Die Kündigung des Arbeitnehmers bei schwerwiegendem Verdacht einer strafbaren Handlung

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Die Verdachtskündigung

Die Kündigung des Arbeitnehmers bei schwerwiegendem Verdacht einer strafbaren Handlung

Ein Arbeitgeber kann seinem Arbeitnehmer kündigen, wenn er den Verdacht hat, dass dieser während der Arbeit strafbare Handlungen begeht. Gerade im Bereich von Arbeitsplätzen mit Kassenbefugnis oder Warenumschlag genügt der bloße Verdacht, um das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen.

Thilo Wagner
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Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung und der damit einhergehende Vertrauensverlust stellt dabei gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar.

§ 626 Abs. 1 BGB läßt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn

  • starke Verdachtsmomente vorliegen, die auf objektiven und konkreten Tatsachen gründen,
  • diese Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören,
  • und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

Für den Ausspruch einer Verdachtskündigung genügt also, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört ist. Ein tatsächlich strafbares Verhalten oder eine strafrechtliche Verurteilung müssen nicht vorliegen. Es ist zum Beispiel ausreichend, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dabei beobachtet, wie er heimlich Gegenstände aus der Kasse nimmt und später ein eindeutiger Kassenfehlbestand vorliegt.

In einem Fall, den das Bundesarbeitgericht zu entscheiden hatte, wurde eine Putzfrau im Krankenhaus dabei beobachtet, wie sie ein Paket Windeln einsteckte. Das Arbeitsverhältnis wurde wegen Diebstahlverdacht gekündigt. In dem Strafprozess verteidigte sich die Putzfrau erfolgreich mit der Behauptung, ein Arzt habe ihr befohlen die Windeln zu holen. Das Bundesarbeitsgericht entschied jedoch im Kündigungsschutzverfahren zu ihren Lasten und stellte in der Entscheidung fest, dass die Kündigung berechtigt sei. Aufgrund des nachvollziehbaren Verdachts sei das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin zerstört und die Kündigung berechtigt (BAG - 2 AZR 620/96 -).

Die Tatkündigung

Keine Verdachtskündigung sondern eine Tatkündigung liegt vor, wenn nicht wegen dem Verdacht, sondern wegen des Begehens der Tat gekündigt wird. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung (bzw. Pflichtverletzung) tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.

Keine Abmahnung notwendig

Wichtig ist, dass vor Ausspruch einer Verdachtskündigung eine Abmahnung nicht notwendig ist. Denn hierdurch kann das verlorene Vertrauen des Arbeitgebers nicht wiederhergestellt werden.

Aufklärungspflicht des Arbeitgebers: Anhörung des Arbeitnehmers

Vor Ausspruch einer Verdachtkündigung muss der Arbeitgeber unbedingt versuchen, den vollständigen Sachverhalt im Rahmen seiner Möglichkeiten aufzuklären. Anderenfalls droht die Unwirksamkeit der Kündigung. Der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Anders als bei einem auf Grund von Tatsachen bewiesenen Sachverhalt besteht bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr, dass ein "Unschuldiger" betroffen ist.

Deshalb ist es gerechtfertigt, strenge Anforderungen an die Aufklärung zu stellen und vom Arbeitgeber zu verlangen, alles zu tun, um den Sachverhalt aufzuklären. Die Kündigung verstößt anderenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen. Hierfür ist grundsätzlich eine Anhörung des Arbeitnehmers erforderlich.

Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Es reicht jedoch grundsätzlich nicht aus, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen einer Anhörung zu einer Verdachtskündigung lediglich mit einer wagen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen konkretisierten Sachverhalt beziehen. Nur dann hat der Arbeitnehmer überhaupt die Möglichkeit, sich zum Verdachtsvorwurf und den ihn tragenden Verdachtsmomenten genau zu äußern. Der Arbeitgeber darf deshalb dem Betroffenen keine wesentlichen Erkenntnisse vorenthalten, die er im Anhörungszeitpunkt bereits besitzt. Er muss alle relevanten Umstände angeben, aus denen er den Verdacht ableitet. Andernfalls würden die Einlassungs- und Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unzulässig beschränkt.

Dieser Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken. Erklärt der Arbeitnehmer sogleich, er werde sich zum Vorwurf nicht äußern und nennt auch für seine Verweigerung keine relevanten Gründe, dann muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung nicht über die Verdachtsmomente näher informieren. Eine solche Anhörung des Arbeitnehmers wäre überflüssig, weil sie zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Willensbildung des Arbeitgebers nicht beitragen kann.

Unterbleibt eine sorgfältige Aufklärung durch den Arbeitgeber, kann er sich im Kündigungsschutzprozess nicht auf den Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen. Eine hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam.

Fazit

Bei einer Verdachts- oder Tatkündigung ist oft nicht nur die tatsächliche Sachverhaltsaufklärung problematisch. Auch die anschließende Verwertung des gewonnenen „Beweismaterials" ist schwierig und an eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Fallstricken geknüpft.

Arbeitgeber sollten bei Verdacht in jedem Fall vor weiteren Maßnahmen juristische Hilfe einholen. Aber auch für den Arbeitnehmer, der eine Verdachtskündigung erhält, lohnt sich anwaltlicher Beistand. Oft kann ein Kündigungsschutzprozess schon alleine dadurch gewonnen werden, dass dem Arbeitgeber Verfahrensfehler vor Ausspruch der Verdachtskündigung nachgewiesen werden.


Der Autor ist Sozius der Rechtsanwaltskanzlei Wagner Halbe Rechtsanwälte in Köln und berät Arbeitgeber und Arbeitnehmer in allen Fällen des Arbeitsrechts.

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