Die Selbstanzeige und der "Fall Hoeneß"

Mehr zum Thema: Strafrecht, Hoeneß, Selbstanzeige, Haftbefehl, Steuer, Steuerhinterziehung
4,8 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
5

Der Fall, die Selbstanzeige des § 371 AO und ihre Konsequenzen

Bekanntlich soll Uli Hoeneß einem Bericht des "Focus" zufolge Steuern hinterzogen und dies bereits im Januar selbst zur Anzeige gebracht haben, nachdem er ursprünglich von den Möglichkeiten des letztlich gescheiterten Deutsch-Schweizerischen Steuerabkommens profitieren wollte. Jene hätten ihm eine vollkommen anonyme Nachzahlung ermöglicht. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung und hat weiteren Berichten, z.B. der "Süddeutschen Zeitung" nach, unter dem 20. März im Zuge dieser Ermittlungen eine Hausdurchsuchung durchgeführt und sogar einen Haftbefehl beantragt, der dann auch erlassen und gegen die Zahlung einer Kaution wieder außer Vollzug gesetzt wurde. Herr Hoeneß selbst wird zu der Selbstanzeige in der "Sport Bild" mit der Aussage zitiert, er habe einen schweren Fehler gemacht und durch die Selbstanzeige versucht, diesen einigermaßen wiedergutzumachen.

Nun folgen die wenig überraschenden Reaktionen: Fragen nach der Höhe der tatsächlich hinterzogenen Steuer, der Herkunft des Geldes,  der moralischen Integrität des Beschuldigten und der Notwendigkeit politischer Reaktionen. Die Liste ließe sich sicher noch um einiges erweitern. Ganz so spektakulär ist die Angelegenheit dann aber vielleicht doch nicht, wenn man einmal die exponierte Stellung des Beschuldigten außer Acht lässt und stattdessen die Voraussetzungen und Auswirkungen einer solchen Selbstanzeige betrachtet.

Matthias Düllberg
Partner
seit 2010
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Grabenstraße 38
44787 Bochum
Tel: 0234 45934220
Web: http://www.ra-duellberg.de
E-Mail:
Jugendstrafrecht, Verkehrsstrafrecht, Ordnungswidrigkeiten, Verwaltungsrecht
Preis: 70 €
Antwortet: ∅ 9 Std. Stunden

Die Selbstanzeige nach § 371 AO

Eine solche Anzeige führt nämlich regelmäßig zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und, sofern sie wirksam war, im Weiteren zur Straflosigkeit wegen der Steuerhinterziehung.  So sagt es auch heute noch der erst 2011 verschärfte § 371 der Abgabenordnung (AO). Andere, möglicherweise aufgrund der Selbstanzeige selbst erst entdeckte Delikte sind davon nicht betroffen und können weiterhin verfolgt und bestraft werden.

Der Grund für die Existenz dieses Strafaufhebungsgrundes ist das Interesse des Staates, bislang verborgene Steuerquellen zu erschließen. Er stellt sein Interesse an der Einnahme der nicht erklärten Steuern über seinen Strafanspruch, was, gemessen an dem so geschaffenen Anreiz und den Kosten eines häufig aufwendigen Steuerstrafverfahrens, wirtschaftlich betrachtet auch durchaus sinnvoll sein kann. Gleichwohl wurde mit der Gesetzesänderung versucht, die Nutzung der Selbstanzeige als Option einer „Steuervermeidungsstrategie" zu verhindern.

Die Voraussetzungen des § 371 AO

Nach § 371 Abs. 1 AO muss mit der Selbstanzeige zunächst jedesteuerrechtlich nicht verjährte unterbliebene, unvollständige oder falsche Steuererklärung vollumfänglich ergänzt, berichtigt oder nachgeholt werden. Es muss dem Finanzamt damit einzig anhand dieser sog. Materiallieferung möglich sein, die angefallenen Steuern nunmehr exakt und bzgl. aller in Betracht kommenden Steuerarten zu erfassen und zu bescheiden. Eine Teilselbstanzeige ist damit unzulässig und steht einer Straflosigkeit auch für den angezeigten Teil entgegen. Allenfalls minimale Abweichungen werden akzeptiert. Zudem müssen die bereits hinterzogenen Steuern nach § 371 Abs.3 AO innerhalb einer angemessenen Frist gezahlt werden.

So weit, so gut. Wer also vollständiges Material liefert und überdies noch ausstehende Beträge nachzahlt, wird für die Steuerhinterziehung nicht bestraft. Jedenfalls in der Regel nicht. Denn in § 371 Abs. 2 AO wurden noch diverse Ausschlussgründe ins Gesetz aufgenommen, die trotz Erfüllung der genannten Bedingungen zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige führen.

Soweit das Finanzamt bereits eine Prüfungsanordnung getroffen hat, die Einleitung des Strafverfahrens einem Beschuldigten oder dessen Vertreter (z.B. dem Steuerberater) bereits bekannt gegeben wurde oder ein Finanzbeamter zur Steuerprüfung oder Ermittlungen erschienen ist, käme die Selbstanzeige zu spät (§ 371 Abs.2 Nr. 1 a) – c) AO). Nämliches gilt, wenn die Steuerstraftat bereits zumindest teilweise entdeckt war und der Selbstanzeigende damit jedenfalls rechnen musste (§ 371 Abs.2 Nr. 2 AO). Damit sollte offensichtlich verhindert werden, dass ein Steuerpflichtiger aus taktischem Kalkül heraus mit der Anzeige wartet, bis sie quasi unausweichlich wird. Geschieht dies dennoch, ist sie ggf. (nur) noch als Strafmilderungsgrund im Rahmen der konkreten Strafzumessung zu berücksichtigen. Ferner ist die Selbstanzeige nach § 371 Abs.2 Nr. 3 AO erfolglos, wenn der hinterzogene Betrag die Summe von 50.000 € pro Tat übersteigt. Im letzteren Fall wird das Verfahren allerdings gemäß § 398a AO gleichwohl eingestellt, wenn der Steuerbetrag und weiter 5 % der Summe an die Staatskasse gezahlt werden.

Zu jedem einzelnen dieser Ausschlusskriterien ließe sich nun noch eine ganze Menge mehr sagen. Insbesondere da die Gesetzesänderung noch nicht so lange zurückliegt ist bislang längst nicht alles geklärt und vor allem nicht entschieden. Jedenfalls ist aber wegen des Erfordernisses der Vollständigkeit und aufgrund der genannten Ausschlussgründe eine Selbstanzeige meist nicht ganz risikolos. Gemessen an den seitens des Bundesgerichtshofs aufgestellten Regeln des zur Bemessung von Strafen in diesem Bereich (z.B. kommt einem Hinterziehungsbetrag von 100.000 € regelmäßig keine Gelstrafe, ab 1.000.000 € auch keine Strafaussetzung zur Bewährung mehr in Betracht) gilt dies umso mehr. Daher ist auch dringend von dem Versuch abzuraten, ohne fachkundigen Beistand und ohne Hinzuziehung eines Steuerberaters eine solche Selbstanzeige in die Welt zu setzen.

Der "Fall Hoeneß"

Im Fall Hoeneß kann man wohl davon ausgehen, dass der Beschuldigte entsprechend fachkundigen Rat eingeholt hat. Ein Steuerberater hat an der Selbstanzeige den Berichten zufolge jedenfalls mitgewirkt. Dennoch war es nun Sache der Staatsanwaltschaft, die Anzeige zunächst auf Vollständigkeit und dann weiter auf das Vorliegen der genannten Ausschlussgründe zu überprüfen. Diese Überprüfung hat offenbar dann zu der Durchsuchung und zum Erlass des Haftbefehls geführt, gut zwei Monate nach der Selbstanzeige und der Einleitung der Ermittlungen. Die Berichterstatter sehen darin ein Indiz dafür, dass trotz unterstellter Sorgfältigkeit die Selbstanzeige vielleicht doch nicht wirksam war.

Ganz fernliegend ist dieser Schluss nicht:

Zunächst drängt sich schon die Frage auf, wozu bei einer vollumfänglichen und schlüssigen Materiallieferung noch eine Hausdurchsuchung bei einem kooperativen Beschuldigten erforderlich sein soll. Selbst wenn man dieser Maßnahme aber vor dem Hintergrund der Überprüfung keine übermäßige Bedeutung beimessen wollte, bliebe noch der erlassene Haftbefehl. Die Möglichkeit diesen außer Vollzug zu setzen ist in § 116 StPO geregelt und ausweislich dieser Norm einzig dafür vorgesehen, den Haftgrund der Fluchtgefahr zu kompensieren, für dessen Annahme zuvor Umstände zu Tage treten müssen, die es wahrscheinlicher erscheinen lassen, dass ein Beschuldigter sich dem Verfahren eher entzieht, als dass er sich ihm stellt. Eben jene Umstände können unter anderem dann angenommen werden, wenn ein Beschuldigter erstmalig damit konfrontiert wird, dass ihm eine empfindliche Freiheitsstrafe drohen könnte, mit der er bis dato nicht gerechnet hat.

Sollte Herr Hoeneß seinen überlieferten Angaben zufolge also tatsächlich davon ausgegangen sein, dass er mit der Selbstanzeige umfassend einen schweren Fehler wiedergutmachen könnte, wäre die Durchsuchung ein deutliches Zeichen dafür gewesen, dass dies entgegen der Erwartung so nicht eintreten würde. Der dann noch notwendige Fluchtanreiz kann durchaus in den bereits genannten Maßgaben des BGH zur Strafhöhe gesehen werden. Führt man sich das vor Augen, spricht tatsächlich vieles dafür, dass die Selbstanzeige schlussendlich nicht wirksam gewesen sein könnte. Ob diese Unwirksamkeit dann mit Blick auf den Bericht des "Stern", der bereits im Januar von einem "Spitzenvertreter der deutschen Fußball-Bundesliga" berichtet hat, welcher in der Schweiz ein Schwarzgeldkonto unterhalten soll, tatsächlich auf einer bereits eingetretenen Entdeckung der Straftat beruht, kann nach dem Vorgesagten dahin stehen. Letztlich ist auch das bislang nur Spekulation.

Sollte sich am Ende der Ermittlungen herausstellen, dass die Selbstanzeige, trotz Durchsuchung und Haftbefehl, alle Voraussetzungen des § 371 AO erfüllt, wird das Verfahren gegen Herrn Hoeneß eingestellt. Andernfalls würde es fortgesetzt und voraussichtlich in einer Anklage nebst nachfolgender Hauptverhandlung enden und die Selbstanzeige hätte je nach Umfang „nur" noch strafmildernde Wirkung. Wir werden es erfahren. Ob die Gepflogenheiten des Herrn Hoeneß, sein Einkommen und seine Steuern betreffend, ihn dann oder schon jetzt ganz allgemein für seinen Beruf oder seine gesellschaftliche Stellung disqualifizieren oder ob der gegenwärtige Aufschrei Ausdruck von Neid oder Schadenfreude ist, ist eine andere Frage, aber eine, die derzeit nichts mit dem weiteren Fortgang des Verfahrens zu tun hat. Jedenfalls bis zu dessen Ende gilt auch für Herrn Hoeneß die Unschuldsvermutung und für alles Weitere ist ggf. danach noch Zeit.

Fragen, Anmerkungen, Kritik?

Wenden Sie sich gern an

M.Düllberg
Rechtsanwalt
-Fachanwalt für Strafrecht-

Lindengraben 11
44803 Bochum

Tel 0234 300555
Fax 0234 34734

www.ra-duellberg.de
www.kanzleiwache.de
www.facebook/ra.duellberg
https://twitter.com/mduellberg
Wollen Sie mehr wissen? Lassen Sie sich jetzt von diesem Anwalt schriftlich beraten.