.

  2. Gentest als Ausweg ? Viele Väter hatten das Problem überhaupt nachzuweisen, dass das Kind nicht von ihnen stammt. Welche Kindesmutter würde einem Gentest bereitwillig zustimmen? Zwar besteht die Möglichkeit sich mit der Kindesmutter über einen Gentest zu einigen, doch in dem Verfahren vor dem BverfG hat die Kindesmutter bis zuletzt einem solchen Test nicht zugestimmt. Um das Beweisproblem zu lösen, haben die Ehemänner heimlich Gentests eingeholt, um dann die Zweifel an der Vaterschaft begründen zu können. Dazu war es entscheidend, dass das heimlich eingeholte Vaterschaftsgutachten vor Gericht anerkannt wurde.

    Die Kindesmutter kann zwar noch in dem Verfahren das heimlich eingeholte Gutachten akzeptieren. In dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht tat sie es nicht.

  3. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 13.02.2007

    a) Das Bundesverfassungsgericht verweigerte die prozessuale Anerkennung eines heimlich eingeholtem Gentest mit relativ kurzer Begründung.

    „Bei der Abwägung zwischen dem Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Interesse an der Verwertung der vorgetragenen Daten und Erkenntnisse nur dann höheres Gewicht, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzukommen, die ergeben, dass es trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist. Hierfür reicht allein das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, nicht aus (vgl. BVerfGE 106, 28 <49 f.>).

    (...) Dies haben der Bundesgerichtshof wie die Vorinstanzen bei ihren angegriffenen Entscheidungen berücksichtigt. Sie sind in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die heimliche Verschaffung von Genmaterial des Kindes und damit der unerlaubte Zugriff auf seine persönlichen Daten durch den Beschwerdeführer das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes in erheblicher Weise beeinträchtigt hat und die Verwertung der daraus gewonnenen Erkenntnisse im gerichtlichen Verfahren einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Kindes bedeutete. Demgegenüber haben die Gerichte ein besonderes, über das Interesse, mit dem heimlich und gegen den Willen des Kindes erstellten Gutachten ein Beweismittel für die Darlegung seiner nicht bestehenden Vaterschaft zu erhalten, hinausgehendes schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers an der Zulassung des Gutachtens im Verfahren zu Recht nicht erkennen können.

    Auch der Umstand, dass bislang kein Verfahren zur Verfügung steht, das es einem Mann ermöglicht, die Abstammung eines ihm rechtlich zugeordneten Kindes klären und feststellen zu lassen, führt nicht dazu, ein solches besonders schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers anerkennen zu können. Damit befindet sich ein Mann, der seine rechtliche Vaterschaft anfechten will, noch nicht in einer notwehrähnlichen Situation, die es rechtfertigen könnte, dass dieser sich ohne Einwilligung und Wissen des Kindes oder seiner Mutter genetische Daten des Kindes verschafft und die Erkenntnisse daraus unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Kindes im familiengerichtlichen Verfahren Verwertung finden. Wie die familiengerichtliche Praxis über Jahrzehnte erwiesen hat, ist die Vorlage eines DNA-Gutachtens nicht die einzige Möglichkeit, um im Vaterschaftsanfechtungsverfahren den Darlegungsanforderungen zu genügen und Umstände vorzutragen, die es nicht ganz fernliegend erscheinen lassen, dass nicht der Anfechtende, sondern möglicherweise ein anderer Mann biologischer Vater des Kindes ist. Insofern ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet" (vgl. http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20070213_1bvr042105.html )

    b) Aber das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber dazu verpflichtet, bis zum 31.03.2008 ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, um „die Möglichkeit zur Feststellung der Vaterschaft zu eröffnen". Das Fehlen eines solchen Verfahrens rechtfertigt sich sicht allein aus den Grundrechten der Kindesmutter oder des Kindes.

    Dabei hat das Gericht das Dilemma anerkannt, in welchem die (Schein-) Väter stehen:

    „Für einen Mann, der bei Zweifeln an seiner Vaterschaft für ein Kind klären möchte, ob dieses von ihm abstammt, besteht zwar die Möglichkeit, auf privatem Wege mit Einwilligung des Kindes beziehungsweise seiner sorgeberechtigten Mutter unter Verwendung auch von Genmaterial des Kindes ein Vaterschaftsgutachten einzuholen und dadurch Kenntnis über die Abstammung zu erlangen. Dieser Weg ist jedoch allein vom Willen anderer abhängig und rechtlich verschlossen, wenn Kind oder Mutter ihre Einwilligung verweigern. Dies ist die Folge davon, dass der Gesetzgeber bisher kein Verfahren vorgesehen hat, in dem das Recht auf Kenntnis der Abstammung durchgesetzt werden kann. Die faktische Möglichkeit, sich privat Kenntnis von der biologischen Vaterschaft zu verschaffen, reicht nicht aus, einem Mann den gebotenen Schutz zukommen zu lassen. Dies zeigt sich gerade dann, wenn die Einwilligung von Kind beziehungsweise Mutter zur Einholung eines Vaterschaftsgutachtens fehlt. Denn ein ohne deren Einwilligung heimlich von einem Mann eingeholtes Gutachten verletzt das Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausformung als informationelles Selbstbestimmungsrecht und das von Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Sorgerecht der Mutter"

  4. Und was kommt jetzt?

    a) Zypries fordert Strafbarkeit
    Frau Bundesjustizministerin Zypries hat zunächst angekündigt das Urteil schnell umzusetzen. Weitere Einzelheiten des neuen Gesetzes gab sie noch nicht bekannt, jedoch liess sie verlauten, dass heimliche Vaterschaftstest unter Strafe gestellt werden sollen.

    b) Gesetzesentwurf
    Nach Ostern soll ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden, wonach ein vereinfachtes Verfahren für die Vaterschaftsfeststellung eingeführt werden soll. Zu den Vorschlägen gehört ein zweistufiges Verfahren: Feststellung und Anfechtung der Vaterschaft sollen nun zwei eigenständige Verfahren werden. Die erste Stufe hat nur die Feststellung der Vaterschaft zum Gegenstand. Erst, wenn feststeht, dass ein Mann nicht der biologisch Vater ist, soll in einem zweiten Verfahren die Vaterschaft – d.h. die rechtliche Stellung – angefochten werden können.

    c) Kritik
    Hier wird man sich –im Hinblick auf die erste Stufe - fragen, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, die ein Feststellungsverfahren einleiten können. Frau Bundesjustizministerin Zypries verlangt, dass „Anhaltspunkte" für ein solches Verfahren vorliegen müssen.

    Falls der rechtliche Vater die erste Stufe überwindet, bleibt noch die nächste Hürde, das eigentliche Anfechtungsverfahren. Hier soll das Gericht „unter Berücksichtigung auch der Interessen des Kindes" prüfen, ob der (Schein-) Vater die rechtliche Position der Vaterschaft endgültig verliert oder sie beibehält. Es ist daher möglich, dass der Scheinvater zwar in dem ersten Verfahren feststellen kann, nicht der biologische Vater zu sein und trotzdem weiterhin in dem zweiten Verfahren als rechtlicher Vater betrachtet wird.

    Es mag sein, dass einige „Scheinväter" eine Beziehung zu dem Kind aufgebaut haben. Doch die Frage ist, warum man einen (Schein-)Vater in dieser Situation rechtlich an etwas festhalten soll, wenn er dies aufgrund der neuen Ereignisse nicht mehr möchte. Vielmehr sollte man dem Scheinvater allein die Möglichkeit lassen über seine neue rechtliche Stellung zu dem Kind zu entscheiden.

    d) Die Frage ist, ob sich etwas an der Rechtslage auch inhaltlich ändert:
    Zur Erinnerung: Nach derzeitiger Rechtslage gehören zur Schlüssigkeit der Klage alle Tatsachen, die notwendig sind, damit die Klage begründet erscheint. Dazu gehören alle Umstände, die gegen eine Vaterschaft sprechen sollen. Der Anfechtende muss die Umstände darlegen, auf die er seine Zweifel an der Vaterschaft stützt.
    Dies erfordert die konkrete Darlegung der Anhaltspunkte, die die Annahme zulassen, dass das Kind nicht vom Scheinvater abstammt (BGH in: FamRZ 1998, Seite 955). Dies sind z.B., dass der mehrfache Geschlechtsverkehr der Mutter des Kindes substantiiert dargelegt wird. Es ist nachvollziehbar, dass der rechtliche Vater diesen Beweis oft nicht führen kann.
    Erst wenn man diese (hohe) Hürde überwindet, kann das Gericht ein Abstammungsgutachten beauftragen. Ist der Vortrag nämlich unsubstaniiert, dann wird das Gericht kein Gutachten einholen.
    Nach den Überlegungen des Gesetzgebers in Person von Frau Zypries soll ein Feststellungsverfahren erst möglich sein, wenn Anhaltspunkte für das Nichtvorliegen der Vaterschaft gegeben sind. Bisher – und hier wird es spannend – ist nicht geklärt, was der Unterschied zwischen „Anhaltspunkte" (neues Recht) und „Anfangsverdacht" (bisheriges Recht) sein soll.

  5. Auswirkungen bis zum 31.03.2008
    Bis zum 31.03.2008 gibt es rechtlich kaum eine Möglichkeit für die rechtlichen Väter, die Vaterschaft anzufechten. Ein Mann, der auch nur die geringsten Zweifel an seiner Vaterschaft hat, darf nach derzeitigem Recht die Vaterschaft nicht anerkennen. Dann muss er im Rahmen des Vaterschaftsfeststellungsverfahren verklagt werden. In diesem Verfahren wird ein Gutachten eingeholt und für den Vater und das Kind Klarheit bestehen. Dies gilt aber nur für den Fall, dass der Mann nicht mit der Kindesmutter verheiratet ist. Der verheiratete Ehemann gilt nach wie vor als Vater des in der Ehe geborenen Kindes.

Rechtsanwalt Klaus Wille
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Mit freundlichen Grüße
Klaus Wille
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